Für eine Entwarnung ist es viel zu früh! Im vergangenen Jahr kamen 890.000 Asylsuchende nach Deutschland, in diesem Jahr könnten es nicht einmal 180.000 werden. Die aktuellen Zahlen, die im September 2016 gerade bei rund 13.000 lagen, werden die heiße, aber unsinnige Diskussion über die Obergrenze gewiss etwas beruhigen. Ebenso sollte die vielfach aufgeheizte Stimmung in Teilen der Bevölkerung angesichts der starken Reduzierung des Zustroms von Flüchtlingen wieder auf die Normaltemperatur sinken. Die geradezu ekelhafte Hetze aus den Reihen von Pegida bis AfD dürfte abebben, weil die objektiven Daten dieser rechtspopulistischen Propaganda widersprechen.
Widerstand gegen dumpfen Chauvinismus leisten!
Allerdings wird etwa die jüngste Volksabstimmung in Ungarn neues Wasser auf die Mühlen dieser selbsternannten Retter des deutschen Volkes und des christlichen Abendlandes bringen, obwohl das nötige Quorum nicht erreicht wurde. Niemand sollte den latent vorhandenen Nationalismus und Chauvinismus unterschätzen, der auf nicht wenige wie die ansteckende Pest wirkt. Die Wahlergebnisse für die AfD in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind mehr als eine starke Warnung – auch vor Fremdenhass, Rassismus und Flüchtlingsfeindlichkeit. Nur mit mehr Entschlossenheit lässt sich unsere Demokratie verteidigen, vor allem unsere Verfassung, die die Unantastbarkeit der Würde des Menschen beinhaltet, ganz gleich ob er Deutscher oder Ausländer, ob er Christ oder Muslim ist. Dies muss als Priorität zu unserer Staatsraison gehören und offensiv wahrgenommen werden. Uns Deutschen steht es wirklich gut an, uns zu unseren humanitären Verpflichtungen offen zu bekennen und so zu handeln.
Umfangreiche asyl- und flüchtlingspolitische Maßnahmen
Ebenso richtig und wichtig sind die jüngsten Maßnahmen, die in der Asyl- und Flüchtlingspolitik auf den Weg gebracht wurden. Auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene ist inzwischen viel erreicht worden, um insbesondere die unkontrollierte Einreise von Flüchtlingen zu vermeiden. Die nachstehende Übersicht macht dies deutlich:
1. Maßnahmen in der EU und in der Türkei
- Weitgehender Stopp der illegalen Migration über die Türkei dank EU-Türkei-AbkommenIllegal aus der Türkei nach Griechenland eingereiste Flüchtlinge werden zurückgeführt. Asylanträge werden im Schnellverfahren geprüft.
Für jeden zurückgebrachten, illegalen syrischen Flüchtling übernimmt die EU auf legalem Weg einen syrischen Flüchtling aus der Türkei.
Für diese Flüchtlinge stehen 72.000 Plätze zur Umsiedlung in die EU bereit.
Die Türkei erhält von der EU bis zu sechs Milliarden Euro, um die Lebensperspektiven der syrischen Flüchtlinge dort zu verbessern. - Schutz der EU-Außengrenzen
- Entlastung der Länder an den EU-Außengrenzen
- Friedenslösung für Syrien
- Asylpaket I
- Asylpaket II
- Verbesserung der Verfahrensabläufe
- Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten
- Verschärfung des Ausländerrechts
- Integrationsgesetz setzt auf Fördern und Fordern
Ein Nato-Marineverband unter deutscher Führung beobachtet Bewegungen von Schleusern in der Ägäis.
Die EU will die Grenzschutzagentur Frontex zu einer richtigen europäischen Grenz- und Küstenwache ausbauen.
Die geplanten Registrierungszentren (Hotspots) haben in Italien und Griechenland ihre Arbeit aufgenommen.
EU-Länder helfen Griechenland mit finanziellen und personellen Mitteln bei der Registrierung, Anhörung und Rückführung der illegal eingereisten Flüchtlinge.
EU unterstützt Griechenland und andere betroffene EU-Länder bei der Bewältigung der humanitären Herausforderung.
2. Internationale Bemühungen
Deutschland bemüht sich weiter intensiv um eine politische Lösung des Konflikts.
Die Bundeswehr beteiligt sich an einer internationalen Allianz, um den IS- Terror zurückzudrängen.
Eine internationale Geberkonferenz hat mehr als neun Milliarden Euro eingesammelt, um syrischen Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Deutschland gibt 2,3 Milliarden Euro. Es ist eine der größten Zusagen ihrer Art in der UN- Geschichte.
3. Nationale Beschlüsse
Asylverfahren werden beschleunigt.
Vorrang von Sach- vor Geldleistungen in Erstaufnahmeeinrichtungen;
Abschiebungen werden nicht mehr angekündigt.
Verschärfung der Strafbarkeit von Schleusern;
Änderungen im Baurecht erleichtern Unterbringung von Asylbewerbern.
Familiennachzug für bestimmte Gruppen eingeschränkt;
Aufbau von Aufnahmezentren zur Verfahrensbeschleunigung für Migranten ohne Bleibeperspektive;
Leistungsbezug nur am Zuweisungsort;
Einschränkung der Abschiebehindernisse aus gesundheitlichen Gründen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet effektiver: Von den 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen sind inzwischen 820.000 registriert. Bis einschließlich Juli 2016 konnte das Amt 336.051 Anträge entscheiden. Das ist schon jetzt deutlich mehr als im Gesamtjahr 2015. Die Bearbeitungsdauer hat sich auf fünf bis sieben Monate verkürzt.
Die Zahl der Mitarbeiter wird im Laufe des Jahres mehr als verdoppelt: von 3.500 auf gut 7.000.
Der neue fälschungssichere Flüchtlingsausweis ermöglicht eine zentrale Datenerfassung. Er ist Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen.
Flüchtlinge werden grenznah registriert und erkennungsdienstlich behandelt. Hunderttausende von Registrierungen wurden nachgeholt.
Datenaustausch der Behörden erleichtert Steuerung von Aufnahme und Integration.
Gesetzliche Vermutung, dass Asylbegehren von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern unbegründet sind, beschleunigt Verfahren.
Einstufung der Westbalkan-Staaten als sichere Herkunftsländer führt zu deutlichem Rückgang der Flüchtlingszahlen von dort.
Der Bundestag hat die Erweiterung der Liste um Marokko, Algerien und Tunesien beschlossen. Das Gesetz liegt wegen der Blockade der Grünen im Bundesrat auf Eis.
Marokko, Algerien und Tunesien haben eine bessere Zusammenarbeit bei der Rückübernahme ihrer Staatsbürger zugesagt.
Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge können bereits nach der Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe –-selbst auf Bewährung- ihren Schutzstatus verlieren.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge informiert die Staatsanwaltschaft frühzeitig über Straftaten.
Die Hürden für Abschiebungen wurden gesenkt. Bis Ende Juli 2016 haben über 50.000 Migranten Deutschland wieder verlassen, rund 35.000 freiwillig.
Arbeit ist die beste Integration: Der Bund schafft 100.000 Arbeitsgelegenheiten, Geduldete erhalten Bleiberecht für die Dauer der Berufsausbildung, Verzicht auf Vorrangprüfung in bestimmten Regionen.
Mehr Kapazitäten bei Integrationskursen;
Erleichterte Niederlassungserlaubnis bei nachweislich erbrachten Integrationsleistungen;
Leistungskürzung bei Ablehnung von Integrationsmaßnahmen oder Mitwirkungspflichten;
Wohnsitzzuweisung zur Vermeidung von Problemen in Ballungszentren.
Integration: Keine Einbahnstraße!
Diese Maßnahmen machen deutlich, dass sich eine Situation wie im Jahre 2015 mit einem weitgehend unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen nicht wiederholen kann. Allerdings muss noch alles darangesetzt werden, um in Europa zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Die Länder an den EU-Außengrenzen dürfen mit der Bewältigung der Flüchtlinge nicht allein gelassen werden. Alle EU-Staaten müssen sich vielmehr bei der Aufnahme von Flüchtlingen in die Pflicht nehmen lassen. Zudem muss alles getan werden, um die Fluchtursachen „vor Ort“ zu bekämpfen, das gilt insbesondere auch für eine aktive Politik in Afrika. Ebenso stellt die Integration von Migranten eine der größten Herausforderungen in unserem Lande dar. Dazu bedarf es einer großen Offensive in der Öffentlichkeitsarbeit, um deutlich zu machen, dass Integration nicht auf einer Einbahnstraße stattfinden kann, dass das Miteinander das Nebeneinander übertreffen muss, dass das Fordern und Fördern die Leitmaxime im Hinblick auf die Migranten werden sollte. Für die Vermittlung unserer Werte, insbesondere der wichtigen Artikel unseres Grundgesetzes, und unserer Rechtsordnung müssen passende interkulturelle Konzepte entwickelt werden, die den Migranten die deutsche Leitkultur, unser Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftssystem nahebringen. Viele leisten dafür bereits gute Dienste – von der Bundeszentrale für politische Bildung bis hin zum DFB, der sich über seine zigtausend Fußballclubs engagiert, damit diese auch für Flüchtlinge zu Heimatvereinen werden.
Bildquelle: Wikipedia, An-d. Erstaufnahmelager Jenfelder Moorpark. CC BY-SA 3.0