In diesen Tagen sehen wir Menschen, die auf der Flucht sind, die Leib und Leben retten wollen, deren letzte Hoffnung Europa ist. Ihre Wege zu diesem rettenden Ziel sind mehr als abenteuerlich und gefährlich. Viele hundert Flüchtlinge ertranken schon im Mittelmeer; tote Kinder und Ältere landeten wie Strandgut. Andere quälten sich durch unwegsames Gelände und verfingen sich in Stacheldrahtzäunen an den Grenzen europäischer Staaten. Nicht wenige, die sich in Freiheit und Sicherheit retten konnten, wurden gestoppt und in Camps deportiert. Viele mussten Tage und Nächte ohne Nahrung und Wasser auf Straßen und Plätzen verharren.
Konkurs des christlichen Abendlandes
Sie kamen aus Syrien, Eritrea, dem Jemen oder Afghanistan. Sie suchten Zuflucht in dem einst so christlichen Abendland. Ihre Hoffnung setzten sie auf Europa. Doch offenbar haben die meisten Politiker und viele Bewohner unseres Kontinents völlig vergessen, was ihr Erbe und Auftrag bedeuten. Das Versagen gegenüber den Flüchtlingen ist eklatant und erbärmlich. Es wirkt mehr als abschreckend, wie sich wohlhabende Staaten verhalten.
Nationaler Egoismus dominiert!
Im Gefeilsche um Agrarsubventionen, Energiesparlampen, Binnenmarkt und Euro fanden die EU-Staaten immer wieder Kompromisse. Doch sollte dieses gemeinsame Europa mehr sein als der Kontinent der Krämerseelen. In Sonntagsreden und bei Festanlässen war immer wieder von einer Wertegemeinschaft die Rede. Die EU wollte gar ein Modell für andere Regionen der Welt sein. Angesichts der jüngsten Entwicklungen, die zu einem Flüchtlingschaos führten, wird Europa weiter an Faszination und Attraktivität verlieren. Vor allem wird sich die junge Generation in den europäischen Ländern von diesem Modell abwenden, das für sie gewiss keine großen Zukunftserwartungen wecken wird. Denn auf den nationalen Altären wird die Solidarität sogar mit denen, die gerade dem Tod und der Verfolgung entfliehen konnten, schnöde geopfert.
Wohl nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg haben Politiker in London, Paris, Warschau oder auch in Berlin so krass versagt wie jetzt. Wenn sich nicht viele Bürger mit ganz persönlichem Engagement den Flüchtlingen gewidmet und ihnen mit Nahrungsmitteln, Getränken, Kleidung und dem Nötigsten geholfen hätten, ihnen nach dem zum Teil schrecklichen Martyrium und der Traumatisierung zu Hilfe geeilt wären, hätte Europa vollends als Gemeinschaft des gepanzerten Kapitalismus dagestanden.
Hilflose Regierungen
Ob es Hilflosigkeit oder Unvermögen, ob es Ratlosigkeit oder Boshaftigkeit sind, wie Politiker in den europäischen Staaten reagierten, die Mehrheit der Menschen in Europa ist darüber erschrocken und verbittert. Da werden heiße Debatten über das Dublin-Abkommen, die Erstaufnahme und Registrierung, die Unterbringung in Kasernen oder Zelten, über die dringend notwendige medizinische Hilfe und vieles andere geführt. Alles muss in das Schema der bisherigen Administration passen. Sonst funktioniert es angeblich nicht. Wenn dann noch einige Ewiggestrige und Neonazis gegen die Flüchtlinge Front machen, ist gar die staatliche Macht überfordert, die innere Sicherheit zu garantieren.
Regierungen in starken Demokratien, die sich bei solchen Herausforderungen so schwach gebärden, machen sich unglaubwürdig, wenn nicht sogar lächerlich, und schaffen Verdruss bei ihren Wählern.
Willkommenskultur schaffen
Gerade Deutschland sollte mit Entschlossenheit und Empathie den Menschen, die mit Leib und Leben, wegen ihrer Religion oder anderem in ihren Herkunftsländern bedroht werden, Asyl gewähren. Die Überprüfung dafür kann gewiss wesentlich verkürzt werden – ebenso wie die Abschiebung derer, die aus sicheren Ländern zu uns kommen wollen, aber keine Chance auf Asyl haben. Alle Deutschen sind gefordert, den Flüchtlingen mit Rat und Tat zu helfen, sie willkommen zu heißen in unserem Land der Freiheit, des Friedens und des Wohlstandes. Niemandem wird da etwas weggenommen; niemand muss Angst haben, dass Gastfreundschaft zu sozialen Spannungen und Konflikten führt. Die Asylbewerber von heute können menschlich, wirtschaftlich und sozial in der Zukunft ein Gewinn für uns alle werden.
EU 28 gefordert
Zugleich ist die Europäische Union gefordert. Alle 28 Staaten sollten sich umgehend zu einem Akt der Solidarität aufraffen, um sich gemeinsam den Flüchtlingen gegenüber zu öffnen. Wenn bislang nur 5 Länder über 50% der Menschen aufnehmen, ist das auf Dauer nicht hinnehmbar. Auf dem nächsten EU-Gipfel müssen deshalb verbindliche Aufnahmequoten für die Flüchtlinge beschlossen werden, um zu einer Lastenverteilung zu kommen. Gegenseitige Schuldzuweisungen führen zu keiner guten Lösung. Auch Angriffe auf Italien, Griechenland und Ungarn verbieten sich. Denn die Dublin-Vereinbarung hat sich längst als Fehlkonstruktion erwiesen. Regierungen, die jetzt ausscheren und sich nicht solidarisch verhalten wollen, sollten auch bei anderen für sie wichtigen Themen in Zukunft nicht mehr auf die Solidarität der Europäer zählen können. Und ihr Verhalten sollte als besonders erbärmlich gebrandmarkt werden – nicht nur mit monetären Poenalen.
Bildquelle: Wikipedia, Jeffrey Sciberras, CC BY-SA 3.0
Die Irrelevanz der Politik
Obwohl die endgültige Überwindung aller Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen, „ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht“ (Zitat: Silvio Gesell), ist es fraglich, ob die „hohe Politik“ diese noch vor dem Jüngsten Tag versteht, weil der Himmel auf Erden…
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html
…nicht nur die allgemeine Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor beendet, sondern auch die politische Seifenoper überflüssig macht:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/12/der-abbau-des-staates.html
Und wer will sich schon gern frühzeitig für überflüssig erklären?
So distanziert auch die Stellungnahme von Herrn Ost zur offiziellen Flüchtlingspolitik
ausfallen mag – entscheidende politische fundamentals werden m.E. nicht offengelegt,
sondern eher maskiert. Deshalb seien an dieser Stelle die folgenden Bedenken nieder-
gelegt:
Erstens:
Über das Mitleid erregende Faktum, dass Tausende „Leib und Leben Rettende“ nach Europa
wollen, vergißt dieser Herr, sich einmal Rechenschaft abzulegen darüber, welchen erbärm-
lichen Zuständen sie entfliehen und wie die Interessen derjenigen darin involviert sind, die
diese im weltweiten Maßstab definieren. Genausowenig kommt zur Sprache, wo die
Stellung der Staaten herrührt und warum im Allgemeinen diese abgrenzende Natur gegen-
über Flüchlingen eingenommen wird.
Zweitens:
Wer „Flüchtlingschaos“ moniert, nimmt Abstand oder gar nicht erst ernst, was er als „Le-
bensrettendes“ vorher den Flüchtlingen zugestanden hat: hier führt auf einmal der
Ordnungsgedanke in der Flüchtlingssache die Feder. Erst recht weit entfernt von dem
Elementaren, seine Haut retten zu müssen, bei welchem erzwungenen Lebensprogramm weitergehende materielle Notwendigkeiten außen vor bleiben, ist, w ie der Herr, an der
Not der Flüchlinge einen ganz anderen, davon sich emanzipierenden Aspekt hervorgehoben haben will: das Modell Europa als Vorbild könne Schaden nehmen.
Drittens:
Zu kritisieren, bei der Fluchtbewegung als „Herausforderung“ führten sich „starke
Demokratien“ als „schwach“ auf, thematisiert die Handlungsfähigkeit der obersten Gewalten
– wo die ohnehin feststehende kärgliche Unterbringung der Asylsuchenden nur das Material
dafür stellt, daran die Regierungen der „Unglaubwuerdigkeit“ zu überführen. Weder wird
die Armseligkeit dessen aufs Korn genommen, was als „Hilfe“ daherkommt (es ist nichts
als schieres Überlebensmittel) noch, welche divergierenden staatlichen Interessen an den
Flüchtlingen, nämlich entweder als bloße nationale Last eingestuft (z.B. In Ungarn) oder
eine bedingte Fürsprache, nicht wegen dieser Notleidenden, sondern anderweitiger
politischer Berechnungen offenbarend, ausgetragen werden (die eingeforderte „Soli-
darität“ mit den Flüchtlingen“ blamiert sich insofern an der schlichten Realität des
staatlichen Umgangs mit Flüchtlingen: die zugrundliegenden nationalen Interessen
als solche bleiben unkritisiert und werden eben bloß von einer höheren politisch-
ethischen Warte aus verurteilt ).
Viertens:
Vollends „unglaubwuerdig“ wird Herr Ost, wenn er darauf sinnt, „den Flüchtlingen
mit Rat und Tat zu helfen“, aber gleichwohl eine Scheidung zwischen „Willkommenen“
und anderen, die es angeblich nicht nötig hätten, bei denen er für Abschiebung plädiert.
Letzteren gesteht er die Hilfe nicht zu, die nicht weniger bekömmlichen Lebens-
verhältnissen in Osteuropa entstammen.
Wer politisch „denkt“, hat mit dem Denken – sofern es das menschliche Zusammenleben im weitesten Sinne betrifft – noch gar nicht angefangen, denn nicht die „hohe Politik“, sondern die Arbeitsteilung erhob den Menschen über den Tierzustand und allein die Qualität der makroökonomischen Grundordnung bestimmt den Grad der Zivilisiertheit, die der Kulturmensch erreichen kann. Die Makroökonomie ist die Basis allen menschlichen Zusammenlebens und das Geld ist die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung.
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2015/09/die-idiotie-vom-unverzichtbaren-zins.html
Nebenbei bemerkt: So genannte „politische Flüchtlinge“ gibt es gar nicht, sondern immer nur Wirtschaftsflüchtlinge. Weil die fehlerhafte (kapitalistische) Makroökonomie prinzipiell ein Heer von Arbeitslosen erzeugt, das bei negativer Außenhandelsbilanz eines Staates umso größer wird, dürfen sich die Staaten mit positiver Außenhandelsbilanz nicht wundern, wenn Flüchtlingsströme die durch die globale Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz erzeugten Missverhältnisse der in jedem Staat „Vielzuvielen“ wieder auszugleichen suchen.
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2015/08/selbstandiges-denken.html