Demokratie lebt vom Wechsel. Dieser richtige Satz wird immer dann von der Politik ins Feld geführt, wenn eine Partei eine Wahl verloren hat. Und das ist gut so. Dann bedenken die Politiker auch, dass ihre Arbeit endlich ist, weil irgendwann ein anderer gewinnt und sie ablöst. So ist das im Bund, so im Land und in den Städten.
Dass die SPD in Bonn nach 21 Jahren den Chefsessel im Rathaus verlassen muss und dort ein Mann Platz nehmen darf, der indische Vorfahren hat, ist für die Stadt am Rhein, die gern international sein will und offen und tolerant, kein schlechtes Zeichen. Ashok-Alexander Sridaran heißt der neue Bonner OB. Man muss sich an den Namen erst gewöhnen. Der SPD-Verlierer, Peter Ruhenstroth-Bauer, ehemaliger Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, wird die schwere Niederlage verschmerzen. Es mag sein, dass seine Partei nicht geschlossen hinter ihm stand, aber das ist nur die eine Seite der Medaille.
Die wahren Gründe für die Klatsche der SPD liegen weit zurück, vor allem kann sich Ruhenstroth-Bauer bei seiner Amts-Vor-Vorgängerin Bärbel Dieckmann bedanken. Unter ihrer Führung als Bonner Oberbürgermeisterin ist der Schlamassel mit dem WCCB geplant worden, unter ihrer Führung fiel die Stadtspitze auf einen Namen als Investor herein, ohne zu überprüfen, ob Herr Hyundai wirklich Chef des Welt-Auto-Konzerns Hyundai war. Er war es natürlich nicht und konnte fortan die Investitionen in dieser Höhe nicht leisten. Wie naiv muss man denn sein, wenn man ein so teures Objekt stemmen will, um der Bundesstadt Bonn nach dem Verlust des Regierungs- und Parlamentssitzes eine neue Zukunft zu geben?!
Und dann die Schuldfrage. Sicher, es waren viele dabei, die von der Idee einer Kongress- und Wissenschaftsstadt Bonn mit internationalem Flair besoffen waren. Einige wurden ja auch angeklagt, Bärbel Dieckmann nicht. Sie war bei der Pleite des Projektes, das nach jahrelangem Baustillstand erst vor wenigen Monaten fertig gestellt werden konnte, längst aus dem Amt in Bonn und in ein neues geschlüpft und steht der Welthungerhilfe vor. Der Kommentator des Bonner Generalanzeigers hatte schon Recht, als er vor einigen Wochen Dieckmann vorhielt, zumindest die politische Verantwortung hätte sie übernehmen müssen. Diese Zeche hat nun Peter Ruhenstroth-Bauer gezahlt, was den Erfolg des CDU-Kämmerers aus Königswinter nicht schmälern soll. Aber Ruhenstroth-Bauer hatte keine Chance.
Die Zeit der Erbhöfe ist längst vorbei
Es gab für die SPD neben Siegen in Leverkusen und Neuss weitere Schlappen der Sozialdemokraten, darunter die heftige Niederlage in Oberhausen, mitten im Revier. Nach 60 Jahren steht nunmehr kein SPD-Mann an der Spitze dieser Stadt, in der einst NRW-Finanzminister Heinz Schleußer lebte, ein Mann, der auf dem Hüttenwerk in Oberhausen gelernt hatte, ein früherer Gewerkschafter, so wie es viele waren in der SPD des Ruhrgebiets. Lange her und vorbei wie die Zeit der Kohle. 60 Jahre sind genug, ein demokratischer Wechsel ist zu begrüßen und dem neuen OB alles Glück zu wünschen. Der Grund der SPD-Schmach liegt in den eigenen Reihen, wo sich Sozialdemokraten seit Jahr und Tag bekämpfen. Streit und fehlende Geschlossenheit mag der Wähler nicht. Und die SPD hat in Oberhausen die Erfahrung gemacht, dass selbst in Oberhausen die Zeit der politischen Erbhöfe Geschichte ist. Früher, ja früher konnten sie einen Besenstil in den Wahlkampf schicken, es musste nur SPD drauf stehen. Das war mal. Aus.
Ähnlich die Lage in Essen, wo der Amtsinhaber Reinhard Paß schon lange vor der Wahl intern bekämpft worden war, so von der stellvertretenden Landesvorsitzenden der Partei, Britta Altenkamp, die zugleich SPD-Parteichefin Essen ist. „Reinhard Paß ist für den OB-Posten die falsche Person“. Er sei „nicht dialog- und kompromissfähig“. Die fünf OB-Jahre mit Paß seien „Jahre voller Enttäuschungen“, bilanzierte Frau Altenkampf. Wen wundert es, wenn Paß in einer solchen Situation gerade noch die Stichwahl erreichen konnte. Ob daraus mehr wird, entscheidet der Wähler in zwei Wochen.
Auch in Köln ist ein Wechsel möglich
Essen hat die CDU schon einmal gewonnen, so 1999, bei jener Kommunalwahl, wo die SPD im Grunde landesweit und vor allem in ihren Hochburgen im Revier abgestraft worden war, weil die SPD verbraucht war, in den Ämtern verschlissen, dauernd mit Vorwürfen des roten Filzes zu kämpfen hatte. Vergessen? In Bochum geht der SPD-Kandidat zwar als Favorit ins Rennen, aber eine Stichwahl ist eine Wahl, die man nicht von vornherein gewinnt. Auch hier wird die Frage sein, inwieweit die zerstrittene SPD in der Lage ist, an einem Strang zu ziehen.
Und dann kommt noch im Oktober die Wahl in Köln, der größten Stadt des Landes. Hier musste der Wahltermin verschoben werden, weil die Wahlzettel nicht korrekt waren. Eine Lachnummer ist das, aber so ist das in Köln, wo die SPD den OB stellt und wo es immer wieder Ungereimtheiten gibt, den Kölner Klüngel und anderes mehr. Und oft ist die SPD dabei. Das war so in der Vergangenheit und das ist heute nicht anders.
Dabei ist es sicher kein Ruhmeszeichen der CDU, wenn sie in der Stadt, in der einst Konrad Adenauer Oberbürgermeister war, keinen eigenen Kandidaten auf die Beine stellen kann und sich hinter einer parteilosen Henriette Reker, der Sozialdezernentin, verstecken muss. Allein traut sich die CDU offensichtlich den Machtwechsel in der Domstadt nicht zu, also hat man sich mit den Grünen und der FDP zusammen getan und Frau Reker als gemeinsame Kandidatin für das Amt des OB nominiert. Gegen den SPD-Politiker Jochen Ott, Mitglied des Landtags und Parteivize der Landes-SPD, ein Mann, der in der SPD sehr umstritten ist.
Ein Warnschuss an die Adresse der SPD
Hannelore Kraft(SPD), die Ministerpräsidentin und SPD-Landesvorsitzende, hat das Ergebnis der Kommunalwahl als bitter für die SPD bezeichnet. Wenn die SPD Oberhausen verliert, Bonn dazu, vielleicht sogar Essen und in ein paar Wochen möglicherweise Köln, sagt das schon etwas aus. Dann ergibt sich daraus ein Stimmungsbild für die Lage in NRW, wo in zwei Jahren die nächste Landtagswahl stattfindet. Und diese Lage ist für die SPD im Land alarmierend. Man darf ein paar Jahre zurückgehen, als die SPD nach 39 Regierungsjahren die Macht im Lande an die CDU verlor. Auch diesem Wechsel ging ein paar Jahre zuvor eine Kommunalwahl voraus mit schweren Schlappen für die SPD in den großen Ruhrgebietsstädten wie Duisburg und Essen.
Jürgen Rüttgers(CDU) wurde Ministerpräsident, er konnte sich aber nur eine Legislaturperiode im Amt halten und wurde 2010 wieder abgewählt, abgelöst von Hannelore Kraft, die ihre Position bei der vorgezogenen Landtagswahl 2012 ausbauen konnte. Hannelore Kraft genießt große Beliebtheit im Lande, während der CDU-Herausforderer Armin Laschet eher blass wirkt, ein Mann, vor dem kein Mikrophon sicher ist und der eher für alles und nichts steht. Und doch konnte die CDU jetzt Bonn erobern und Oberhausen und wer weiß, was noch kommt bei der Stichwahl.
Es war eine Kommunalwahl. Aber die Ergebnisse waren vor allem ein Warnschuss an die Adresse der regierenden Landes-SPD.
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