Im Endspurt dieser Legislaturperiode haben die Bundesregierung und die Koalition von CDU, CSU und SPD im Bundestag die Meilensteine auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 beschlossen. Damit mögen die Politiker den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts, Nachhaltigkeit im Klimaschutz für die heute jüngere Generation anzustreben oder gar zu garantieren, durchaus Genüge getan haben. Doch bestehen berechtigte Zweifel, ob diese ehrgeizigen Ziele in der realen Energiewelt überhaupt zu erreichen sind.
Unsicherheit der Stromversorgung
Fast unisono setzen die Politiker fast aller Parteien auf mehr regenerative Energie, vor allem auf Wind- und Solar-Strom. Diese Energieträger liefern jedoch nur sehr diskontinuierlich, in Zeiten der Dunkelflaute fast gar nichts. An den aktuellen Daten wird dies nur zu deutlich: In den ersten sechs Monaten diesen Jahres erreichte der Anteil an der gesamten Elektrizität, die aus Sonne, Wind und anderen sanften Energiequellen gewonnen wurde, 43 % des Stromverbrauchs in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2020 waren es noch 50 %. Diese Zahlen hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft gemeinsam mit dem Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg gerade aktuell vorgelegt. Mit 43 % oder auch 50 % wird die Grundlast des Stromnetzes in Deutschland wohl nicht zu jeder Tag- und Nachtzeit stabil zu sichern sein.
Gas für die Überbrückung ?
Um die gegenwärtigen Lücken zu schließen, müssen schon heute die Ingenieure in den Stromschaltwarten wahre Kunststücke vollbringen. Denn sie müssen die Lücken mit Strom aus regelbaren Kraftwerken, also aus Kohle-, Gas- und Atom-Meilern schließen. Deutschland will jedoch Aussteiger-Champion werden: Ende 2022 wird das letzte CO2-freie Atomkraftwerk hierzulande vom Netz genommen. Spätestens in 17 Jahren werden wir die Kohleverstromung beenden.
Dann sollen Gaskraftwerke in großem Umfang den dringend benötigten Strom liefern. Der Widerstand gegen die CO2-Emissionen bei der Kohle wird immer größer; nicht wenige drängen auf einen schnelleren Ausstieg. Beim Einsatz von Gas entstehen Emissionen von Methan, das Experten als gefährlichere Umweltbelastungen als CO2 einstufen. Ohne eine staatliche Garantie der Rendite für die Investitionen in neue Gaskraftwerke werden die Energieerzeuger sich zunächst nicht als Lückenschließer aktivieren lassen. Denn die Milliarden für die Investitionen müssen sich amortisieren, was bei einer nur wenig kalkulierbaren Abnahme von Strommengen außerordentlich schwierig ist. Zudem steht zu befürchten, dass grüne Politiker und deren Gefolgschaft schon bald nach der Stilllegung der Kern-und Kohlekraftwerke auch gegen den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung Front machen werden. Unter der Führung von Annalena Baerbock gab es bereits Widerstand gegen die Pipeline Nordstream 2, die für die Lieferung von Gas aus russischen Quellen gebaut und für die sichere Energieversorgung hierzulande wie in andern europäischen Staaten wichtig ist.
Unzuverlässigkeit von Wind und Sonne
Die konkreten Zahlen für das 1. Halbjahr 2021 spiegeln die Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit der Stromlieferungen aus regenerativen Quellen wider. Ein leichtes Plus von 2 % ergab sich bei der Nutzung der Sonnenenergie. Dagegen ging die Stromerzeugung aus offshore- und onshore-Wind um 20 % zurück. Das Wetter lässt sich eben nicht steuern.
Doch alle Stromkunden, ob in Privathaushalten, ob in Unternehmen oder sonstwo verlangen Kontinuität bei der Deckung ihres Strombedarfs, nämlich jederzeitige Lieferung zu bestimmter Voltstärke. Das dürfte in der nächsten Zeit jedoch immer schwieriger werden. Denn es fehlen große Speicherkapazitäten für Elektrizität – wie etwa Pumpspeicherwerke. Und der Ausbau der großen Stromautobahnen wie etwa die Leitungen von der windreichen Nordseeküste in die Ballungsregionen der Republik mit besonders hohem Strombedarf – verläuft nach wie vor allzu stockend. Selbst gegen die superteure unterirdische Verkabelung wird von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern demonstriert oder sogar vor Gericht geklagt.
Ehrgeizige Klimaschutzziele
Das neue Klimaschutzgesetz gibt sehr ehrgeizige Ziele vor: Bis zum Jahre 2030 sollen die Emissionen gegenüber 1990 um 65 % reduziert werden; zuvor waren es 55 %. Für 2040 sind gar 88 % das Verminderungsziel; und im Jahr 2045 soll Deutschland die völlige Klimaneutralität erreicht haben. Der reale Weg zu diesen klimapolitischen Meilensteinen wird nicht nur ambitioniert, sondern sehr hindernisreich sein. Denn allein bis zum Jahr 2030 ist es erforderlich, mindestens 70 % des Stroms aus regenerativen Quellen zu erzeugen. Das macht es notwendig, dass der Zubau von Photovoltaikanlagen mindestens verdoppelt und die Zahl der Windkraftanlagen gar verdreifacht werden müssen. Derzeit sind bereits rund 1.000 Bürgerinitiativen in Deutschland aktiv, protestieren in vielen Gegenden gegen neue Solarparks und Windräder. Sie wehren sich gegen die Eingriffe in die Landschaft, sie machen negative gesundheitliche Folgen geltend, sie wollen Rotmilane, Schweinswale und andere Tiere schützen. Doch „sanften, grünen Strom“ wollen die meisten auch beziehen.
Die grünen Energiephilosophen
Bislang tun sich fast alle Politiker schwer, diese Widersprüche aufzulösen. Insbesondere die Führung der Grünen, von Baerbock bis Habeck, fordert immer noch ehrgeizigere Ziele beim schnellen Ausbau von Anlagen für die Gewinnung regenerativer Energie. Gegen Kernenergie, Kohle und Gas, auch gegen die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO2 werden Organisationen wie NABU und BUND mobilisiert. Der Beitrag zur Lösung der Konflikte fehlt bei den Heiligpredigern indessen völlig.
Sowohl die Politiker der CDU und CSU als auch viele in der SPD bemühen sich um Kompromisse, mit denen die Klimaschutzziele erreicht und zugleich auch Unternehmen wie Arbeitsplätze gesichert werden können. Sie wollen eine lebendige Wirtschaft in einer lebenswerten Umwelt gestalten, ökonomischen und ökologischen Wohlstand auf einen Nenner bringen.
Dies wird nur möglich sein, wenn vor allem die Strompreise nicht noch stärker als bisher schon steigen. Wenn viele Firmen, die bereits heute vom Strompreisschock getroffen werden, in großer Zahl ihre Produktion in andere Länder verlegen werden, beschert dies gleich mehrere Nachteile für Deutschland: Weniger Wertschöpfung, geringere Steuereinnahmen, vor allem auch ein Abbau von Arbeitsplätzen. Ohnehin übertreffen die Energiekosten vieler Betriebe schon jetzt die Lohnkosten. Mit der gefälligen Grünen-Philosophie wird der Klimaschutz zum Blindflug für die Wirtschaft und für die privaten Haushalte.
Deutschland war viele Jahre lang Nettoexporteur von Strom. Das dürfte sich bereits in einiger Zeit ändern – mit Stromimporten aus Nachbarländern, die ihre Atomkraftwerke, so unsicher sie auch sein mögen, am Netz halten. Insbesondere wird auch die Umstellung auf grünen Wasserstoff nur mit Einfuhren aus Ländern gelingen, in denen Strom aus kostengünstigen Quellen reichlich erzeugt wird. Trotz aller Bemühungen, Strom zu sparen und die Energieeffizienz zu erhöhen, wird der Stromverbrauch steigen: Nicht zuletzt wird für Elektroautos, für den IT-Sektor mit riesigen Computeranlagen, für’s Heizen und Kühlen von Gebäuden, für strombasierte Kraftstoffe und vieles mehr elektrische Energie mehr denn je gebraucht. Wenn Deutschland mit seiner Energiewende nicht vor die Wand fahren soll, muss die nächste Bundesregierung einen Weg aus der Sackgasse finden, in der wir inzwischen gelandet sind. Die Energie wird zu einem Schicksalsproblem der Nation, das indessen nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern gelöst werden kann.
Ja – es ist schon ein Dilemma, dass man sich voreilig aus der Kernenergie verabschiedet hat. Durch den übereilten Atomausstieg müssen die Stromlücken, die Wind und Sonne hinterlassen, durch fossile Kraftwerke ersetzt werden. Dies bedeutet, dass ab dem Jahr 2021 rund 30 Millionen, ab 2022 sogar 65-75 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich emittiert werden müssen. Pro Jahr!
Und jetzt knabbern die Grünen Politiker aller Parteien daran, wie sie hier ohne Gesichtsverlust wieder rauskommen sollen. Vielleicht sollten sie mal über ihren Schatten springen?
In einem Gaskraftwerk wird Methan als Brennstoff eingestzt, das zu Wasser und Kohlendioxid verbrennt. in einem gut geregelten Gaskraftwerk ist Methan im Abgas nur in Spuren vorhanden. Der große Vorteil v.a. von kombinierten Gas-Dampfkraftwerken ist der sehr hohe Wirkungsgrad von 60% und die Tatsache, dass bei der Verbrennung 2 Teile Wasser und nur 1 Teil umweltschädliches Kohlendioxid anfallen Aber kein Methan.