Schiff vor Libyen gekentert. So lautete eine Überschrift in vielen Zeitungen. Und zwar in dem Augenblick, als ein Rettungsschiff sich dem überfüllten Flüchtlingsboot näherte und viele Menschen an Bord sich auf die eine Seite drängten, um das Schiff zu sehen, um vielleicht als erste gerettet zu werden. Das Boot neigte sich zur Seite und kenterte und nahm viele Menschen mit in den Tod. Ein Drama, wie es viele Dramen gibt mit Flüchtlingen und das seit Jahr und Tag. Das Flüchtlingsthema lässt uns nicht los. Kein Tag vergeht ohne Meldungen über die Flucht der Syrer, der Eritreer oder der Albaner. Und kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über den Umgang mit den Flüchtlingen in Deutschland. „Raus mit dem Dreck“, skandierten einige Dutzend Menschen in Freital in Sachsen. Als wären die Flüchtlinge Dreck, eine Wortwahl, wie man sie von den Nazis kannte, wenn sie Juden jagten und ermordeten.
Es ist die Sprache der Rassisten. „Das Dreckspack soll im Meer ersaufen“, war auf Facebook zu lesen. Man zuckt zusammen, wenn man das sieht, man schüttelt mit dem Kopf, wenn man eine Frau hört, die auf die Frage, was sie denn zu den Angriffen auf Flüchtlinge sage, wenn diese mit Böllern beworfen würden: Das habe sich nicht gegen Deutsche gerichtet. Wie bitte? Noch einmal wurde sie gefragt und noch einmal kam die Antwort: Die Böller seien nicht gegen Deutsche geflogen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Mit diesem Grundrecht beginnt das deutsche Grundgesetz. Wir haben das schon mehrfach im Blog-Der-Republik zitiert. Es heißt „Die Würde des Menschen“ und es heißt nicht „Die Würde des Deutschen“. Die ARD-Sendung Panorama mit Anja Reschke hat diese Szenen am Donnerstagabend gezeigt, gleich nach dem Fußballspiel des BVB gegen die Mannschaft aus Wolfsberg(Österreich). Anja Reschke hatte am Abend zuvor in den Tagesthemen einen „Aufstand der Anständigen“ gefordert. Damit das nicht vergessen wird, Panorama zeigte auch Szenen aus Schleswig-Holstein, wo man Flüchtlinge aufnahm wie Menschen. Es sind Menschen, die aus größter Not ihre Heimat verlassen haben, Syrien, Eritrea, Somalia, Libyen, Roma sind darunter, die fast überall in der Welt diskriminiert werden, auf lebensgefährliche Art, wie eine Menschenrechtsorganisation es formuliert. Armutsflüchtlinge, ohne Chance auf Asyl.
Es gibt sie, die anderen, den Fregatten-Kapitän im Mittelmeer, dem bei seiner lebensrettenden Arbeit „manchmal die Tränen kommen“. Es gibt sie, die trauern, wenn Kinder, weil sie nicht schwimmen können, im Meer ertrinken. Aber es gibt eben auch die Stimmen der Rassisten, zumeist irgendwo im Internet zu lesen: „Verjagt, verbrannt, vergast“ werden sollen sie. Man schämt sich ob dieser unmenschlichen Reaktionen. Wo sind wir gelandet? Allein vier Millionen Syrer sind vor dem Bürgerkrieg geflohen, um ihr und das Leben ihrer Familie zu retten. Sie kommen nach Deutschland und suchen Schutz, den sie aber leider nicht überall bekommen. Wir sollten uns schämen, dass so etwas möglich ist in unserem Land. Wir müssen uns dagegen stellen, uns gegen diese Menschenverachtung stemmen, uns öffentlich einmischen und Rassisten zur Rede und an den Pranger stellen.
Kein Öl ins Feuer gießen, Herr Seehofer
Und leider gehört zu diesem Thema auch der tägliche Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident und CSU-Parteichef. Der Mann war mal ein ausgewiesener Sozialpolitiker, jetzt poltert er rum und warnt vor einer Katastrophe mit Ansage. Deutschland ist ein reiches Land, Herr Seehofer, und Deutschland und Bayern werden es sich leisten müssen und auch können, Flüchtlingen zu helfen. Natürlich braucht es dazu mehr Geld und auch eine stärkere Hilfe des Bundes, vielleicht einen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden abgestimmten Generalplan. Dörfer und Städte dürfen nicht allein gelassen werden. Es wird Plätze für Flüchtlinge in Turnhallen geben, wie vor Jahren, als die Russland-Deutschen hierherkamen und auf die Schnelle Unterbringungsmöglichkeiten bereitgestellt werden mussten. Es wird sicher auch Zeltstädte geben. Provisorien, keine Frage. Häuser zu bauen wird dauern. Aber wir haben die Pflicht, die Flüchtlinge menschlich zu behandeln und sie zur Not auch zu schützen, auch jene, die wir als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen, weil sie nicht als politisch verfolgt eingestuft werden.
Es besteht dringender Handlungsbedarf, aber nicht in der Form, Herr Ministerpräsident, dass man täglich böse Geister beschwört. Wer vom Ende der Willkommenskultur schwadroniert, wie das in manchen Dörfern geschieht, redet doch den Rassisten das Wort, den Rechtsradikalen, den Ausländerfeinden. Sie gibt es leider und zwar nicht nur in Sachsen, sondern auch in Teilen von Bayern, in NRW, im Grunde überall. Ihnen dürfen wir nicht das Feld überlassen, sondern wir müssen die Dinge selber in die Hand nehmen. Und bitte: Kein Öl ins Feuer gießen.
Die SPD und ihre Suche nach einem Kandidaten
Und jetzt ein typisches Sommerloch-Thema, die SPD und ihre Suche nach einem Kanzlerkandidaten. Für eine Wahl, die erst 2017 stattfindet. Es braucht keiner weiteren Erklärung, dass die Amtsinhaberin, Angela Merkel, zur Zeit ziemlich unumstritten regiert, das heißt nicht, dass sie alles richtig macht, weil sie sich ja mehr dadurch auszeichnet, dass sie die Dinge beobachtet und erst dann entscheidet, wenn sie entschieden sind, ohne Kampf. Dadurch ist sie in der Sache kaum angreifbar, weil sie sich in der Sache nicht festlegt. Nun hat sich zu dem Problem jene Frau geäußert, die sich vor Jahr und Tag ohne Not selber aus der Diskussion geschossen hatte: NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, zugleich SPD-Landesvorsitzende. Damals hatte sie irgendwo in der Provinz betont, sie werde „nie, nie, nie“ Kanzlerkandidatin der SPD. NRW sei ihre Aufgabe, da bleibe sie. Dagegen kann man nichts sagen. Niemand kann sie zwingen, nach Berlin zu gehen. Zumal sie möglicherweise gewarnt war durch das Scheitern von Kurt Beck, der von Mainz aus versucht hatte, die Bundes-SPD zu führen und dabei kläglich gescheitert war.
Frau Kraft, im Land an Rhein und Ruhr sehr angesehen, hat nun im Gespräch mit einer Illustrierten betont, sie bleibe bei ihrer Festlegung, im Lande zu bleiben. Deswegen sei sie noch lange keine „Provinztante“, wird sie zitiert. Warum merkt sie es dann ausdrücklich an? Kraft: „NRW ist keine Provinz“. Na ja, politisch spielt die Musik nicht in Düsseldorf, sondern in Berlin. Und insofern ist der Landtag 2.Liga und der Bundestag Bundesliga. Und dass sie sich mit ihrem Verzicht klein gemacht habe, ist keine Kommentierung von Journalisten, sondern eine Beobachtung ihrer kleiner gewordenen Rolle und Bedeutung im Bund seit jenen Tagen, als sie den Verzicht bekannt gegeben hatte. Ihr Kabinett will sie nicht umbilden, zumindest nicht jetzt, hat sie auch gesagt. Sie habe keinen Anlass dazu. Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern der Staatskanzlei, dass das Kabinett an mindestens zwei Stellen verändert werden solle. Aber das Jahr ist ja noch lang und die Sommerferien gehen erst nächste Woche zu Ende. Und die nächsten Landtagswahlen in NRW finden 2017 statt.
Wahlkampf in den Städten
Am 13. September finden Oberbürgermeisterwahlen in NRW statt, ihr Ausgang könnte zu Veränderungen führen. Einen spannenden Urnengang wird in Köln erwartet, der größten Stadt im bevölkerungsreichsten Land. Amtsinhaber Roters tritt nicht mehr an. CDU, FDP und die Grünen haben sich gemeinsam auf eine parteilose Kandidatin, die Sozialdezernentin Henriette Reker verständigt. Da darf man sich schon wundern, wenn die CDU in der Domstadt, in der einst der Parteigründer Konrad Adenauer OB war, keinen eigenen Kandidaten auf die Beine stellen kann. Oder ist diese Köln-Connection, die von CDU-Landeschef Laschet, FDP-Chef Lindner und der Grünen-Chefin, Sylvia Löhrmann, vor Tagen vorgestellt wurde, nur deshalb entstanden, weil man unbedingt die SPD schlagen will und sonst keine Chance sieht, die Sozialdemokraten aus dem Rathaus zu verdrängen? Sieht schon ein bisschen nach Armutszeugnis aus für die CDU.
In Köln haben zwar lange die Sozialdemokraten regiert, aber es gab auch einen CDU-OB Schramma. Köln, das ist nicht irgendeine Stadt im Land, der Ausgang der Wahl dort hat Symbolcharakter und könnte Auswirkungen auf die Stimmung im Land haben. Für die SPD geht Jochen Ott ins Rennen, nicht ganz unumstritten selbst in Kreisen der SPD in der Stadt am Rhein. Er hat gerade mit einem Modell für die Zukunft des heruntergekommenen Stadtteils Chorweiler auf sich aufmerksam gemacht. Chorweiler soll wieder eine Zukunft haben. Heute gibt es dort einen Migrantenanteil von 75 vH, jedes zweite Kind lebt in einer Familie mit Hartz-IV-Bezügen. Aber Ott will Chorweiler umdrehen, nach vorn bringen, zu einer Adresse machen mit Aufbruchsstimmung.