1. Die Initiative zur parteiübergreifenden „Abschaffung des Heizungsgesetzes“
Die fachpolitischen Programmatiken konkurrierender Parteien entwickeln sich kurz vor der Wahl naturgemäß massiv fort. Sahra Wagenknecht nimmt das wahr. Vor diesem Hintergrund war es ihr möglich, kürzlich etwas Überraschendes vorzuschlagen:
… Es gibt aktuell eine Mehrheit im Bundestag, das Heizungsgesetz wieder abzuschaffen. Diese Mehrheit sollte vor der Neuwahl genutzt werden“ (Sahra Wagenknecht gegenüber RND)
Damit spielte sie vor allem auf die Weiterentwicklung der energiepolitischen Programmatik an, welche die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag kürzlich vorgelegt hat. Darin wird angekündigt:
„Deshalb werden wir das Heizungsgesetz der Ampel zurücknehmen …“ („Neue Energie-Agenda für Deutschland“. Diskussionsentwurf der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vom 5. November 2024, S. 7)
Da die AfD eh grundsätzlich gegen Klimapolitik ist und Teile der FDP-Bundestagsfraktion dem „Heizungsgesetz“ aus der Werkstatt der Grünen eh nur zähneknirschend zugestimmt hatten, hat Frau Wagenknecht vermutlich recht: Die Abschaffung des sog. Heizungsgesetzes, der GEG-Novelle aus dem Jahre 2023, dürfte, würde das als Vorschlag eingebracht, eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag finden.
So weit, so bedenklich. Was steht als Motiv hinter dieser breiten Ablehnung, im Parlament wie in der Bevölkerung?
2. Der Grund für die Abschaffungs-Initiative
Frau Wagenknecht begründet ihren Vorschlag wie folgt
„Das Heizungsgesetz ist eines der … längerfristig für die Bürger teuersten Gesetze der letzten drei Jahre“
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion deutet ihr Motiv nur höchst verklausuliert an, indem sie sagt, was nach ihren Vorstellungen politisch stattdessen getan werden soll. Was erreicht werden soll, wird als „Weg zu klimaneutraler Wärme“ bezeichnet. Die Intention, die (Wohn-)Gebäude in Deutschland bis 2045 vollständig klimaneutral zu beheizen, die EU-weite Zielsetzung aus dem Jahre 2019, wird somit beibehalten. Das bedeutet aber, dass die Gebäude vollständig mit anderen Endenergieträgern als heute zu beheizen sein werden, nämlich solchen, die Niedertemperatur-Wärme klimaneutral verströmen.
Die Mittel, mit denen das erreicht werden soll, seien eine
„ … Kombination aus schrittweiser CO2-Bepreisung mit Sozialausgleich, verlässlicher Förderung und technologieoffener Ermöglichung“
Mit der Betonung von „verlässlicher Förderung“ zeigt die CDU/CSU-Fraktion, dass sie der Aussage von Sahra Wagenknecht zustimmt: ja, die Gebäudeeigentümer müssen erheblich investieren in ihren Vermögensgegenstand, um ihn auf den Stand zu bringen, dass er bis 2045 mit „klimaneutraler Wärme“ versorgbar ist. Hinzu kommt das Kostenrisiko, dass die in die aufwändig neuerrichtete Heizungsanlage dann strömende „klimaneutrale Wärme“ in manchen ihrer Ausprägungen deutlich teurer sein könnte als der bislang zum Heizen bezogene Energieträger, d. i. Heizöl oder Erdgas. Das gilt auch dann, wenn der Preis von Heizöl und Erdgas mittels „schrittweiser CO2-Bepreisung“, gemeint ist die Unterstellung unter den Nationalen Emissionshandel (nEHS), mit der Zeit deutlich steigen werden wird. Das haben die Gebäudeeigentümer über Jahrzehnte zu antizipieren, so die Meinung der CDU/CSU-Fraktion, und das werden die auch tun.
Die CDU/CSU will zudem für eine „technologieoffene Ermöglichung“ Sorge tragen – mehr als das an Technologieoffenheit, was bereits jetzt mit der GEG-2023-Novelle aktuell Gesetz geworden ist, ist jedoch nicht vorstellbar. Die massive Kritik gerade aus den Reihen der FDP an den Entwürfen aus dem BMWK hat die Option Technologieoffenheit bereits völlig ausgepresst.
Der Weg in die „klimaneutrale Wärme“ ist somit auch nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion ein Weg, der für die Gebäudeeigentümer, und dann auch für Mieter, sehr viel an Investitionen erfordert und damit in diesem Sinne, dem eines Investitionsaufwands, „sehr teuer“ wird. Nur sind Investitionen keine Kosten. Über den Netto-Effekt, ob sich das rechnet relativ dazu, alles beim Alten zu belassen, ist damit nichts ausgesagt.
Die Frage ist: Ist das sog. Heizungsgesetz der Grund für das „teuer werden“? Oder ist die Entscheidung für den Umstieg in die „klimaneutrale Wärme“ und damit in die klimaneutrale Volkswirtschaft bis 2045 der Grund für die Investitionsnotwendigkeit? Im Bilde von Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ gesprochen: Ist Anlass der Schambesetzung die Sache selbst, die Nacktheit des Kaisers? Oder ist es erst die unbefangene Äußerung des Kindes, sodass alle sehen, „realisieren“, dass der Kaiser nackt ist?
3. Der Weg in die klimaneutrale Wärme und der dadurch veränderte Wert von Gebäuden
Entsprechend ist bei Mängel-behafteten Vermögensgegenständen zu fragen, wann der Mangel wertmindernd zu „realisieren“ ist.
Die erste Variante einer Antwort ist: Das regelt der Markt. Bei einem Besitzwechsel ist es üblich, sich auf einen Wert vor Nachrüstungsbedarf zu einigen und dann einen Gutachter bestimmen zu lassen, was es den Käufer kosten wird, das gegebene Gebäude auf den intendierten und vergleichbaren Stand zu bringen. Kommt es so, dann haben beide Seiten akzeptiert, dass der Nachrüstungsbedarf einem Wertverlust entspricht, den der Alteigentümer zu „realisieren“ hat.
Die zweite Variante ist: Das regeln Bilanzierungsvorschriften, auch steuerrechtlicher Art. Da wurde ein Mittelweg via „Bestimmtheitsvorschriften“ gewählt. Für deren Entwicklung spielte die Altlastenbehaftung eines Grundstücks eine pionierhafte Rolle. Eine Altlast kann eine intendierte Nutzung beeinträchtigen oder auch nicht. Die Altlast kann auch migrieren, dann ist wegen Schutzes der Allgemeinheit vorsorgendes Handeln in naher Zukunft angesagt. Konsequenz im Bilanzwesen war: Der Vermögensabschlag wegen Beseitigungsbedarfs ist, so die Entscheidung, erst dann zu realisieren, wenn dieser zeitlich und quantitativ hinreichend bestimmt ist.
Bei Gebäuden ist es nun so, dass deren Nachrüstbedarf in Summe mit der Entscheidung für einen Green Deal der EU faktisch realisiert worden ist. Der Markt aber hat das für Einzel-Immobilien anscheinend kaum nachvollzogen. Vor diesem Hintergrund war der Plan, in der EU-Gebäude-Richtlinie den Nachrüstungsbedarf für Gebäude zu spezifizieren, von hoher Bedeutung – das hätte bilanziell erhebliche Bewertungs-Revisionen auszulösen vermocht. Der dadurch ausgelöste Widerstand gegen die Pläne war erfolgreich.
Für die Beurteilung des Satzes von Frau Wagenknecht folgt daraus: Nein, es nicht das Heizungsgesetz der Ampel-Koalition, welches die Bürger teuer zu stehen kommt, es ist vielmehr bereits der rahmende Beschluss gewesen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Der hat den Nachrüstbedarf gezeitigt. Das Heizungsgesetz hat diesen EU-weit abstrakt gesetzten Nachrüstbedarf lediglich spezifiziert und besser handhabbar gemacht.
Der Immobilienmarkt hat bislang nicht so reagiert, wie er laut Lehrbuch hätte reagieren müssen: Er hätte Wertminderungen für Bestandsgebäude in Höhe des Nachrüstbedarfs flächendeckend realisieren müssen. Das scheint nicht der Fall zu sein, und das ist irritierend. Aber so blind können von Kollusion geprägte Märkte eben auch sein.
4. Finanzierungskonzeptionen – unzureichend, unrealistisch und gedankenarm
Vor diesem Hintergrund ist Kritik vor allem an der bisherigen Finanzierungskonzeption angebracht. Die Finanzierungskonzeption der Ampel-Regierung und im neuen Konzept von CDU/CSU-Fraktion ist im Grunde dieselbe: Beide wollen Gebäudeeigentümer in ihrem erheblichen Nachrüstungsbedarf finanziell, durch Subventionen, unterstützen.
Das ist freundlich und nett. Angesichts des Volumens an Nachrüstbedarf und des Standes der Staatsfinanzen ist es aber offenkundig, dass das Förderversprechen die realen Möglichkeiten des Staates weit überfordert. Das politisch Versprochene ist eher ein Tropfen auf den heißen Stein oder eine ungerechte Begünstigung von wenigen, die zuerst kommen.
Grundsätzlich gilt: Der Wandel in der notwendigen Ausstattung des langlebigen Investitionsgutes „Gebäude“ erfordert erhebliche zusätzliche, „dezentrale“ Investitionen – ich fasse zusammen, für
- Verbesserung der Gebäudehülle;
- Investition in eine weit komplexere Heizung;
- ggfls Anliegerbeiträge für neue leitungsgebundene Infrastrukturen;
- Ablösungszahlungen zur Entlassung aus bestehenden Gasverträgen, deren Investitionen pro rata noch nicht amortisiert sind;
- Investitionen in gebäudeverbundene E-Tankanlagen.
Diese anstehenden zusätzlichen Investitionen, welche den Wert von Gebäuden erhöhen und deswegen in die Problematik der Grenzkostenfinanzierung hineinspielen, müssen in Gänze von Privaten, die in gänzlich unterschiedlichen Vermögens- und Einkommensverhältnissen leben, finanzierbar sein. Dazu braucht eine kommende Bundesregierung ein Konzept. Mit Worten wie weißer Salbe à la „wir fördern“ ist nur gesagt: Wir verweigern uns der Aufgabe, für diese Großherausforderung ein Konzept zu erarbeiten. Wobei nicht alle Gebäudeeigentümer vor derselben Herausforderung stehen. Wer z.B. zur Fernwärme wechselt, überantwortet damit das Finanzierungsproblem einem professionellen Betreiber.
Einer Lösung kommt man näher, wenn man realisiert, dass man es bei den Bedürftigen, denen geholfen werden muss, bei den Gebäudeeigentümern, qua definitionem mit „vermögenden“ Subjekten zu tun hat. Die gegebene Herausforderung dadurch lösen zu wollen, dass man eh schon Vermögenden Zuschüsse aus Staatsmitteln verspricht, sie somit noch vermögender macht, nur weil sie einkommensarm sind, erscheint widersinnig und phantasielos. Dieses Konzept wartet nur darauf, eines Tages von der politischen Konkurrenz mit den Worten bedacht zu werden:
„Grüne und Sozialdemokraten schützen Gebäudewerte für die Erben der Vermögenden“.
Man muss sich trauen groß zu denken: Es geht bei der Energie-Transformation wirklich um die Eigentumsordnung, auch wenn Linke und Sozialdemokraten es noch nicht begriffen haben.