Marcel Fratzscher, Präsident des renommierten Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, hat in einer Kolumne für die „Zeit“ die Kampagne von Union, FDP und BILD mit harten Zahlen als Fake entlarvt.
Vier Mythen und Behauptungen:
- „Die wollen nicht arbeiten“
- „Arbeit lohnt sich nicht“
- „Eine große Gruppe verweigert Jobangebote“
- „Vor allem arbeitsunwillige Ausländer erhalten Bürgergeld“
Nichts davon stimmt!
In Deutschland beziehen 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld zur vom Verfassungsgericht eingeforderten Abdeckung des Existenzminimums. Sie sind nach herkömmlicher Definition arm. Davon sind 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Zwei Millionen Menschen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie als Alleinerzieher wegen fehlender Kindergartenplätze und Sorgemöglichkeiten keine Arbeit annehmen können und weiter davon 800.000 Aufstocker, die in ihrem Job so wenig verdienen, dass sie Hilfen vom Staat benötigen. Von den verbleibenden 1,7 Millionen Arbeitslosen, die arbeiten können, verweigert nur eine winzige Minderheit von 16.000, also 0,4 Prozent der Gesamtbezieher, die Arbeitsaufnahme. Etwa zwei Drittel dieser 1,7 Millionen Arbeitslosen haben keinen Berufsabschluss oder Schulausbildung oder sind nachgewiesen krank. Viele sind auch in Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen durch die Jobcenter. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage neigen Arbeitgeber nicht dazu, auf diese Problemgruppen zurückzugreifen. Wenn wir diese Situation ändern wollen, muss der Vorrang auf Qualifizierung liegen.
Und dass Arbeit sich bei der Höhe des Bürgergelds für viele Menschen nicht lohnt, ist ein freie Erfindung, weil Menschen mit Niedriglohn Sozialleistungen zustehen. Sie haben nach einer Studie des ifo Instituts in jeder denkbaren Konstellation mehr Geld als die Bürgergeldbezieher. Dass fast die Hälfte der Bürgergeldbezieher aus dem Ausland kommt, ist Fakt. Hiervon sind 1,1 Millionen geflüchtete Ukrainer, die sofort arbeiten dürften. Nach Abzug der Zahlen für Kinder und in Ausbildung Befindlicher bleiben bleiben 186.000 als arbeitslos geltende Geflüchtete. Und bei dieser sehr viel kleineren Zahl als von den Kritikern vermeldet sind die ungelösten Probleme der Anerkennung von Berufsabschlüssen und fehlender Sprachkenntnisse zu berücksichtigen.
Fazit: Nur etwa 16.000 Menschen ( 0,4 Prozent der gesamten Bezieher ) sind harte Verweigerer einer Arbeitsaufnahme. Linnemann, Lindner und Co. reiten auf einer Welle der Denunziation und Falschnachrichten. So sieht die Politik der sozialen Kälte aus.
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