Komplimente bekam der Mann gerade nicht, als sein Name für das Amt des SPD-Generalsekretärs fiel. Einen Besseren haben sie nicht, lautete noch das positivere Urteil. Und im Kommentar der Tagesschau wurde Hubertus Heil, der neue Mann, der ja ein alter Bekannter ist auf der Brücke in der SPD-Parteizentrale in Berlin, schlicht mit der Überschrift vorgestellt: Viel Sekretär, wenig General. Und dann hieß es noch zwei Zeilen weiter: Für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Martin Schuluz sei es wichtig, dass Katherina Barley Platz mache. Zwar seien vom neuen Generalsekretär Heil keine neuen Ideen und Konzepte zu erwarten, aber er habe seine Qualitäten. Immerhin.
Da ist zum einen der riesige Vorteil, dass Hubertus Heil ein Zeitgenosse ist, der die Parteizentrale, die im Grunde seit Bestehen der Bundesrepublik Baracke heißt, kennt wie kaum ein anderer. Diese Zentrale wird von Kennern gern als Haifischbecken bezeichnet, was nichts anderes bedeutet als ein Himmelfahrtskommando. Den Laden in der Berliner Wilhelmstrasse zu dirigieren, damit jeder in die gewünschte Richtung marschiert und nicht jeder gegen jeden arbeitet, wird das Kunststück sein, das man von Hubertus Heil erwartet. Für ihn spricht, dass er als sachlicher und kenntnisreicher Politiker bekannt ist, der seine Akten kennt und nicht einfach heiße Luft verbreitet.
Dass er Fraktionsvize ist, stärkt seine Rolle, die er als Berater des Parteichefs Martin Schulz schon bisher in Wirtschaftsfragen einnimmt. Schon wieder ein Niedersachse, neben Fraktionschef Thomas Oppermann, neben Außenminister Sigmar Gabriel. Dies auszutarieren, damit möglichst alle Landesverbände und möglichst viele Frauen in der Führung der Partei berücksichtigt werden könnten, war jetzt nicht die Frage. Es ist einfach keine Zeit für sowas vorhanden. Man ist in der Vorbereitung eines äußerst schwierig gewordenen Wahlkampfes. Für Schulz und die SPD läuft es seit Wochen nicht rund, mal klappt dies nicht, mal das nicht. Die Abstimmung des neuen Mannes, der aus Europa nach Berlin kam, mit den anderen Führungskräften der Partei hat in der Vergangenheit nicht gerade so funktioniert, dass man gesagt hätte, die Mannschaft der SPD sei eingespielt. Das ist sie nun wirklich nicht. Was aber nicht heißt, dass die Partei zerstritten sei. Dies ist das Merkwürdige und Überraschende: Auch nach drei Niederlagen bei den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und dann noch in NRW macht die SPD einen ziemlich geschlossenen Eindruck.
Erst kein Glück, dann auch noch Pech
Die Generalsekretärin Katarina Barley auszutauschen, auf diesen Gedanken wäre man auch ohne den bedauerlichen Rückzug von Ministerpräsident Erwin Sellering gekommen, der wegen einer plötzlichen Krebsdiagnose die Politik an den Nagel hängt und sich zurückzieht. Nicht überraschend kommt der erste Schritt der Rochade, die bisherige Familienministerin Manuela Schwesig nach Schwerin zu schicken, damit sie die Nachfolge des beliebten Westfalen in Meck-Pomm antritt. Dass Barley auf Schwesig folgt, hatte kaum jemand auf dem Zettel. Aber bleiben wir noch ein bisschen bei der Generalsekretärin. In diesem Amt hatte Frau Barley wenig Fortune, nennt man das wohl, wenn man einen alten Fußballerspruch hier zitiert: Erst hat man klein Glück und dann kommt noch Pech dazu. Dass sie allein die Wahl-Schlappen zu verantworten habe, ist natürlich Unsinn. Aber sie hat auch wenig dagegen getan, dass zum Beispiel Martin Schulz aus dem NRW-Wahlkampf herausgehalten wurde. Wohl auf Wunsch von Hannelore Kraft, der noch amtierenden Ministerpräsidentin. Kraft mag geglaubt haben, dass sie mit ihrer Popularität im Lande die Wahl alleine wuppen werde, was gehörig schiefging, wie man längst weiß. Und daran dürfte die Regierungschefin aus Mülheim, bei allem Respekt für ihre zurückliegenden Wahlerfolge 2010 und 2102, ihren Anteil haben. Dem Beobachter der NRW-Szene stellt sich seit über einem Jahr die Frage, warum sie denn den umstrittenen Innenminister Ralf Jäger nicht gefeuert hatte? Den hatte die CDU im Lande nach dem Skandal auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht als Sicherheitsrisiko ausgemacht. Jäger wurde zum Gejagten, die innere Sicherheit zur offenen Flanke einer SPD-geführten Landesregierung.
Hubertus Heil wird das alles wissen, er wird auch die Umstände kennen, unter denen ein anderer Ministerpräsident, gemeint Torsten Albig, in Schleswig-Holstein die Wahl auf den letzten Metern verlor. Ein Interview in der „Bunten“, in dem er sich ziemlich herablassend über seine Ex-Frau äußerte, die seinen Weg nach oben nicht habe mitgehen können-so ähnlich arrogant klang das- wird von Wahl-Experten als mitausschlaggebend gewertet, dass überraschend viele Frauen nicht die SPD wählten. Ob aus NRW oder Kiel Schlüsse für den Bund zu ziehen sind, ist allerdings fraglich. Es sei denn die Erkenntnis, dass man Wahlkampf-Strategien zwischen den Ländern und dem Bund aufeinander abstimmen sollte, soweit das möglich und geboten ist.
Erst Matthias Platzeck, dann Kurt Beck
Mit 44 Jahren kehrt Hubertus Heil in die Parteizentrale zurück. 2005 hatte ihn Matthias Platzeck ins Willy-Brandt-Haus geholt, eine damals überraschende Personal-Wahl, auch für Heil. Aber so war Platzeck nun mal, vor Überraschungen war man bei ihm nie sicher. Man denke an seinen eigenen Rückzug vom Amt des SPD-Parteichefs. Dass Heil als Generalsekretär nicht reüssierte, sollte man mindestens relativieren. Die Zeiten waren nicht so einfach. Gerhard Schröder hatte gerade die Wahl gegen Angela Merkel verloren, denkbar knapp. So knapp, dass es der SPD gelang, in der folgenden großen Koalition wichtige Ministerämter zu besetzen. Was ihr der Wähler beim Urnengang 2009 nicht honorierte. Die SPD erzielte das schlechteste Wahlergebnis nach dem Krieg: 23.5 vh der Stimmen. Ob daran der Generalsekretär Schuld war? Wohl kaum. Platzeck, der dynamische, hatte ihn geholt, trat dann zurück, auf ihn folgte der mehr traditionelle und betuliche Kurt Beck, etwas spöttisch der Kohl der SPD genannt. Beck wollte die Partei auf seinen Stil zuschneiden, was gehörig daneben ging. Sein Hang zur Region und seine Ablehnung Berlins konnte man fast körperlich spüren. Beck wollte im Grunde raus aus Schröders Agenda 2010, Heil gehörte zu den Verfechtern der Reform, die die Partei beinahe gespalten hat. Heil war loyal zu Beck, dem Chef, das musste er sein.
Hubertus Heil gehört keinem Parteiflügel ist, er gilt als Netzwerker, der zwar seine Verbindungen zu den Linken in der SPD wie zu den Seeheimer hat, der aber keinem der Flügel angehört, was ihm die Arbeit erleichtern dürfte Er ist ein guter Redner, schlagfertig, das merkt der, der sich mit ihm Intellektuell anlegt. Die Parade kommt schnell und gekonnt, dabei wirkt er immer in sich ruhend. Schulz vertraut ihm. Er ist beliebt in der Partei und anerkannt, seinen Wahlkreis Gifhorn-Peine gewann er seit fast 20 Jahren immer direkt, was für den Pragmatiker Heil spricht, der bodenständig ist, nicht abgehoben, er hat Kontakt zu den Wählern. Das kann ihm helfen, wenn er den Wahlkampf für Martin Schulz auf Trab bringen will. Und er hat eins, was andere nicht haben: Erfahrung mit einem Bundestagswahlkampf. Er muss die Stimmung, die es schon mal gab für den Kanzlerkandidaten Schulz, schüren, damit der Funke noch mal überspringt. Er muss schaffen, was zur Zeit das Problem ist: die SPD muss wieder an Martin Schulz glauben und seine Fähigkeit, auch als rechnerische Alternative zu Angela Merkel ernst genommen zu werden. Soziale Gerechtigkeit ist ein Thema, die innere Sicherheit wird ein anderes sein, dazu ein Europa, das sich als gemeinsames Europa der vielen Vaterländer versteht, gerade vor dem Hintergrund der Trump, Erdogans, Organs, Putins und wie sie alle heißen. Eigentlich sind das die Themen von Martin Schulz. Keine leichte Aufgabe für Hubertus Heil. Wenn er es schafft…
Bildquelle: Wikipedia, Sven Teschke, CC BY-SA 3.0 DE