Man darf sich in diesen Tagen schon wundern über eine Diskussion, die ausgerechnet Bundespräsident Gauck und Verteidigungsministerin von der Leyen mitbefeuert haben. Es geht um Deutschlands Rolle in der Welt, um unsere Präsenz, auch und vor allem darum, wie wir uns bei internationalen Konflikten verhalten, wie wir uns künftig einmischen wollen und sollen. Es ist dem CSU-Politiker Peter Gauweiler ausdrücklich für seinen Beitrag zu danken, in dem er deutlich eine deutsche Zurückhaltung angemahnt hat. Sein Hinweis auf das Grundgesetz und die darin festgelegte Landesverteidigung durch die Bundeswehr ist ja richtig, ja selbstverständlich wie auch seine Ablehnung der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das darf man sagen, auch wenn diese vom Bundestag genehmigt worden sind.
Es gilt das Grundgesetz. Dass Gauweiler dafür von seinen eigenen Leuten in der CSU gescholten wurde, seine Haltung auch anderswo als antiquiert abgetan wurde, ist mehr als merkwürdig. Fast hat man den Eindruck, als ob manche Politiker es gar nicht mehr abwarten können, unseren Einfluss in der Welt auch militärisch zu unterstreichen.
Es wird heute so getan, als sei die Bundeswehr einfach nur noch eine Interventionsarmee und keine Verteidigungsstreitmacht. Wir sollten hier stärker auf die Bremse treten, ehe wir in einen Konflikt gezogen werden, dessen Ausmaß niemand beurteilen kann. Das gilt nicht nur für die Ukraine, sondern mehr noch für den Nahen Osten. Die Rolle als Vermittler stünde uns viel besser zu Gesicht als die mit Panzern und Flugzeugen. Und das ist nicht nur vor dem Hintergrund unserer schlimmen Vergangenheit unter Hitler zu sehen.
Die spannungsfördernde Sprache in den USA ist gefährlich genug und selten dazu geeignet, Konflikte möglichst früh zu lösen, damit eben nicht geschossen wird. Amerikanische Regierungen, vor allem die Truppe des unsäglichen George W. Bush, aber auch die Obama-Regierung ist hier manches schuldig geblieben, sind mit ihrem Machtanspruch, notfalls weltweit über Tod und Leben zu entscheiden, nicht immer erfolgreich gewesen.
Der frühere deutsche Verteidigungsminister Peter Struck hat einst mal den Satz gesagt, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt. Damit wollte der angesehene SPD-Politik vor allem auch für mehr Verständnis für den riskanten Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan werben. Heute redet man nur noch ungern über diese Worte, heute sehnt man das Ende des Einsatzes herbei. Und wenn man heute die Frage nach dem Sinn des gefährlichen Unternehmens stellt, das auch deutschen Soldaten das Leben gekostet hat, bekommt man nicht selten eine eher achselzuckende Antwort. Jedenfalls sind die Taliban nicht besiegt. Wir werden gezwungen sein, in der Zukunft eben mit den Taliban das Gespräch zu suchen, so schwer das auch fallen mag. Wir müssen zumindest die Gemäßigten von ihnen an einen Tisch holen, und sie gibt es, man frage den früheren CDU-Politiker Todenhöfer, einen der wenigen Kenner der Region.
Die Frage wird auch sein, was mit dem Irak passiert. Wer will den Vormarsch der radikal-islamischen Isis stoppen? Haben die Amerikaner überhaupt das Recht, dort einzugreifen oder darf die Frage gar nicht mehr gestellt werden, weil Washington sich das Recht über Leben und Tod in aller Welt herausnimmt? Weil in Washington entschieden wird, ob man mit Drohnen eingreift, mit irgendwelchen Luftschlägen? Und dann ist alles wieder gut? Nein und nochmals nein. Was hat denn der Irak-Krieg der Amerikaner unter Mithilfe der Truppen aus anderen Ländern gebracht? Frieden? Es gibt keinen Tag, an dem nicht Anschläge in Bagdad und Umgebung mit unzähligen Toten gemeldet werden. Sieht so der Frieden aus?
Die SPD hätte guten Grund, gerade bei diesem Thema laut den Namen ihres und unseres damaligen Kanzlers Gerhard Schröder zu rufen. Schröder hatte im Jahre 2002 Nein zu einem Krieg im Irak gesagt. Dafür wurde er von den Konservativen und den Bush-Leuten kritisiert. Deutschland, Rot-Grün regiert, wurde als „altes Europa“ belächelt, US-Verteidigungsminister Rumsfeld spielte hier eine unrühmliche Rolle. Und es war die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel, ja genau, die heutige Bundeskanzlerin, die in einem Gastbeitrag für die „Washington Post“ feststellte: „Herr Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Das war eine jämmerliche Aussage, Frau Merkel, von der sie heute nichts mehr wissen will. Schröders Nein hat uns, die Deutschen, davor bewahrt, im Irak militärisch mitzumachen. Genutzt hat der ganze Einsatz ohnehin nur der Rüstungsindustrie, der Konflikt ist nicht gelöst. Siehe Isis. Man kann nur warnen vor einem erneuten Eingreifen.
Überhaupt der Nahe Osten. Libyens einstiger Machthaber Gaddafi ist weg, tot, das Regime abgelöst. Und? Nichts ist gelöst. In Ägypten sind wieder die Militärs an der Macht. In Syrien tobt ein Bürgerkrieg. Und der Ur-Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und den Palästinensern ist einer Lösung nicht einen Millimeter weitergekommen. In der Region sollen sich angeblich über 35000 Selbstmordattentäter aufhalten. Israelische Politiker wie Netanjahu erliegen seit vielen Jahren dem Irrglauben, mit Waffengewalt sei das Problem zu lösen. Wir brauchen ein selbständiges Palästina, ohne Flüchtlingslager, einen Staat für die Palästinenser, der es dem Volk ermöglicht, ein Leben in Sicherheit und Wohlstand zu führen, ein Land, das anerkannt wird von Israel. Und im Gegenzug muss die arabische Welt Israel anerkennen. Die Menschen in Tel Aviv und Jerusalem müssen ohne Angst leben können, ohne Angst vor Anschlägen. Dafür muss gearbeitet werden, dieser Konflikt muss endlich gelöst werden und zwar mit allen Parteien des Nahen und Mittleren Ostens. Auch der Iran ist hier einzubeziehen, auch der Libanon braucht endlich Frieden. Und das alles geht nicht mit Drohnen und nicht mit Luftschlägen. Und auch nicht mit einem Amerika, wenn es sich nur als Weltpolizei begreift und meint, überall das letzte Wort haben zu müssen.
Noch einmal: Peter Gauweiler hat Recht, wenn er gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sein Wort erhebt, auch wenn diese vom Bundestag genehmigt worden sind. Ein Blick ins Grundgesetz genügt, um daran zu erinnern, was die Väter des Grundgesetzes wollten. Den Geist des Grundgesetzes sollten wir nicht länger ignorieren. Es ist an der Zeit abzurüsten, auch verbal. Wir können es auch mit den Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann sagen, der in seiner Antrittsrede als Staatsoberhaupt die Verpflichtung aller Politik zum Frieden betont hatte: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall, sondern der Friede ist der Ernstfall, in dem wir uns alle zu bewähren haben.“
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