Europas wichtigste Handlungsfelder
Europa hatte und hat drei zentrale Aufgabenfelder: Friedenspolitik, Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik sowie Kulturpolitik. Europa hat auf Dauer nur dann eine Zukunftschance, wenn in jedem der drei Politikfelder deutlich wird, dass die europäische Zusammenarbeit insgesamt vorteilhafter ist als nationalstaatliche Singulärpolitiken in den jeweiligen Bereichen.
Die Friedenspolitik war und ist sicherlich der zentrale auslösende Faktor für die europäische Einigung gewesen. Wie man in diesem Bereich weiterhin erfolgreich sein kann, ist am offensichtlichsten.
Schon schwieriger ist die Frage was man unter einer gemeinsamen Kulturpolitik zu verstehen hat. Eine europäische Kulturpolitik kann niemals die nationalen und regionalen Identitäten ersetzen. Aber dennoch benötigt man eine gemeinsame Klammer. Dies könnte und sollte endlich eine gemeinsame Sprache sein, indem alle Kinder mit dieser europäischen – vermutlich englischen – Sprache selbstverständlich als Zweitsprache aufwachsen. Hier ist beispielsweise ausgerechnet die „nichteuropäische“ Schweiz ein gutes Beispiel dafür, dass die geschriebene Sprache fast immer von der gesprochenen abweicht.
Am schwierigsten dürfte der dritte Bereich sein, eine sinnvolle gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, obwohl oder gerade weil dieser Bereich für das Alltagsleben der Menschen der mit Abstand wichtigste ist, unter der Voraussetzung, dass der Frieden gewährleistet ist. Umgekehrt hängt der Frieden national und international wesentlich – zumindest geschichtlich – von einer positiven wirtschaftlichen Lage in einem Land ab.
Die Bankenkrise in den USA, Großbritannien und Deutschland als Auslöser der europäischen Wirtschaftskrise
Beim Umgang der Politik mit der spätestens seit 2007 international wahrgenommenen Banken- und Finanzkrise, die sich inzwischen zu einer veritablen Wirtschaftskrise weiter entwickelte, sticht für einen wirtschaftshistorisch und psychologisch orientierten Ökonomen sofort eine klassische Erfahrung ins Auge: Man sollte immer extrem misstrauisch sein, wenn irgendein Mensch oder eine Institution behauptet, man hätte es mit einer völlig neuen, noch nie da gewesenen Situation zu tun oder – wie die Bundeskanzlerin immer behauptet – etwas sei alternativlos. Denn es gibt in der Wirtschaftsgeschichte keine neuen Situationen, zumindest nicht in der Geldgeschichte. Und aus dieser Geldgeschichte heraus weiß man, daß es immer Alternativen gab, gibt und geben wird. Wer von Alternativlosigkeit spricht, kennt die (Geld-)Geschichte nicht.
Bereits 2003 – rund 4 Jahre bevor die große Finanzkrise ausbrach – benannte Peter Drucker wesentliche Ursachen der kommenden, unvermeidlichen Krise: „The only thing new is that the last boom considerably increased the temptation to fake the books – the exclusive emphasis on quarterly figures, the overemphasis on stock price, the well– meant but idiotic belief that executives should have major financial stakes in the company, the stock options ( which I have always considered an open invitation to mismanagement), and so on. Otherwise there`s no difference.“( vgl. „An Interview with Peter Drucker“ in: The Academy Of Management Executive, Vol. 17, No. 3, August 2003)
Mangelhaftes historisches Geld- und Finanzwissen – oder ein zu kurzes Gedächtnis – war und ist ein wesentlicher Grund dafür, dass die Entstehung der weltweit schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 von der Politik nicht rechtzeitig wahrgenommen wurde. Doch die Verantwortung für die Entstehung liegt in erster Linie bei den Banken und deren Mainstream- Ökonomen.
Gier als zentrale wirtschaftspsychologische Krisenursache
So, wie das Greshamsche Gesetz das wichtigste Gesetz der Geldtheorie ist, so durchzieht das Thema Gier die Weltwirtschaftsgeschichte der Menschheit. Auch die Philosophie, die Ökonomie und die Psychologie beschäftigen sich häufig mit diesem Faktor. Aus diesen Erkenntnissen heraus glaube ich nicht, dass sich die „Naturkonstante“ Gier von alleine verändert. Um sie gesamtwirtschaftlich in den Griff zu bekommen, benötigt man gesetzliche Regelungen.
Die betriebswirtschaftliche Sichtweise „it’s the economy, stupid“ gilt gesamtgesellschaftlich nicht und Adam Smith hatte (leider) nicht recht, als er usurpierte, dass die „unsichtbare Hand“ alles richten werde. Gesamtwirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich gilt umgekehrt: „it’s politics, stupid“.
Die zentrale Rolle spielt in der Gesamtgesellschaft nicht die Wirtschaft (und schon gar nicht die Betriebswirtschaft), sondern die Politik. Dies erkennt man ganz aktuell z.B. daran, wie die deutsche Wirtschaft langsam aber sicher immer stärker den rußlandfeindlichen und -kritischen Positionen der deutschen Mehrheitspresse und der Bundeskanzlerin „beidreht“.
Bildquelle: Hieronymus Bosch, Der Heuwagen, Triptychon nach dem flämischen Sprichwort: „Die Welt ist ein Heuhaufen, jeder nimmt davon, was er erraffen kann“