Der im sächsischen Heidenau vor einer provisorischen Unterkunft versammelte Mob verstößt nach Meinung der Kanzlerin gegen „die Würde“ Deutschlands. Welch ein sanfter Tadel schwingt da mit. Was Angela Merkel geflissentlich übersieht, dass es mit einem Verstoß gegen Würde gar nichts zu tun hat, wenn Menschen, die als Flüchtlinge durch die Hölle eines Bürgerkrieges gegangen sind, und in Deutschland auf Hilfe und Sicherheit hoffen, von aufgehetzten Krakeelern angegriffen, rassistisch beleidigt und in ihrer körperlichen Integrität verletzt werden. Das ist kriminell und sollte das Gewaltmonopol des Staates herausfordern und durch den Einsatz von Polizei sollte Sorge getragen werden, die Gewalttäter dingfest zu machen. Auch im Gespräch mit dem französischen Staatspräsidenten war die Hoffnung vergeblich, von ihr mehr als angeekeltes Murmeln zu vernehmen. Ein klarer Hinweis auf den wehrhaften und wehrfähigen demokratischen Rechtsstaat jedenfalls war das nicht.
Nichts davon war auch in Heidenau spürbar. Von den Gewalttätern, die aggressiv und rücksichtslos auch gegen die wenigen Polizisten vor Ort vorgingen, wurde gerade mal einer festgesetzt. Die Mehrheit derer, die da unter Aufsicht und Führung der NPD und rechtsradikaler Schlägertrupps aufmarschiert waren, blieb unbehelligt. Angeblich habe die Polizeiführung die Massivität der Angriffe nicht vorhersehen können und ebenso nicht die in die tausend gehende Zahl derer, die verhindern wollten, dass die schnell hergerichtete Unterkunft von den Flüchtlingen auch bezogen werden konnte.
Was muss in den Menschen vorgegangen sein, in den Kindern vor allem, die von Krieg und Flucht gezeichnet, auf Ruhe hofften, die vielleicht sogar Verständnis für ihre heillose Lage erwarten konnten? Nein, die Worte der Kanzlerin, die in ihrem Sommerinterview im ZDF sprachlich ungenau und an der Sache vorbei, den Allgemeinplatz fertig brachte, dass uns „die Fragen, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, wie wir mit unseren afrikanischen Nachbarn umgehen(…) sehr viel mehr noch beschäftigen werden als die Frage Griechenland und die Stabilität Europas“. Verquaster geht es fast nicht. Dabei wurde in Heidenau nur klar, welche Versäumnisse die sächsische Politik im Umgang mit „besorgten Bürgern“, die man nicht allein lassen dürfe, denen Politik sich annehmen müsse, zu verantworten hat, statt den egoistischen Wutbürgern von Dresden, die sich dort als PEGIDA versammelten, nach dem Mund zu reden.
Ebenso wird zunehmend deutlich, dass in den Polizeien der Länder – und nicht nur bei den Verfassungsschützern Thüringens und Sachsens – auch in Brandenburg, oder Niedersachsen oder in Berlin, zunehmend der Eindruck besteht, dass es einzelne Beamte und wohl auch erste Zellen gibt, in der rassistisches Denken und rechtsextreme Sympathisanten zu finden sind. Der Bundesinnenminister zeigt deutlich in dem Staatenbericht, den die Bundesregierung kürzlich der Antirassismus-Kommission der Vereinten Nationen zusandte, dass er aber institutionellen Rassismus nicht wahrhaben will. Im Gegensatz dazu wird in dem Bericht betont, dass die bei der kläglichen Aufklärung der NSU-Morde deutlich gewordenen Schwächen damit zu tun gehabt hätten, dass es ausschließlich an der Zusammenarbeit der Bundesländer gehapert habe. Das sei jetzt überwunden.
Mit Verlaub, dass diese Lebenslüge durchgehen konnte, ist für sich schon skandalös. Denn die Zusammenarbeit von Polizei in Bund und Ländern hatte glänzend funktioniert und mündete in der größten Sonderkommission in der Geschichte der Bundesrepublik, die als „Soko Istanbul“ den Fehler bereits im Namen trug: das gemeinsame rassistische Vorurteil der ermittelnden Beamten. Bis heute leiden die Familien der Ermordeten unter den jahrelangen Verdächtigungen der Poizei, die eigenen Väter, Söhne oder Brüder ermordet zu haben. Eine Entschuldigung steht noch immer aus.
Es wird also Zeit, sich jede Nachlässigkeit im Umgang mit dem rechten Extremismus zu versagen. Die Politik muss hier klare Kante zeigen. Die CSU ist aufzufordern, ihre rechtspopulistischen Ausfälle einzustellen, wenn sie nicht die große Koalition mit der SPD gefährden will. Eine solche Klarheit in der Sache fehlt bislang. Es ist zu hoffen, dass bei den Sozialdemokraten der Mut und die historische Selbstverständlichkeit dazu vorhanden sind.
Bildquelle: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY SA 3.0