Wir regen uns zu Recht auf über die Versuche der polnischen Regierung, die Justiz stärker in den Griff der Politik zu nehmen, heißt, ihre Unabhängigkeit von der Politik zu hintertreiben. Ein Grundpfeiler der Demokratie. Die Politik darf die Justiz nicht strangulieren, ihr nicht die Luft zum Atmen nehmen. Auch in Ungarn darf trefflich an der Unabhängigkeit der Justiz gezweifelt werden. Und in Deutschland, in Bayern, der Vorstufe zum Paradies, wie das Ex-Ministerpräsident Horst Seehofer einst formulierte? Ein Bericht auf der Seite München.Bayern der „Süddeutschen Zeitung“ in der Mittwoch-Ausgabe des renommierten Blattes(22. Juni 2022) weckt beim Leser erhebliches Misstrauen. „Rücksichtsvolle Ermittler bei teurem Maskendeal“ lautet der Titel des Aufmachers der Seite. Und in der Unterzeile ist dazu erklärend zu lesen: „Die Staatsanwaltschaft München I hat das bayerische Gesundheitsministerium sehr zuvorkommend behandelt, als es um den Verdacht der Verschwendung von Steuergeld geht. Zwei Zeugen aus dem Ministerium haben sogar ihre Stellungnahmen vorab untereinander ausgetauscht.“ So steht es wörtlich in der SZ.
Maskendeal von Millionen Euro
Bei dem Maskendeal geht es um Millionen Euro, um Geschäfte mit der Not der Menschen. Im Mittelpunkt stehen die in Bayern bekannten Namen Tandler, Hohlmeier. Andrea Tandler ist die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und Ex-Ministers Gerold Tandler, ein Strauß-Spezie in der Zeit, als Franz-Josef Strauß noch das Sagen hatte in der CSU, in Bayern, und der Gerold Tandler in finanzielle Geschäfte des CSU-Allmächtigen verwickelt war. Auch der Name Zwick gehört hierhin, der einstige Bäderkönig, wenn man über die Spezl-Wirtschaft im Freistaat redet. Andrea Tandler hatte sich, um eineTür ins bayerische Gesundheitsministerium für ihre Masken-Geschäfte zu öffnen, ihrer feinen Kontakte zur Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, der CSU-Europa-Abgeordneten, bedient. Diese will aber quasi unentgeltlich gehandelt haben. Es ging, schreibt die Zeitung, unter anderem „um den Kauf von sündhaft teuren FFP2-Masken für 8,9 Millionen Euro durch das Gesundheitsministerium im März 2020 bei der Schweizer Handels-Firma Emix, vermittelt durch die Münchner PR-Unternehmerin Andrea Tandler“.
Es sind Maskengeschäfte, die der CSU schwer zu schaffen machen, so die SZ. Im nächsten Jahr sind Landtagswahlen im Freistaat und Ministerpräsident Markus Söder(CSU) muß um seine Regierungs-Mehrheit mit den Freien Wählern kämpfen. Die absolute Mehrheit der CSU, in früheren Zeiten garantiert, scheint ohnehin dahin zu sein. Schneidet er schwächer ab als beim letzten Mal, könnte die CSU versucht sein, sich nach einem erfolgreicheren Nachfolger für den Franken umzusehen. Unumstritten ist Söder schon lange nicht mehr. Dass er quasi im Alleingang vor Jahresfrist dem Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet die Tour vermasselte, indem er pausenlos dessen Kompetenz in Frage stellte, weil er sich selber für den Größten hält, ist nicht vergessen.
Sehr schonend die Staatsanwaltschaft
Die kritische Berichterstattung in der SZ dürfte der Justiz und auch der Politik im Magen liegen. Da fragt der SZ-Autor zu den Ermittlungen, „warum die sonst gerade auch bei genau diesem Maskendeal so zupackende Staatsanwaltschaft München I sehr schonend mit dem Gesundheitministerium umgegangen ist.“ Man stelle sich das mal vor, was die SZ beschreibt: der Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst, Leiter der Staatsanwaltschaft München I, musste im Landtdag auftreten, aber nicht, um Fragen zu stellen, sondern um Fragen zu beantworten zu den Ermittlungen in besagter Maskenaffäre. Ermittlungen, die in einer „speziellen Hinsicht ganz anders verlaufen sind, als das üblich ist.“ Gemeint der schonende Umgang der Behörde mit dem Ministerium. Es weckt doch einfach Verdacht, wenn befragte Zeugen ihre ergänzenden schriftlichen Aussagen untereinander austauschen können, ehe die Papiere zur Staatsanwaltschaft gelangen. Der SZ-Autor urteilt zu Recht, dass die ganze Geschichte sowohl das Ministerium als auch die Staatsanwaltschaft „nicht besonders gut aussehen lassen.“
SPD-Landes- und Fraktionschef Florian von Brunn hat die Vermutung geäußert, beim Emix-Masken-Deal sei Staatsgeld veruntreut worden. Er stellte deshalb Strafanzeige, der folgte dann das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft. Und nun passierte etwas, was den SZ-Autor- und nicht nur ihn- stutzig gemacht hat. Behördenchef Kornprobst eilte zur „vorbereitenden informatorischen Befragung ins Gesundheitsministerium“ und bestellte nicht, wie das üblich ist, die Gesprächspartner zu sich in die Behörde ein. Dort traf er auf drei Beschäftigte des Ministeriums, darunter auch Ministerialrätin Tanja Decker und Ministerialdirigent Markus Theuersbacher, die sich im Gesundheitsministerium Anfang 2020 um die Beschaffung der damals dringend benötigten Corona.Masken gekümmert hatten. Decker wechselte später in die Staatskanzlei von Markus Söder. Die Zeugen wurden dann nicht einzeln, sondern im Beisein ihrer Vorgesetzten befragt. Was sehr ungewöhnlich ist, weil es Absprachen oder Einflussnahmen ermöglicht.
Die Zwischenzeile der Münchner Zeitung zu diesem Vorfall beschreibt den Vorgang genau: „Die gleichzeitige Befragung der zwei Zeugen im Beisein ihres Chefs wirkt ziemlich befremdlich.“
Man muss den Bericht in der SZ einfach weiterlesen, ganz langsam den Bericht auf sich wirken lassen. Da liest man die Vermutung des Grünen-Abgeordneten Florian Siekmann, zugleich Vizechef des Untersuchungs-Ausschusses, es sei „Deckers Aussage um den politisch brisanten Punkt mit der CSU-Abgeordneten Hohlmeier geglättet“ worden. (Dieser Punkt, warum das Angebot von Tandler als vertrauenswürdig eingestuft wurde, lautet laut Decker: „Frau Tandler hatte meine Kontaktdaten von MdEP MOnika Hohlmeier“)Später fehlte dieser Aspekt, schreibt die SZ. Der Zeuge Theuersbacher widersprach, so die SZ. Er habe keinen Einfluss auf Deckers schriftiche Aussage genommen, überhaupt sei ihm nicht bekannt, dass „jemand Einfluss genommen hat.“ Er halte das für schlichtweg ausgeschlossen.
Keine Verschwendung von Staatsgeld
Die Staatsanwaltschaft München I hat ihre Ermittlungen im Fall Emix, soweit sie das Gesundheitsministerium betreffend, längst eingestellt, noch vor der Bundestagswahl im September letzten Jahres. Begründung laut SZ, „angesichts der Masken-Notlage zu Beginn der Pandemie sei der Kauf der Emix-Ware keine Verschwendung von Steuergeld gewesen.“ Sollte jemand auf die Idee kommen, wegen der merkwürdigen Ermittlungen im Maskendeal von einer Bananenrepublik zu sprechen, dann weise ich das mit Abscheu und Empörung zurück.
Ich würde den vorzüglichen Bericht des SZ-Kollegen Klaus Ott als Arbeitsmaterial jedem Journalisten-Nachwuchs empfehlen.
Quelle: „Süddeutsche Zeitung“. Seite München.Bayern. Mittwoch, 22. Juni 2022.