Berührungsängste zur AfD scheint die FDP immer weniger zu kennen. Hauptsache es ist oder scheint populär, dann dreht sie auf – Seit an Seit mit den Rechtsradikalen. Auf ihrem jüngsten Parteitag hat sie es wieder vorgemacht.
Blicken wir aber erst noch einmal weiter zurück, um Logik und Konsequenz zu erkennen. Es ist schon länger her, als sich ein FDP-Kandidat im Erfurter Landtag mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Deutschland war entsetzt, aber der prominente FDP-Mann Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Bundestages, jubilierte damals öffentlich und gab zu dem „großartigen Erfolg“ sogar eine Presseerklärung heraus: „Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt.“ Höchster liberaler Segen für den ekelerregenden Erfolg des Erfurter AfD-Chefs Björn Höcke, den man laut Gerichtsbeschluss einen Faschisten nennen darf.
Das unrühmliche Satyrspiel von Erfurt konnte glücklicherweise nach ein paar Tagen beendet werden, aber FDP-Vize Kubickis überbordendes Selbstbewusstsein hat darunter nicht gelitten. Im Gegenteil: In der Corona-Dauerkrise polemisierten Kubicki, Parteichef Lindner und andere Spitzen-Liberale populistisch immer wieder gegen staatliche Maßnahmen, mit denen die Pandemie bekämpft werden sollte. Nicht so grobschlächtig wie AfD und Querdenker, sondern – wie es eben Art der FDP ist, – feiner, mit ziselierter Argumentation und immer unter dem Vorwand, bürgerliche Freiheitsrechte gegen einen übergriffigen Staat zu verteidigen. Das Ganze ein durchschaubares Manöver, mit dem Unbehagen und Corona-Müdigkeit der Bürger in Wählerstimmen umgewandelt werden sollten.
Die Regierenden in Bund und Ländern haben mit ihrer zögerlichen, ineffizienten und oft widersprüchlichen Corona-Politik viel Anlass zu Kritik gegeben, und sie haben zweifellos viel Schuld auf sich geladen; aber die Polemik der Liberalen richtete sich genau wie die Pauschal-Angriffe der AfD immer wieder auch gegen jene Maßnahmen, die sich später als wirkungsvoll herausstellten. Signifikantes Beispiel: Die nächtlichen Ausgangssperren, von Wissenschaftlern eindringlich gefordert und letztlich erwiesenermaßen erfolgreich. Den drastischen und geradezu beglückenden Rückgang der Inzidenzzahlen etwa in Hamburg führten Experten auch und vor allem auf diese Ausgangssperren und damit die drastische Einschränkung der Mobilität zurück. Die Freien Demokraten aber schrien ständig ihr verfassungs-rechthaberisches Zeter und Mordio, und noch in der jüngsten Sendung von Anne Will übte sich wieder der Herr Kubicki in kleinlicher Besserwisserei: Die Corona-Infektionszahlen könnten auch aus anderen Gründen gesunken sein. Ja, aus welchen denn, Herr Kubicki ?, möchte man fragen. Es gab und gibt jedenfalls keinen anderen derart evidenten Zusammenhang.
Und jetzt der Frontal-Angriff der Freien Demokraten auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Auch hier gibt die AfD seit langem den Takt vor, jetzt marschiert die FDP im Gleichschritt mit. Gewiss, ARD und ZDF bieten viel Anlass zur Kritik. Der müssen sich die Sender-Giganten stellen, und daraus müssen sie Konsequenzen ziehen. Was aber die Delegierten auf dem jüngsten Bundesparteitag der sogenannten „Liberalen“ beschlossen, läuft – zuende gedacht und exekutiert – auf den Tod des öffentlich-rechtlichen Systems hinaus. Dabei sind kritische und unabhängige Hörfunk- und Fernsehanstalten für den Fortbestand unserer labilen Demokratie unverzichtbar. Was sie leisten, können die Privaten nicht annähernd bieten. Der messbare Dauer-Erfolg der Informationsprogramme von ARD und ZDF in der gegenwärtigen Corona-Pandemie, die Fülle nationaler und internationaler Auszeichnungen für teure und aufwändige öffentlich-rechtliche Produktionen, – das alles scheint die Mehrheit der Freien Demokraten nicht zu beeindrucken. Mit ihrem Parteitagsbeschluss wollen sie ARD und ZDF „verschlanken“, wie sie es in typischer markt-liberaler FDP-Diktion nennen. In Wahrheit wollen sie die öffentlich-rechtlichen Systeme finanziell strangulieren, bis zur Unkenntlichkeit reduzieren und so unattraktiv machen, dass keiner mehr einschaltet. Der absehbare Schaden für unsere Gemeinwesen scheint die FDP nicht zu schrecken. Für sie zählt nur, was Stimmen bringt. Kampagnen gegen ARD und ZDF haben derzeit Konjunktur. Diverse Print-Medien, allen voran mal wieder die BILD-Zeitung, haben sich auf das öffentlich-rechtliche System eingeschossen. AfD und andere Brandstifter zündeln schon kräftig. Die Liberalen zündeln jetzt mit, weil es den Populisten populär erscheint; sie zündeln – noch als die Biedermänner.
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