„Widerwärtig“ empfand sie Willy Brandt, „gemeineres“ habe er nicht erlebt, so Erich Kästner, und Oskar Maria Graf nannte die Erfinder der Bücherverbrennungen ab Mai 1933 „verdorbene Hirne“ und „braune Mordbanden“, die er aufforderte: „Verbrennt mich!“ Das Land der Dichter und Denker auf dem Weg zum Reich der Richter und Henker. Angesichts der menschenverachtenden NS-Diktatur beschrieb der in Lübeck geborene Sozialdemokrat Willy Brandt, der auf dem Weg ins Exil war, um Schutz zu suchen vor den braunen Verbrechern, seine Gefühle: „Man geriet mehr als einmal in Versuchung, sich seiner deutschen Herkunft zu schämen.“ Thomas Mann, dessen Bücher ebenso Opfer der Flammen wurden, hatte das Land schon verlassen. Der Nobelpreisträger wusste warum, die Nazis hätten ihm das Leben zur Hölle gemacht, wie anderen, die anders dachten als Hitler und Goebbels.
Widerwärtige Bilder in vielen Universitätsstädten. Bücherverbrennungen im ganzen Reich. Antisemitische Hetze. Und es gab so gut wie keinen Widerstand. Hatte nicht Heinrich Heine, dessen Werke auch ins Feuer geworfen wurden, einst gewarnt: Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen. Aktiv beteiligt an den Aktionen waren Nazis, Studenten, Professoren in ihren Talaren. „Ich übergebe alles Undeutsche dem Feuer“, schrie ein Student in Berlin unter dem Gejohle von Tausenden von Schaulustigen. Propagandaminister Joseph Goebbels, der geistige Urvater dieses schrecklichen Schauspiels, nahm in der Reichshauptstadt an der Verbrennung teil. Bücher von Karl Marx, Kurt Tucholsky, Bert Brecht, Carl von Ossietzky, Sigmund Freud, 94 Autoren-Namen wurden verlesen, ehe ihre Werke ins Feuer geworfen wurden. Erich Kästner, beobachtete zunächst unerkannt das Flammentheater und hörte mit, wie sein Name gerufen wurde. „Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Erst Gläser und Erich Kästner.“ Der dann von einer Schauspielerin erkannt wurde, was keine Folgen hatte. Er schlich später davon.
Man stelle sich das elendige Schauspiel vor. 70000 Zuschauer, Gaffer, Schreihälse, Neugierige, die die Namen von französischen Autoren hörten wie Andre Gide, dann den des amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway, ehe deren Werke Opfer der Flammen wurden. Auch sowjetische Geistesgrößen wie Leo Trotzki zählten zu den Verfemten Autoren.
Professoren in Talaren
Die Männer in den Talaren waren dabei. Wie zum Beispiel einer der Großen der Philosophie, Prof. Martin Heidegger. Er war schon am 1. Mai in die NSDAP eingetreten, wohl auch, um Rektor der Universität werden zu können, was ja auch geschah. Der Amtsinhaber wurde entlassen. Die Freiburger Feuer-Feier, von den Nazi-Studenten organisiert, fand erst am 21. Juni 1933 statt. Und Heidegger rief der Menschenmenge zu: …Flamme künde uns, leuchte uns, zeige uns den Weg, von dem es kein Zurück mehr gibt! Flammen zündet, Herzen brennt!“ Martin Heidegger zählte zu den führenden Philosophen in Europa. Sein Werk „Sein und Zeit“ hatte seinen internationalen Ruf begründet. In seiner Antrittsrede als Rektor der Uni Freiburg lobte der das NS-Regime und formulierte im November 1933 in einem Aufruf an die Studenten: “ Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz.“ Heidegger wirkte auch mit bei der Entlassung „nichtarischer“ Universitätskollegen so seines früheren Mentors Edmund Husserl (nachzulesen in Ian Kershaw: Höllensturz).
In 22 Universitätsstädten wurden Bücher verbrannt, organisiert von den entsprechenden Nazi-Verbänden. Die Bücher wurden teils auf Ochsenkarren transportiert, man hatte eine Liste der unliebsamen Autoren und derer Werke erstellt, der 10. Mai 1933 war als Tag des Feuers vorgegeben, aber wie gesehen kam es später zu den schaurigen Verbrennungen, Es brannte in der Hauptstadt, in Bonn, Bremen, Breslau, Göttingen, Greifswald, Hannover, Kiel, Königsberg, Marburg, Münster, Würzburg, Worms und München. In der bayerischen Metropole, der Stadt, die sich gern selbst als Stätte der feinen Künste feiert, fanden zwei Bücherverbrennungen statt. Eine am 6. Mai 1933, von der HJ durchgeführt, die andere am 10. Mai von der deutschen, längst braunen Studentenschaft initiiert. Beide am Königsplatz, wo auch die Parteizentrale der NSDAP ihren Sitz hatte. Unter dem Gejohle von 50000 Schaulustigen flogen Tausende von Büchern auf den Scheiterhaufen.
SA-Schlägerbanden
Es kommt einem heute noch schaurig vor, wenn man diesen Platz kennt und daran denkt, wie die SA-Schlägerbanden diese Stadt dominierten, München, war ja die Hauptstadt der Bewegung geworden. Heute ziert ein weiß gehaltenes Gebäude den einst braunen Platz, in dem das NS-Dokumentationszentrum errichtet worden ist, das sich seit ein paar Jahren der schlimmen Geschichte der Nazi-Zeit annimmt und diese beleuchtet. Übrigens waren es vornehme, reiche Leute, die Hitlers NSDAP einst das Gelände für den Bau der Parteizentrale verkauften. Dort ist ein Mahnmal zur Bücherverbrennung installiert worden, das der amerikanische Künstler Arnold Dreyblatt entworfen hat. Titel: Die schwarze Liste. Übrigens heißt der Platz heute: Max-Mannheimer-Platz. Benannt nach einem Holocaust-Überlebenden, der erst vor wenigen Jahren im hohen Alter starb. An der Todesrampe im Vernichtungslager Auschwitz sah der damals 23jährige Mannheimer seine Frau, seine Eltern, seine Schwester das letzte Mal. Wie durch ein Wunder hat er überlebt, nach Auschwitz kam er nach Warschau und schließlich ins KZ Dachau. Max Mannheimer wurde ein Kämpfer für die Versöhnung mit Deutschland.
„Der Kampf gegen alles, was die Nationalsozialisten als undeutsch, dekadent und zersetzend empfanden, richtete sich gegen Lebende und Tote,“ urteilt der Historiker Heinrich August Winkler in seiner „Geschichte des Westens“. Dazu gehörte die sogenannte Säuberung des Lehrkörpers, Studenten, die der KPD angehörten, mussten ihr Studium beenden. Ein allgemeiner Numerus Clausus sorgte dafür, dass der Anteil nichtarischer Studenten in etwa dem jüdischen Anteil an der Bevölkerung angepasst und auf 1,5 vh gedrückt wurde. Missliebige Rektoren wurden durch andere, die dem Regime den Hof machten, ersetzt, siehe Heidegger, der nach dem Krieg ungestört weiterarbeiten durfte. Der Bücherverbrennung und Säuberung des Lehrkörpers folgten Kampagnen gegen alle Formen entarteter Kunst in der Musik wie der Malerei. Gesäubert wurden in kürzester Zeit auch Rundfunk, Film und Presse und gleichgeschaltet. Die Sprachregelung wurde vorgegeben: von Dr. Joseph Goebbels, dem Chef des Propagandaministeriums.
1947, als Deutschland von den Alliierten vom Joch der Nazi-Diktatur befreit worden war, sprach Peter Suhrkamp auf dem Opernplatz in Berlin: “ Die Flammen, die zuerst über den Bücherhaufen prasselten, verschlangen später im Feuersturm unsere Städte, menschliche Behausungen, die Menschen selbst. Nicht der Tag der Bücherverbrennung allein muss im Gedächtnis behalten werden, sondern diese Kette: von dem Lustfeuer an diesem Platz über die Synagogenbrände zu den Feuern vom Himmel auf die Städte.“ Stellvertretend für viele Gedenktafeln sei hier das Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung in Berlin auf dem Bebelplatz neben der Staatsoper erwähnt. Dort erinnert eine ins Pflaster eingelassene Glasplatte an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933. Wenn man durch die Glasplatte schaut, sieht der Besucher das aus leeren Bücherregalen bestehende Mahnmal „Bibliothek“ des israelischen Künstlers Micha Ullmann. Auf zwei in den Boden eingelassenen Bronzetafeln kann man den Satz von Heinrich Heine in seiner Tragödie „Almansor“ lesen: Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Die düstere Prognose des Dichters stammt aus dem Jahre 1820.
Sehr geehrter Herr Pieper,
ja, als älterer Mensch kann ich ihre Gedanken gut nachvollziehen. Was halten Sie in diesem Kontext von der De-russifizierung der ukrainischen Literatur?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Claus-D. Dudel
MIT BÜCHERN FING ES AN
Damals, als die Bücher brannten,
kam die Menschlichkeit abhanden.
Im Land der Dichter und Denker
herrschten Sadisten und Henker.
Der Vernichtung von Kulturgut
folgten Ströme von Menschenblut.
Ganz Europa in Brand gesetzt,
getreu dem Führer bis zuletzt.
Von der Freiheit zur Diktatur
ist’s oftmals ein kleiner Schritt nur.
Zuerst Verbot von Bild und Wort,
am Ende steh’n Terror und Mord.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen