Das letzte Wort über den Asylkompromiss der europäischen Innenminister ist noch nicht gefallen. Allerdings sind vom Europäischen Parlament keine grundlegenden Korrekturen zu erwarten. Das Prädikat „historisch“, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wählte, ist geradezu zynisch. Geschichtsvergessen träfe es besser.
Die vorgesehene Verschärfung der Asylpolitik läuft den europäischen Grundwerten und der Rechtsstaatlichkeit zuwider. Schnellverfahren in Haftzentren an den Außengrenzen und eine Solidarität, von der sich einzelne Mitgliedsländer freikaufen können, lassen nichts Gutes erwarten.
Eine Gemeinsame Europäische Asylpolitik tut seit langem Not. Das Ertrinken im Mittelmeer, die unmenschlichen Zustände in den Aufnahmelagern, die klammheimlichen Rückschiebungen, das Schlepper- und Schleuserunwesen – all das sind unhaltbare Zustände.
Auch die ungleiche Verteilung der Last auf die Mittelmeeranrainer sorgt seit Jahren für böses Blut. Der Streit in der EU war vom nationalen Egoismus beherrscht. Nun hat die schwedische Ratspräsidentschaft zwar nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen endlich einen Kompromiss ermöglicht, doch das Leid der Verzweifelten und auch die Probleme enden damit nicht.
Die Zeichen stehen auf Abwehr. Statistik dient als Grundlage. Allein das ist im Asylrecht widersinnig. Das Verfahren an den Außengrenzen soll abschrecken. Wer keine Bleibeperspektive hat, soll gar nicht erst kommen. Ihm droht ein Schnellverfahren mit anschließender Abschiebung zurück in sein Herkunftsland oder einen so definierten sicheren Drittstaat.
Was ein sicherer Drittstaat ist, entscheiden weiter die Mitgliedsländer. Die Liste bilateraler Rücknahmeabkommen Deutschlands ist lang, sie reicht von Albanien bis Vietnam. Als es mit Libyen darüber verhandelte, wurden menschenverachtende Zustände in den dortigen Flüchtlingslagern publik. Ähnlich entsetzliche Berichte kennen wir auch aus der EU selbst, von den griechischen Inseln, etwa aus dem Lager Moria auf Lesbos, oder von Lampedusa. Zusätzlich die teils unrühmliche Rolle der Grenzschutzagentur Frontex. Und immer wieder die Bootsflüchtlinge, die ertrinken oder – wenn sie gerettet werden – keinen sicheren Hafen finden.
Was die geplante Reform an dieser Schande ändern wird, ist nicht ersichtlich. Vielmehr müssen wir uns künftig auf die Inhaftierung auch von Kindern gefasst machen. Nancy Faeser scheiterte mit ihrem Versuch, wenigstens das auszuschließen. Eine entsprechende Protokollnotiz von ihr hat höchstens symbolischen Wert.
Die Grünen, so ist nun zu lesen, stelle der Asylkompromiss vor eine Zerreißprobe. Auch aus den beiden anderen Ampelparteien wäre der Programmatik nach Widerstand zu erwarten. Schon im Vorfeld des Ministerrats in Luxemburg hatten mehr als 50 zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen einen Appell gegen die Pläne an die Bundesregierung gerichtet. Es liegt nun am Europaparlament, die europäischen Werte und Rechte zu verteidigen. Die Hoffnung darauf ist – wie gesagt – gering.