Bayerische Ministerpräsidenten und CSU-Chefs sind besondere Menschen. Und sie sehen sich auch so. Als einzigartig. Wie das Land, könnte man angesichts der Anziehungskraft für Touristen aus aller Welt hinzufügen. Und wenn sie aus Franken stammen, gar aus Nürnberg, gilt das Gesagte erst recht. Die Franken sind in den Augen der anderen Bayern Oberlehrer, Alleswisser, Streber. Und da sich die Ministerpräsidenten und CSU-Chefs, beides oft in einer Person, zumeist daheim in Bayern aufhalten, glauben sie, dass sie die Größten sind. Und deshalb gehen sie gern auch mal auf Weltreisen, machen auf ihre Art Außenpolitik, die gar nicht ihres Amtes ist. Dafür ist das Außenministerium zuständig, angesiedelt in Berlin. Aber leider sitzt dort eine Grünen-Ministerin auf dem Chefstuhl, Annalena Baerbock. Man darf in aller Bescheidenheit, die nun mal zur Ausstattung eines bayerischen Ministerpräsidenten gehört, davon ausgehen, dass Markus Söder die Rangfolge zur Kenntnis nimmt, mehr aber nicht.
Gemäß der Bedeutung ihres Amtes und ihrer Person reisten Ministerpräsidenten früher mal nach China wie Strauß, dem Antikommunisten, um dort Mao, den Alles-Herrscher und Oberkommunisten, zu besuchen. Derselbe Strauß beglückte auch Moskau mit seinem Besuch(dazu später mehr), wie das auch einer seiner Nachfolger, Horst Seehofer tat, indem er Wladimir Putin beim Treffen in der russischen Metropole die Hand reichte. Strauße fädelte den Milliarden-Kredit an die DDR ein, obwohl er Ostberlin als eigenständig nicht anerkannte und gewiss dem Honecker nicht gerade freundlich gesonnen war. Mit dem Kredit konnte die DDR ihr Überleben ein paar Jahre verlängern.
Womit wir bei Markus Söder sind. CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident. Und als solcher und überhaupt kein Mann von Bescheidenheit. Sich selbst hält er für den Größten in der Politik, sein Vorbild ist der schon erwähnte Franz-Josef Strauß, der Oberheilige in der CSU. Als Jugendlicher hatte er ein Foto des umstrittenen Strauß über seinem Bett hängen. Strauß war -wie Söder- ein Egomane, der neben oder über sich niemanden gelten ließ. Wir kennen von Strauß die berühmt-berüchtigte Wienerwald-Rede am 24. November 1976 vor der Jungen Union Bayern, als er über den CDU-Politiker Helmut Kohl tobte und spottete. Der werde „nie Kanzler“, sei „total unfähig, ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles dafür.“(fürs Kanzleramt) Dann sprach der Bayer noch von den „politischen Pygmäen der CDU“, nannte sie „diese Zwerge im Westentaschenformat, diese Reclam-Ausgabe von Politikern“. Die Rede wurde heimlich mitgeschnitten und an den „Spiegel“ geleitet, der die Wutrede von Strauß mit allen Zitaten veröffentlichte. Die Geschichte verlief dann etwas anders als von Strauß prognostiziert. Um es kurz zu fassen, ging Kohl als Kanzler der deutschen Einheit in die Geschichte ein, Strauß scheiterte als Kanzlerkandidat gegen Helmut Schmidt, der dann von Kohl durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt wurde.
Als Strauß über Kohl lästerte
Als Edmund Stoiber, einer der Nachfolger von Strauß und wie dieser als Kanzlerkandidat der Union an einem SPD-Kanzler gescheitert(Gerhard Schröder), 2008 im Interview mit dem „Spiegel“ auf diese Rede angesprochen wurde, antwortete er: „Immerhin hat Strauß Kohl die charakterliche Fähigkeit abgesprochen, Kanzler zu sein. Kohl ist total unfähig, das waren seine Worte. Und mit Verlaub: Auch mit Hilfe der guten bayerischen Wahlergebnisse war Kohl 16 Jahre Bundeskanzler.“ Wie das alles gedanklich zusammenpasst, ist Stoibers Sache. Klar ist nur, wenn die CDU nicht die CSU hätte, dann wäre das alles nicht so gekommen. Ergänzt werden muss, dass Stoiber wie Gerold Tandler und Theo Waigel zu den engsten Strauß-Schülern zählte, die genannten und der Chefredakteur des Bayernkurier Wilfried Scharnagl durften mit Strauß nach Moskau fliegen, den Jet des Rosenheimer Fleischgroßhändlers März steuerte der „Meister“ selber, man musste im Schnee auf dem gesperrten russischen Flughafen landen. Weiter hätte der Sprit nicht gereicht. Das alles ereignete sich zwei Tage nach Weihnachten, am 28. Dezember 1987. Stoiber zählt nach Informationen aus der CSU zu den Beratern von Markus Söder.
Wenn wir die Strauß-Zitate bedenken, sind doch die heutigen Ausfälle Söders eher Kleingedrucktes. Dass Söder gerade mal wieder- bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Friedrich Merz in München- den Kanzler Olaf Scholz in den Senkel gestellt hat, weil der SPD-Politiker über „Fritze Merz“ gelästert und dessen Kritik am Kanzler als „Tünkram“ hingestellt hatte, was Hamburger Platt ist und soviel wie Unsinn heißt, erreicht Straußsche Qualitäten nicht. Dass Söder gerade mal wieder polterte, der Kanzler sei „kein Vorbild mehr“, sondern „der peinlichste Kanzler, den unser Land je hatte“, ist auch nicht ganz neu. Der bayerische Ministerpräsident hat die Ampel unter Scholz mehrfach als die schlechteste Regierung beurteilt ever und dem Bundeskanzler entsprechende Noten gegeben. Ob das Beleidigungs-Charakter hat? Strauß konnte stärker zuschlagen und Söder kann es auch. Das Bierzelt ist im Grunde seine Bühne, da schimpft es sich am leichtesten.
Einer wie Söder muss unbedingt Kanzlerkandidat der Union werden. Wie Strauß und Stoiber. Weil er sich für besser hält. 2021 scheiterte er an Armin Laschet. Er rächte sich, indem er dem Kandidaten im Wahlkampf das Leben schwer machte durch dauernde Sticheleien und Stänkereien. Die Bürger draußen hatten den Eindruck, dass der bayerische Ministerpräsident seinen CDU-Kollegen Laschet das Amt des Kanzler-Herausforderers neidete. Dass Laschet gegen Scholz verlor, wird Söder eher als Bestätigung seiner Einschätzung beurteilt haben. Man wird sehen, wie weit Söders Solidarität mit Friedrich Merz im aktuellen Wahlkampf gegen Olaf Scholz reicht. Schon seit Wochen meldet sich Söder immer mal wieder zu Wort, nennt seinen Kandidaten für das Amt des Landwirtschaftsministers, dabei steht noch nicht einmal offiziell zumindest der Wahltermin fest. Das entscheidet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, er will mit allen Parteien reden, ehe er den Termin öffentlich macht. Im Raum steht der 23. Februar 2025.
Alles unter Kontrolle
Aber so ist Markus Söder, egoistisch, besserwisserisch, er hat in der CSU alles unter seiner Kontrolle. Nur ist seine CSU zwar die in Bayern alles überragende Partei, aber eben nur im Freistaat, die CDU ist wesentlich größer, hat dreimal so viele Mitglieder. Entsprechend sind die Kräfteverhältnisse bei der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten. Da hat der CDU-Chef den ersten Zugriff, auch wenn er sich mit seinem Kollegen aus München abspricht. Aber richtig ist sicher auch, dass ein CDU-Kandidat gute CSU-Wahlergebnisse braucht, damit die Fraktion in Berlin möglichst stark wird.
Weil das alles so ist und das dem Söder mächtig auf die Nerven geht, haut er auf die Pauke. Droht damit im Falle, der Merz würde nach der Wahl eine schwarz-grüne Koalition bilden, sein Veto dagegen einzulegen. Vorbei die Zeiten, als der etwas jüngere Söder einen Baum umarmte, um darauf aufmerksam zu machen, dass seine CSU-geführte bayerische Staatsregierung Umweltpolitik betreibe. Der grüne Söder trat dann auch in einem grünen Lodenmantel auf, passend mit Hut. Jetzt hat er erkannt, dass die Grünen nur Verbote wollen, gendern, vegan leben. Die Grünen wollten nicht mal Luftballons erlauben, das Wort Indianer verbieten ebenso wie die Autowäsche, Böller und Fleisch. Die Grünen Umweltbundesministerin Steffi Lemke verspottete er als „grüne Margot Honecker.“ Ja, dieser Söder kennt keine Grenzen. Weil das Wahlrecht geändert wurde, weil es ein Gebot des Verfassungsgerichts seit vielen Jahren dazu gibt, damit der Bundestag kleiner werde, attackierte Söder die Grünen. Mit dieser „superfiesen Nummer“ wollten sie nur die „CSU killen“. Der „Süden vergisst nicht“, tönte der Bayer drohend und unterstellte dem Wirtschaftsminister Habeck und überhaupt der Ampel-Regierung, bewusst Politik zu machen zum Schaden des Freistaats. Dieser Söder müsste sich selber mal an die eigene Nase fassen und daran denken, was seine CSU-Bundesverkehrsminister Dobrindt, Ramsauer und Scheuer mit der Maut alles angerichtet haben. 245 Millionen Schulden, die der Bund zahlen muss für die blinde Maut-Politik, von der jeder Vernünftige wusste, dass sie spätestens auf europäischer Ebene scheiterte. Und noch eins Herr Söder: Dass die Infrastruktur in Deutschland am Boden liegt, Straßen und Brücken marode sind, dass die Deutsche Bahn unpünktlich ist, viele Züge ausfallen, dass dort Milliarden über Milliarden Euro investiert werden müssen, weil man in all den CSU-regierten Jahren die Schiene und die Züge hat verrotten lassen. Herr Söder, der Westen, der Norden, der Südwesten vergessen nicht.
Den Gipfel hat sich dieser Ministerpräsident kürzlich bei einer Reise nach Warschau geleistet. Vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos kniete er nieder, ausgerechnet dort, wo der Bundeskanzler Willy Brandt am 7. Dezember 1970 auf die Knie sank aus Demut, wie eine Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen in der Hitler-Zeit, für die Millionen Toten in Polen während des 2. Weltkrieges. Brandts Kniefall ging um die Welt, ein Bild, das man nicht vergisst. Ein Symbol für die Aussöhnungs-Bemühungen der Bundesrepublik mit den Nachbarn. Man wird fassungslos, wenn man diesen Söderschen Kniefall sieht. „Das ist eine der größten Geschmacklosigkeiten der letzten Jahre“, empörte sich Peer Steinbrück. „Da muss einer erstmal drauf kommen, da sind irgendwelche Synapsen (laut Duden die Verbindung zwischen Zellen zur Reizübertragung) nicht richtig verdrahtet bei dem Mann“. Steinbrück, der frühere NRW-Ministerpräsident, einstiger Bundesfinanzminister im Kabinett von Angela Merkel und Kanzlerkandidat der SPD, hatte sich im ARD-Talk bei Caren Miosga geäußert. Die Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang stimmte Steinbrück zu. Willy Brandt, der spätere Friedensnobelpreisträger, „kniete aus Demut vor der deutschen Geschichte. Söder kniet aus Selbstbesoffenheit.“ Willy Brandt war selbst ein Verfolgter des Nazi-Regimes, er floh vor den Schergen Hitlers nach Skandinavien.
Hauptsache, es hat geschmeckt
Natürlich gibt es ein Foto von Söders Kniefall, er äußert sich so dazu: „Sehr bewegende Momente zu Beginn der Warschau-Reise. Es ist mir ein persönliches Anliegen, zwei Kränze zum Gedenken und Erinnern niederzulegen. Das Denkmal der Helden des Ghettos in Warschau und das Denkmal des Warschauer Aufstands 1944 erinnern an unsere dunkelste Geschichte. Die Nazis haben hier schreckliche Verbrechen begangen, unterdrückten die polnische Bevölkerung und haben das jüdische Leben in der Stadt fast völlig ausgelöscht.“ Danach postete Söder ein weiteres Foto, was nicht nur Ricarda Lang als geschmacklos wertete. Zu sehen ist der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, wie er eine Wurst auf dem Weihnachtsmarkt isst. Hauptsache, es hat Ihnen geschmeckt, Herr Söder!
Und da der Süden ja nicht vergisst, möchte ich an dieser Stelle daran erinnern, dass Brandts Kniefall damals als größte Geste eines deutschen Politikers nach dem 2. Weltkrieg beurteilt wurde. Diese Politik Brandts( und Scheels), Anerkennung der deutschen Schuld und Beginn der Aussöhnung mit Polen, geschah damals gegen den erbitterten Widerstand der Union, vor allem auch der CSU. 14 Sekunden der Demut, so kann man es nachlesen in den Erinnerungen Brandts, ein Kniefall, der nicht geplant, nicht inszeniert war, nie in all den Jahren, da deutsche Politiker Polen und Warschau besuchten, hat ein Politiker den Kniefall von Brandt nachgemacht. Das schafft nur ein Söder, der Selbstverliebte, wie die SZ die Peinlichkeit kommentierte, dies blieb „Bayerns oberstem Staatsschauspieler und Instagrammer“ vorbehalten. Berechnend wie er nun mal ist, die Bilder hatte er sich ausgemalt, „ein ruchloses Plagiat“. Die SZ schließt ihren Kommentar mit dem Foto Söders vom Weihnachtsmarkt und Söders Worten dazu ab: „Söder isst eine polnische Bratwurst. Schmeckt super!“ Peinlich ist das, nur noch peinlich. Söders CSU genießt im Freistaat höchste Anerkennung: In Umfragen liegt sie bei rund 45 Prozent. Dann ist ja alles in bester Ordnung. Oder? Es ist eher zum Fremdschämen. Es macht keinen Sinn, Söder zuzurufen: Schämen Sie sich. Das kennt er nicht.
Bildquelle: Screenshot X bzw. Twitter des Accounts von Markus Söder
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