Der Skandal um die mit dem hochgiftigen Fipronil kontaminierten Hühnereier hat mittlerweile weite Kreise gezogen. In 12 Bundesländern sind die gesundheitsgefährdenden Eier derzeit noch im Handel. Bisher hat nur der Discounter Aldi die „Notbremse“ gezogen und generell alle Frischeier aus dem Handel genommen. Wie groß die Problematik ist, können die zuständigen Behörden derzeit noch nicht abschätzen. Allein in Niedersachsen sollen mehr als 10 Millionen Eier mit dem Gift belastet sein. Zudem ist bisher völlig unklar in welchen Mengen die belasteten Eier in weiteren Lebensmitteln verarbeitet wurden. Vor allem bei Hühnerfleisch, Nudeln, Backwaren und Fertig-Produkten ist Vorsicht geboten. Es ist einer der größten Lebensmittelskandale der letzten Jahre zu befürchten.
Massenhaftes Sterben von Bienen
Die Problematik des Insektizids bzw. Biozids Fipronil ist dabei schon längst bekannt. Seit mehr als 10 Jahren tobt eine erbitterte
Auseinandersetzung zwischen Umweltschützern und den Zulassungsbehörden auf den Ebenen der EU und nationalen Ebenen wegen deutlicher Hinweise auf ein hohes Schädigungspotential für Tiere und Menschen. In etlichen Ländern ist Fipronil schon längst nicht mehr als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Nicht zuletzt das massenhafte Sterben von Bienenvölkern wird mit dem Einsatz von Fipronil in Verbindung gebracht.
Allein die Historie dieses Insektengiftes ist abenteuerlich. Vor 30 Jahren wurde das Kontaktgift, das bei Insekten eine sehr rasche tödliche Wirkung auf das Nervensystem ausübt, aber auch für andere Tiere und Menschen höchstgefährlich ist, in Frankreich entwickelt. Nach einer Fusion des „Mutterkonzerns“ des Giftes, Rhône-Poulenc, mit Hoechst wurde von dem neuen „Superkonzern“ Aventis Fipronil an Bayer und kurze Zeit später an BASF verkauft. Auch die schon damals entstandenen Diskussionen über die schädlichen Wirkungen auf Bienen und Flußkrebse waren hier ursächlich. In den USA wurden zum Beispiel an betroffene Farmer über 40 Millionen EURO als Entschädigungszahlungen geleistet.
Mächtige Agrar- und Industrielobby
Auch in Frankreich, Österreich und der Schweiz wurde der Einsatz von Fipronil stark beschränkt oder ganz untersagt. In Deutschland, den Niederlanden und Belgien gibt es hingegen keine oder nur sehr geringe – zumindest aus Verbrauchersicht – Auflagen zur Verwendung von Fipronil als Pflanzenschutzmittel. Bei Tieren sollte es eigentlich nur bei Haustieren oder Tieren, die nicht zur Lebensmittelherstellung dienen, als Anti-Floh- und Zeckenmittel Verwendung finden. Wie sich jetzt zeigt, eine falsche Annahme. Das Ausmaß dieses Skandals läßt auf einen systematischen und weit verbreiteten Einsatz schließen. Fipronil ist vor allem auch deshalb ein gefährliches Mittel, weil es nicht beim Rückstandsmonitoring für Lebensmittelkontrollen erfasst wird. Für Lebensmitteskandale schon fast üblich, werden Probleme erst dann entdeckt, wenn die Verbraucher die beanstandeten Nahrungsmittel über den Verzehr biologisch „entsorgt“ haben. Die Kontroll- und Selbstregulierungssysteme greifen bei der Überwachung der Lebensmittelproduktion einfach zu kurz. Auch hier knickte die Politik schon vor mehr als zehn Jahren vor der mächtigen Agrar- und Industrie-Lobby ein. Eine lückenlosere und vorausschauendere Kontrolle wie beim Trinkwasser, dem am besten und gründlichsten kontrollierten Lebensmittel in Deutschland, wäre wünschenswert und möglich. Selbst wenn es die Lebensmittel etwas teurer machen würde. Unsere Gesundheit sollte es uns eigentlich wert sein.
Dieser noch lange nicht überschaubare Skandal zeigt deutlich, wie schwach der Verbraucher- und Umweltschutz bei uns ausgelegt ist, wenn mächtige Interessen im Spiel sind. Das hochgiftige Fipronil erwies sich in der Landwirtschaft als ein gegen die Insekten wirksamer und kostengünstiger Insektenkiller. Die Auswirkungen auf Nicht-Schädlinge und darüber hinaus die Wirkung und Verweildauer des Stoffes in tierischen und menschlichen Organismus wurde ignoriert bzw. aus Gründen des hohen Gewinns in Kauf genommen. Fipronil war und ist ein Milliardengeschäft.
Kanzlerin und CSU-Minister ducken sich weg
Der lasche Umgang mit der Gesundheit der Bundesbürger und der Umwelt findet sich überall dort in der Lebensmittelindustrie, wo große Konzerne oder mächtige und gut organisierte Interessen wie die der Agrarindustrie die Politik beeinflussen. Es sind eben nicht nur die Banken und Autokonzerne, die der Politik Schranken aufweisen. Auch bei diesem Skandal ducken sich die Kanzlerin und der CSU-Landwirtschaftsminister sowie fast alle zuständigen Landesminister erst einmal weg. Auch die zuständigen Bundesbehörden sehen derzeit keinen großen Handlungsbedarf. Aussitzen ist hier erst einmal die Devise. Diskussionen über Verbraucherschutz und Gesundheitsgefahren sind angesichts der starken Interessenverbände von Industrie und Landwirtschaft unerwünscht, insbesondere vor Wahlen. Zudem ist ja Ferienzeit.
Bildquelle: Wikipedia, jibi44, CC BY-SA 3.0