Die Inflation trifft vor allem die Menschen, die wenig haben, die Geringverdiener. Und die, die viel haben, merken von der Verteuerung in der Regel wenig bis gar nichts, sie können die Mehrkosten besser verschmerzen. SPD und die Grünen wollen folgerichtig gezielt Zeitgenossen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Das sind u.a. Hartz-IV-Bezieher und Rentner mit geringen Renten. Um diesen Menschen zu helfen, sind Direktzahlungen, wie der SPD-Fraktionsvize Achim Post formuliert hat, das beste Mittel. Handlungsbedarf gibt es aber wohl auch für jene Gruppe, deren Einkommen knapp über der Bezugsgröße von Hartz-IV liegt, die also auch zu den Geringverdienern zählt.
Die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz(SPD) hat bisher schon einiges dazu geleistet wie den Familienzuschuss und die Energiepauschale. Im Winter befürchten Experten einen Preisanstieg von bis zu zehn Prozent. Man denke an die Gasumlage der Kunden an Energie-Unternehmen, die knapp bei Kasse sind, das Neun-Euro-Ticket endet, ob es und wie es verlängert wird, ist ungewiss, der Tankrabatt, ohnehin umstritten, wenn nicht sogar das falsche Instrument, läuft im September aus. Es kommt einiges auf die Kunden zu, die ja auch Wählerinnen und Wähler sind. Davon zu reden, dass es einen Volksaufstand geben könnte, wie das etwas vorlaut die Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock getan hatte, ist sicher übertrieben, aber die Sorge ist groß, dass extreme Parteien sich der unzufriedenen Wählerschaft annehmen könnten. Scholz wird liefern müssen, der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der am 9. Oktober bei der Landtagswahl wiedergewählt werden will, hat von Berlin weitere Entlastungen gefordert.
Starke Schultern nicht entlasten
Wer aber Bundesfinanzminister Christian Lindners(FDP) Äußerungen im Interview des ZDF-Heute-Journals verfolgte, wurde eines anderen belehrt. Der Freidemokrat denkt nicht daran, nur gezielt jenen Menschen zu helfen, bei denen es kneift, er will auch jene unterstützen, die mehr verdienen, weil sie angeblich die höhere Steuerlast tragen. „Das ist sozial ausgewogen“, verteidigte er seine Steuer-Pläne im Gespräch mit Marietta Slomka. „Die starken Schultern werden weiter auch eine große Last tragen. Aber sie werden eben nicht stärker belastet und vor allem sorgen wir dafür, dass nicht Menschen, die in Wahrheit keine breiten Schultern haben, durch die Inflation mehr Steuern bezahlen müssen.“ Lindner redete sich raus, er konnte aber nicht überzeugen.
SPD-Parteichef Lars Klingbeil begrüßte die Steuerpläne von Lindner als „konstruktiv“, will aber in der Diskussion mit den Ampel-Partnern die Details klären. Da habe er andere Vorstellungen. Dagegen lehnten die Grünen die Pläne des liberalen Ministers ab. Sie seien „nicht auf der Höhe der Zeit“, kritisierte die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Beck. „Starke Schultern müssten mehr tragen als einkommensschwache und nicht überproportional entlastet werden.“ Ähnlich sieht das auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. „Eine Reform, bei der nominal die Besserverdienenden mehr gewinnen, kommt einfach zum falschen Zeitpunkt“.
Falscher Ansatz
Der Staat kann nicht alle Lasten der gegenwärtigen Krise tragen. Aber gerade weil das so ist, muss er genau hinschauen, wem er helfen muss. Denn es gibt zweifellos eine nicht zu unterschätzende Gruppe in Deutschland, die die Kosten nicht bezahlen kann, das teurere Benzin, das teurere Gas, die Heizung, die teureren Lebensmittel. Und so weiter. Die Preissteigerungen sind durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine in die Höhe geschnellt. Und sie werden weiter nach oben klettern. Eine breite Steuerentlastung ist zwar grundsätzlich wünschenswert und es ist auch richtig, die kalte Progression auszugleichen und die Mitte der Gesellschaft angesichts der hohen Inflation zu entlasten.
Aber in dieser Zeit muss der Hebel zuerst und vor allem bei denen angesetzt werden, die die Härten der Preissteigerungenn nicht allein tragen können. So hat es Veronika Grimm in der „Rheinischen Post“ formuliert. So sieht es auch der Ökonom Martin Werding von der Ruhr-Uni in Bochum, der jetzt von der Bundesregierung in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen worden ist. Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ begrüßte er, dass die Regierung „Bürger mit wenig Einkommen“ entlasten wolle, „aber nicht wie jetzt mit der Gießkanne auch solche, die allein klarkommen.“
Die Milliarden Euro, die man bei gezielter Steuer-Entlastung spart, wird man vielleicht im Winter brauchen, wenn Putin uns den Gashahn zudrehen sollte und Energie noch teurer wird. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die den Namen verdient. Besserverdienern sei das höhere Einkommen gegönnt, aber der Staat, in diesem Fall die Regierung muss ihnen nicht noch durch Steuergesetze weiteres Geld in die Kasse scheffeln, das an anderer Stelle dringend benötigt wird. Christian Lindner muss sich auf heftige Debatten in der Koalition einstellen. Er sollte nicht überziehen wie beim Tempolimit und in der Corona-Politik. Die FDP ist nicht ohne Grund aus den Landes-Regierungen in NRW und Schleswig-Holstein geflogen. Nur eine Partei der Besserverdiener sein zu wollen, mag ein Kennzeichen der FDP sein, Wahlen werden die Liberalen damit kaum bestehen können.
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