Wie (fast) jedes Jahr bin ich auch jetzt in den Weihnachtferien nach Italien gefahren. Dabei ist nichts Sensationelles, das machen die meisten „Emigranten“ der älteren Generationen, die in Deutschland leben, seit Jahrzehnten. Das Jahr, das vor kurzem zu Ende ging, war aber nicht ein „übliches“ Jahr, es war leider deutlich anders gewesen. Für uns in NRW fing es mit den schrecklichen Ereignissen in Köln in der Silvesternacht an, für uns alle ist es dann mit manchen Schrecken weitergegangen, die ihre unschöne Spitze im Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt kurz vor Weihnachten gefunden hat.
Und genau deswegen habe ich mich besonders darüber gefreut, als ich in verschiedenen Städten Europas Europäer und Nicht- Europäer gesehen habe, die sich nicht haben erschrecken lassen, die keine Angst hatten, in ein Flugzeug einzusteigen, um ihre Ferien zusammen mit ihren Familien in den Nachbarländern zu verbringen. Auch das ist Europa und sein Geist!
Bonn, Göttingen, München, Florenz
Meine Route führte mich von Bonn nach Göttingen, zwei mittelgroße deutsche Städte, deren Dasein zum großen Teil vom Uni-Leben bestimmt wird. Die erste Begegnung mit Italien für den Reisenden aus dem Norden findet natürlich – wie gewöhnlich und familiär! – in München statt. Abends, bei einem Spaziergang in der Stadt und einem Essen in einem „locale tipico“, haben wir viele junge Ausländer getroffen, am meisten Italiener und Spanier, die gelacht und dabei akrybisch die Karten der Lokale studiert haben. Die Stadt war voll, sie glänzte. Bestimmt waren in der Zeit – so weit ich den Freistaat Bayern kenne – die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch und aufwändig, aber der Gast, auch der Münchener, hat davon nicht viel mitbekommen.
Das Gegenteil hatte ich schon vorher in Bonn, am Tag nach dem Attentat am Weihnachtsmarkt, miterlebt, und später auch in Florenz: Polizeibeamte mit Maschinenpistolen vor dem Münster, und nicht nur dort. Am folgenden Tag fuhren wir weiter nach Florenz, meiner ursprünglichen Heimat. Neben Familie und gutem Essen, hatte ich dort die Möglichkeit eine sehr interessante Ausstellung zu besichtigen: „Ai Weiwei Libero“, eine dem kontroversen chinesischen Genie gewidmete Retrospektive, die sich in Florenz auch mit dem aktuellen Thema der Massenmigrationen (s. die Installation im Innenhof des Palastes) beschäftigt: der glänzende Rahmen des Palastes der Familie Strozzi schien wie dafür geschaffen. Moderne und Antike verschmelzen miteinander und sprechen mit einer Stimme. Sehr professionell war auch das Info-Material, kurz und bündig wie auch das Rahmen-Programm für Kinder.
Über Breisach und Straßburg
Als die Ferien zu Ende gingen und die Route uns in die entgegengesetzte Richtung fuhr, haben wir in dem schönen und romantischen Breisach am Rhein Station gemacht. Von dort aus war eine Stippvisite nach Straßburg selbstverständlich. Die kleine und schnuckelige Stadt empfing uns in ihrem schönsten Kleid: bei Schneesturm und eisiger Kälte haben wir das Münster erreicht, das leider nur eine Stunde am Tag zu besichtigen ist – und das in der Weihnachtszeit! Natürlich war die Wirkung des Baus – innen wie außen – gewaltig und gleichzeitig einladend. Aber welche Enttäuschung, als wir – endlich im Inneren des Gebäudes – feststellen mussten, dass der weitere Raum des Münsters nicht betreten werden durfte. Aus Sicherheitsgründen? Weil die Wächter den Inhalt der Taschen der Besucher kontrollieren mussten? Wie lächerlich! Also ob so etwas uns vor einem Attentat bewahren könnte! Und dabei könnte man ein Lied singen, wenn man an den Vorwarnungen der italienischen Behörden bezüglich Amis Amri denkt, die von den deutschen Kollegen immer als ungenügend gehalten wurden.
Zum Schluß haben wir nicht sofort die Autobahn nach Deutschland genommen, sondern sind durch die Stadt gefahren, an den Europäischen Institutionen vorbei. Der Eindruck – zumindest für mich, denn ich war zum ersten Mal in Straßburg!- war enorm: das Nebeneinander von so vielen, manchmal schönen, manchmal recht häßlichen, gewaltigen Gebäuden spricht lautlos für die Macht Europas: hier werden 550.000.000 Bürger vertreten!
Tajani, ein Mann von gestern
Und genau dort ist Antonio Tajani gerade zum Nachfolger von Martin Schulz gewählt worden. Was für ein Fehler!
Tajani ist ein Mann von Berlusconi, die Verkörperung der Vergangenheit, einer der gewohnt ist, sich den Direktiven von oben anzupassen, der keine große Persönlichkeit ist, der keinen Stellenwert hat. Es überrascht mich gar nicht, dass er gerade erklärt hat, er möge nicht selber sprechen, sondern der Präsident von allen sein und das Parlament sprechen lassen. Wie kann er das sagen, wenn allen bekannt ist, dass das EU-Parlament keine Macht hat, da die Entscheidungen von den Kommissaren/Ministern getroffen werden. Und das zu einem Zeitpunkt, da die starke Stimme des SPD-Politikers Martin Schulz klar verdeutlicht hatte, welche Rolle dem EU-Parlament eigentlich zustände und wie nötig diese heute wäre !
Bildquelle: Wikipedia, Lothar Spurzem,CC BY-SA 2.0 de