Ungeachtet aller angeblich so harten Diskussionen sind sich politische Beobachter aus dem Umfeld der Union sicher, dass es am Ende in Berlin eine Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, der FDP und den Grünen geben wird. Niemand wolle Neuwahlen riskieren und alle, vor allem die Grünen und die Liberalen, drängen an die „Futterkrippe“. Auch die Kanzlerin werde alles tun, um zu einer neuen Regierung zu kommen und Neuwahlen zu vermeiden.
Angela Merkel trete so auf, dass jeder merke, ohne sie könne nicht regiert werden. Eine Neuwahl werde insgesamt in allen politischen Lagern als zu riskant eingeschätzt. Unsicher sei weiterhin, ob es zu einer Abschaffung des Soli komme, auch die FDP könne dies nicht garantieren. Schließlich fehle das Geld.
Für absurd halten diese Kreise die Idee, das Bundesfinanzministerium aufzuteilen. Wenn das passiere, sei der neue Finanzminister nur noch ein besserer Buchhalter, ohne die Kompetenz, die dem obersten Kassenwart der Nation bisher zugesprochen werde. Völlig unklar sei die Verteilung der Ressorts. Möglich, dass die CSU das Verteidigungsministerium erhalte, aber sicher sei das nicht. Auch die Vergabe des Innenministeriums sei nicht geklärt.
Die Hängepartie, die die Sondierungsgespräche vermittelten, sei nicht gut für das Ansehen der Parteien. Die Unzufriedenheit vieler Wählerinnen und Wähler werde man dadurch nicht beseitigen können, vielmehr wachse die Unruhe in der Bevölkerung, weil die Leute wissen möchten, wie es weitergehe.
Für die CSU tickt die Uhr
Als besonders schwierig wird die Lage der CSU eingeschätzt. „Die Uhr tickt“, so das Urteil eines erfahrenen CSU-Freundes. Man dürfe nicht vergessen, dass Mitte September nächsten Jahren die Landtagswahlen in Bayern stattfinden. Das sind gerade mal zehn Monate, rechne man die Ferien ab, bliebe insgesamt wenig Zeit für die politische Arbeit. Ministerpräsident Horst Seehofer wehre sich gegen Diskussionen über seine Nachfolge. „Ihr könnt mich doch jetzt nicht absägen, wo ich gerade in Berlin über die Zukunft von Bayern mit Merkel und den anderen verhandele“, so zitiert der CSU-Mann den Parteichef, der aber spüre, dass seine Zeit zu Ende gehe.
Joachim Hermann, das scheine festzustehen, solle nach Berlin wechseln. Es zeichne sich eine Lösung ab, wonach ein jüngerer Abgeordneter offensichtlich bereit sei, sein Mandat zugunsten von Hermann abzutreten. Ob Hermann dann das Verteidigungsressort übernehme, werde hinter den Kulissen ebenso diskutiert wie die Besetzung des Innenressorts. Hermann solle nach dem Willen von Seehofer CSU-Parteichef werden, Seehofer wolle aber wohl noch Ministerpräsident bleiben, um Markus Söder als seinen Nachfolger zu verhindern.
Die unklaren zukünftigen Machtverhältnisse, auch weil nicht klar sei, welche Rolle die CSU in einer Jamaika-Koalition in Berlin spielen werde, führten an der Basis der Partei zu Unzufriedenheit. Das Murren in immer mehr Kreisverbänden nehme zu, weil die Leute das taktische Geplänkel satt hätten. Es sei kaum vorstellbar, dass Seehofer noch einmal mit der Luftnummer von und zu Guttenberg spiele. Markus Söders Einfluss habe zugenommen, weil er gute Arbeit als bayerischer Finanzminister leiste und seine Anerkennung auch innerhalb der CSU gewachsen sei. Ob Ilse Aigner in den Wettkampf um die Seehofer-Nachfolger eingreifen könne, sei möglich, aber eher unwahrscheinlich. Sie sei zwar sympathisch, nett, aber sie habe als Wirtschaftsministerin keinerlei politische Akzente setzen können.
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