Wieder ist ein Schiff mit Flüchtlingen im Mittelmeer gekentert, man rechnet mit rund 400 Toten. 144 Menschen konnte die italienische Küstenwache retten und bisher 9 Leichen aus dem Wasser ziehen. Das Mittelmeer, beliebt bei Touristen, beliebt bei Seglern und Sonnenhungrigen, die gern an den Stränden dieses Meeres Urlaub machen, ist längst zu einem Toten-Meer verkommen. Flüchtlinge aus Afrika, aus jenen Ländern, in denen Chaos herrscht, zum Beispiel Libyen, zum Beispiel Somalia, zum Beispiel Mali, verlassen ihre Heimat und versuchen mit Hilfe von Schleppern in das sicherere Europa zu gelangen. Schlepper nehmen sich der armen Teufel an, versprechen ihnen einen billige und gute Überfahrt, knöpfen ihnen viel Geld ab, im Grunde ihr gesamtes Hab und Gut und dann schippern sie mit den Flüchtlingen übers Meer. Und wenn es brenzlig wird, überlassen sie das Schiff sich selbst und dem Meer. So ist es vor Monaten schon mal passiert.
Wer Glück hat, rettet sich irgendwie auf ein Boot oder ein Schiff, das gerade in der Nähe ist, wer Pech hat, ertrinkt. Meldungen dieser Art können wir jede Woche in den Medien lesen. Sie rücken inzwischen aber von der Seite 1 auf die Hintergrundseite, sie sind ja Alltag geworden diese Katastrophen-Nachrichten aus Afrika. Je größer die Hungersnot in afrikanischen Ländern ist, je größer die Gefahr, an Ebola oder anderen Krankheiten zu sterben, je mehr Menschen im schwarzen Kontinent Opfer von Gewalt und Kriegen werden, je geringer die Chance, in der Heimat eine Arbeit zu finden, um sich und die Familie zu ernähren, umso größer werden die Verdienstmöglichkeiten dieser Schlepper, weil die Menschen in ihrer großen Not keine andere Chance sehen, als zu fliehen. Und dann begeben sie sich in die Obhut von Schleppern, denen aber das Leben der Flüchtlinge ziemlich gleichgültig ist. Sie wollen an dem Elend der Menschen verdienen. Und niemand ist offensichtlich da, der ihnen das Handwerk legen kann.
In Sonntagsreden wird manches große Wort geschwungen, zeigt man sich gern betroffen, kündigt etwas an, was dann nicht gemacht wird. Alles bleibt beim Alten. Europa, der Werte-Kontinent, wo man sich gern schmückt mit Begriffen wie Solidarität, Toleranz, wo man gern von der Würde des Menschen redet- gemeint aller Menschen, nicht nur der Deutschen- dieses Europa macht auch Geschäfte mit Afrika, wenn es sich denn lohnt.
Ach ja, und wir reden dann von einer Willkommenskultur, um die Flüchtlinge hier bei uns willkommen zu heißen, wenn sie uns denn erreichen. Aber wir wollen ohnehin nicht alle, wir wollen sie uns aussuchen je nach ihrem Talent und je nach dem Bedürfnis, das die Arbeitgeber formulieren. Denn Deutschland gehen die Facharbeiter aus, es fehlen gut ausgebildete junge Kräfte. Willkommen!
8.2 Millionen Menschen in Deutschland seien nicht-deutscher Herkunft, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière gesagt bei einer Konferenz über die Perspektiven und Chancen von Zuwanderung in Deutschland. Und da prallen die gegensätzlichen Meinungen über den Zustand der Integration aufeinander. Der eine sieht Deutschland auf dem Weg zu einer Willkommenskultur ein Stück vorangekommen, der andere beklagt wegen der Ansiedlung von Flüchtlingen so viele Anfeindungen gegen Bürgermeister wie nie zuvor in den letzten 30 Jahren. Der Brandanschlag von Tröglitz zu Ostern war ein Fanal, die Lage nicht schönzureden. Nur weil das Haus noch nicht bezogen war, gab es keine Verletzten, keine Toten.
Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland, immer mehr. Und wir sind verpflichtet, ihnen zu helfen, ihnen eine menschenwürdige Unterkunft zu geben und sie in Würde hier leben zu lassen. Und dazu brauchen sie unsere Unterstützung. Und wer diese Flüchtlinge angreift, wer sie nötigt oder beschimpft, der greift uns alle an, der will uns alle nötigen und beschimpfen. Das ist gelebte Solidarität.
Der zweite Flüchtlingsgipfel, zu dem NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft(SPD) eingeladen hat, ist ein richtiger Weg, der fortgesetzt werden muss. Da müssen alle mitmachen, die Vertreter der Parteien genauso wie die der Gewerkschaften und der Arbeitgeber, der Kirchen und der Verbände und Institutionen, wir alle, die Bürger dieses Landes. Wie das geschehen soll, muss offen diskutiert, dafür muss geworben werden. Die Zahlen und Kosten gehören auf den Tisch. Keine Geheimnisse, die ohnehin nur Vorurteile schüren helfen. Wir müssen sie aufnehmen und offensiv für die Flüchtlinge eintreten.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an sein eigenes Schicksal, oder das Schicksal seiner Verwandten, Freunde und Bekannten, als gegen Ende des Krieges Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen und sich in der Fremde ein neues Zuhause suchen mussten. Leicht war das nicht und beliebt waren die Flüchtlinge aus dem Osten zuerst auch nicht. Aber die Integration gelang, weil sie politisch gewollt war. 70 Jahre sind seitdem vergangen, vergessen ist die Zeit aber nicht. Man darf daran erinnern.
Bildquelle: Wikipedia, Bickel CC BY-SA 3.0