1. Einleitung
Die Ampel-Regierung hatte eine Novelle des GEG vorgelegt, welche die Koalitionsabsprache zum 65-%-Erneuerbar-Heizen umsetzte. Die FDP hat gegen diese Vorlage in einer Weise opponiert, die parlamentarisch und demokratisch innovativ war. Sie hat nämlich
- weder verraten, was sie mit ihrem ‚dagegen‘ konkret positiv durchsetzen wollte,
- noch hat sie die ihres Erachtens notwendige Klärung ausstehender Fragen öffentlich gemacht.
Die FDP-Fraktion hat sich auf Grundsatz-Kritik beschränkt, präzise gesprochen: Sie hat sich der gerade modernen „culture war“-Methodik bedient.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat das in einer Demokratie Naheliegende getan: Sie hat dafür gesorgt, dass der Bürger sowohl den Fragenkatalog der FDP als auch die Antworten der Bundesregierung einsehen kann. Die gewählte Methode war: Die Unionsfraktion hat sich den Fragenkatalog der FDP geben lassen und hat die 100 Fragen am 31. Mai 2023 als Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Die Bundesregierung hat ihre Antworten am 16. Juni 2023 übersandt und damit öffentlich gemacht. Übersandt wurden 52 Druckseiten, also ein Umfang, der normalerweise von Großen Anfragen erreicht wird.
Die Lektüre des Papieres lässt den interessierten Leser drei Reaktionen durchlaufen.
- Schmunzeln über Possenspiele;
- Gähnen ob Fragen, die offenkundig nur durch Erklärungen zu gesetzgeberischem bzw. parlamentarischem Einmal-Eins auf VHS-Niveau für Abgeordneten-Anfänger zu beantworten sind;
- hohes Interesse weckend, weil einige wenige Fragen Antworten zu Schlüsselfragen provoziert haben, die man immer schon einmal in der beispielhaften Konzentration und hohen Expertise, zu der Fachressorts fähig sind, beantwortet zu sehen wünschte.
Zu den Kategorien 1. und 3. wird hier je ein Beispiel gegeben.
2. Possenspiel
In Frage 28 will die FDP wissen
„Auf Basis welcher wissenschaftlichen Grundlagen und Vermögens- bzw. Alterserwartungsberechnungen kommt das BMWK bei der Ausnahme für über 80-Jährige auf genau diese Altersgrenze, warum nicht beispielsweise 75-Jährige?“
Die Antwort ist ein langes Zitat aus der Gesetzesbegründung („S. 138 f“). Will sagen, durch die Blume: Noch nicht einmal die Vorlage könnt Ihr von der FDP lesen! Aber bitte, wir geben es Euch auch gerne ein zweites Mal zu lesen, copy&paste ist für uns sehr arbeitssparend.
3. Spannendes
Die Wärmepumpe als elektrisches Heizsystem war vielen in Deutschland bis zum Frühjahr 2023 unbekannt. Die Energiewende basiert auf dem Prinzip, die Verbrennungsprozesse weitgehend zu verlassen, stattdessen Elektrizität als neuen Primär- und zugleich Endenergieträger zu etablieren. Also machen sich viele Bürger Sorgen um die Stabilität des Stromsystems im Prozess und als Ergebnis der Energiewende. Im Hintergrund spukt in den Köpfen, auch von vielen Profis, die Vorstellung, dass Kraftwerke mit einem chemisch gespeicherten Vorrat von Energie alleine die Verantwortung haben, den Ausgleich zwischen erratischer Nachfrage und Angebot von Strom zu gewährleisten – an dieser Vorstellung ist auch etwas dran. In diesem Kontext gab die Bundesregierung zwei recht erhellende Hinweise.
1) Frage 83 des Katalogs lautet:
„Wie soll mit den aus Sicht der Anfragesteller zu erwartenden saisonal schwankenden Energiebedarfen umgegangen werden (es erscheint aus Sicht der Anfragesteller notwendig, im Gebäudesektor breitenwirksam Energiespeichermöglichkeiten mit saisonaler Kapazität zu implementieren), und wie könnten aus Sicht der Anfragesteller somit die Leistungsspitzen bei der Erzeugung im Sommer und beim Verbrauch im Winter sinnvoll miteinander in Verbindung gebracht und die damit einhergehenden Belastungen des deutschen Stromnetzes reduziert werden?“
Die Bundesregierung antwortet:
„Gesamtsystemstudien wie die BMWK-Langfristszenarien zeigen, dass als Langzeitspeicher im zukünftigen Energiesystem insbesondere Wasserstoffspeicher erforderlich sein werden. Für die Wasserstoffspeicherung eignen sich aufgrund der erforderlichen räumlichen Dimensionen insbesondere geologische Speicher wie Salzkavernen. Dementsprechend geht die Bundesregierung davon aus, dass die saisonale Speicherung von Energie aus Platz- und Kostengründen nicht dezentral in Gebäuden stattfindet. Durch die Speicherung von Wasserstoff können unter anderem Erzeugungsspitzen, die im Sommerhalbjahr entstehen für die Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse genutzt werden, und hohe Residuallastspitzen, die insbesondere im Winterhalbjahr auftreten, mit Wasserstoffkraftwerken abgedeckt werden. Die Belastungen für das Stromübertragungsnetz kann durch eine systemdienliche Integration von Elektrolyseuren und den Transport von Wasserstoff über eine Wasserstoffinfrastruktur reduziert werden, deren Aufbau derzeit von der Bundesregierung vorangetrieben wird.“
D.h. chemischer Energie-Speicher für den saisonalen Ausgleich im Stromsystem, so das Konzept in Deutschland, wird Wasserstoff (H2) sein, nicht Groß-Batterien wie in Kalifornien das Konzept, vorzuhalten aber zentral, für Kraftwerke, die dieses besondere Gas verbrennen können. Das sind „H2-ready-Gaskraftwerke“, wie sie bereits gebaut werden.
2) Vor diesem Hintergrund sind Teile der Antworten auf die Fragen 12 und 13 von Interesse.
„Um das Sektorziel für Gebäude für 2030 gemäß KSG zu erreichen, sind im Jahr 2030 rund 6 Millionen Wärmepumpen erforderlich. Dafür müssen ab 2024 im Durchschnitt mindestens 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden. … In den BMWK-Langfristszenarien werden je nach Szenario 2045 zwischen 13 bis 18 Millionen Wärmepumpen für eine klimaneutrale Wärmeversorgung des Gebäudesektors benötigt. Selbst in dem Szenario, in dem Wasserstoff im Gebäudebereich nach 2030 in größeren Mengen zum Einsatz kommt, wären 2045 über 13 Millionen Wärmepumpen bis 2045 nötig (Szenario T45-H2). Insofern ist der massive Hochlauf von Wärmepumpen in jedem Fall erforderlich, um die Klimaziele erreichen zu können. Der durchschnittliche jährliche Zubau nach 2030 beläuft sich demnach je nach Szenario zwischen rund 450.000 und 800.000 Wärmepumpen pro Jahr.“
Zum elektrischen Leistungsbedarf dieser Wärmepumpen in Summe heißt es:
„In den BMWK-Langfristszenarien beträgt die Gesamtleistung der installierten Wärmepumpen im Jahr 2030 26,7 Gigawatt (GW) bei einer Gesamtzahl von rund 6 Millionen Wärmepumpen, im Jahr 2045 81,5 GW bei 18,6 Millionen Wärmepumpen (beispielhaft Szenario T45-Strom). Dies entspricht einer durchschnittlichen installierten Leistung der Wärmepumpen von 4,7 Kilowatt (kW) im Jahr 2030 (bei einer angenommenen mittleren Jahresarbeitszahl von 3,0) bzw. 4,4 kW im Jahr 2045 (bei einer angenommenen mittleren Jahresarbeitszahl von 3,1).
Im zukünftigen Energiesystem wird … die Spitzenlast eines Jahres deutlich höher sein als aktuell, da flexible Stromverbraucher wie Elektrolyseure, Elektromobilität und Wärmepumpen ihren Stromverbrauch insbesondere in Zeiten einer hohen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien verschieben. In den BMWK-Langfristszenarien beträgt im Jahr 2045 die Spitzenlast über 370 GW, im Jahr 2030 bereits über 200 GW.“
Für die geforderte Leistung bzw. den Stromverbrauch durch diese Mengen an Wärmepumpen in den Monaten Oktober bis April bedeutet das: „In den BMWK-Langfristszenarien beträgt der Stromverbrauch der Wärmepumpen in einem Szenario mit einer sehr hohen Anzahl an Wärmepumpen, in dem 2045 18,6 Millionen Wärmepumpen installiert sind (Szenario T45-Strom), 93 Terawattstunden (2025: 10 Terawattstunden, 2030: 35 Terawattstunden, 2035: 68 Terawattstunden, 2040: 85 Terawattstunden). … Der Großteil dieses Stromverbrauchs entfällt auf den Zeitraum Oktober bis April, da im Sommerhalbjahr der Energiebedarf für Raumwärme gering ausfällt.“