Was für eine Zeit, Mitte bis Ende der 70er Jahre. Willy Brandt regiert nicht mehr, Helmut Schmidt tut es. In Polen formiert sich Widerstand gegen die kommunistische Staatspartei. In Großbritannien wird Margaret Thatcher gewählt und in Moskau bereitet die Führung der KPdSU unter Breschnew einen Einmarsch in Afghanistan vor. In diesen Jahren kommt Uwe – Karsten Heye nach Bonn, er ist Mitte 30. Das Land ist noch immer geteilt, 30 Jahre schon. Trotz aller Entspannungsversuche zwischen Bonn, Moskau, Warschau, Prag und Ost – Berlin. Der Journalist Heye, Bonner Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, wird Pressereferent und Redenschreiber des Friedesnobelpreisträgers. Er lernt die damaligen Akteure in der Baracke kennen, so hieß das Erich – Ollenhauer – Haus , die SPD – Parteizentrale im politischen Jargon der kleinen bundesrepublikanischen Hauptstadt. Es ist eine spannende Zeit in Europa. Die deutsch – französische Freundschaft vertieft sich durch den Sozialdemokraten Schmidt und den Konservativen Giscard d `Estaing. Es sind auch die Zeiten der Publizisten Jürgen Leinemann und Martin Süsskind, der jungen Ulrich Wickert und Klaus Bednarz, harter journalistischer und politischer Auseinandersetzungen. Uwe Karsten Heye und ich haben uns in diesen Jahren in Bonn getroffen, wohin ich aus Bremen gekommen war.
Nun wird, ist und bleibt er erst einmal 80 Jahre alt. Bonn ist lange her und nicht mehr Hauptstadt. Sie hat Heye, über die Jahre mal Autor für ARD und ZDF, auch Redakteur bei „Kennzeichen D“, 1990 in Richtung Hannover verlassen. Er wird Regierungssprecher des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Und als der die Kanzlerschaft erringt 1998, mit dem Grünen Joschka Fischer die erste rot-grüne Bundesregierung bildet, wird er vier Jahre Schröders Regierungssprecher.
Der Platz reicht hier für meinen schriftlichen Glückwunsch nicht aus, ausführlicher seinen politischen Weg, seine publizistischen Stationen aufzuzeigen, einige habe ich kurz erwähnt. Vielleicht nur noch dies: Nach vier Jahren verlässt er freiwillig das Kanzleramt und wird Generalkonsul in New York. Dann wird er noch Chefredakteur der SPD-Zeitung “ Vorwärts“.
Ich will mich auf einige Punkte beschränken, die wesentlich mit seinen Büchern zu tun haben und diesen konzentrierten, einfühlsamen, genau zuhörenden Autor auszeichnen. Er schaut hin auf die Geschichte beider deutscher Staaten, auf die Geschichte deutscher Familien, die vor den Nazis, die vor den Sowjets fliehen in die DDR, in die BRD. „WIR WOLLTEN EIN ANDERES LAND „(Droemer Verlag) mit Bärbel Dalichow – Eine Familiengeschichte aus der DDR – ist da für mich an erster Stelle zu nennen. „DIE BENJAMINS – Eine deutsche Familie“ (Aufbau Verlag) ist ein Geschichtsbuch, das nicht nur in jede Schulklasse in Deutschland gehört, es ist ein glänzendes Beispiel für die Verknüpfung einer Familiengeschichte mit den Ereignissen der ersten acht Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts, deren Verbrechen, der Elendsgeschichten, ja auch der Widerstände. Heye unternimmt mit den Lesern einen Spaziergang, nachdrücklich und einfühlsam.
Und dann ist da noch die ebenso dramatische wie einfühlsam beschriebene Geschichte der Familie Heye, die Liebe seiner Eltern, die Flucht seiner Mutter Ursel mit ihm und Bärbel, seiner Schwester, vor der anrückenden Roten Armee. Die Dramatik um das von einem sowjetischen Torpedo getroffene und untergegangene Schiff „‚Gustloff“, für das seine Mutter drei Karten gebucht hatte, ein Schiff, das sie nicht erreichen. Zum Glück. Als der Vater nach Ende des Krieges die Familie sucht über den Suchdienst des Roten Kreuzes, erhält er die bittere Nachricht, die Familie sei vermutlich ertrunken in den eisigen Wassern der Ostsee. Die Tragik nimmt ihren weiteren Lauf, als Mutter Ursel nach dem Krieg sich nach dem Verbleib des geliebten Mannes erkundigt, erhält sie die schmerzhafte Nachricht, ihr Mann sei wohl in Stalingrad ums Leben gekommen, wie so viele andere auch. So läuft das Leben dieser jungen Familie in verschiedene Richtungen, erst Jahre später erfahren sie von einer Freundin voneinander, übereinander, dass sie am Leben sind. Aber da ist ihr Leben schon weitergezogen, zu weit, um noch einmal zueinander zu finden. Nur eine kurze Zeit, vier Jahre waren ihnen vergönnt, die ein ganzes Leben aufwiegen, wie der Sohn die Mutter zitiert. Uwe Heye beschreibt ein deutsches Schicksal, er schreibt die Geschichte seines mutigen Vaters auf, der desertiert war und in ein Strafbataillon musste, er schreibt es auf, weil sein „väterlicher Freund“, wie er Willy Brandt nennt, ihm dazu rät, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Ein innig geschriebenes Buch, mit viel Gefühl, mit Trauer, Liebe. „Vom Glück nur ein Schatten“ heißt der Titel. Das Buch, erschienen bei Blessing, „führt vor Augen, was Krieg bedeutet und wie viele Städte, Menschen und Träume er vernichtet.“
Ja, es sind nur ein paar Beispiele, die ich zu seinem 80. Geburtstag ausgewählt habe. Es gibt viele mehr aus dieser konfliktreichen und spannenden Zeit zwischen 1940 und 2020 zu erzählen, was den Rahmen des Blogs-der Republik, für den Uwe-Karsten seit 6 Jahren schreibt, sprengen würde . Auch könnten wir viele Zeilen aufschreiben über den von ihm gemeinsam mit Paul Spiegel, dem damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegründeten Verein „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“. Ein Verein, dem Uwe-Karsten Heye vorsteht, und der einen besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit auch für den Blog-der-Republik aufzeigt, den Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit für Toleranz. Der Verein ist Träger der Buber-Rosenzweig-Medaille, für seinen Internet-Blog „Störungsmelder erhielt der Verein den Grimme-Online-Award 2008 und 2016 wurde er ausgezeichnet mit dem Paul-Spiegel-Preis. Der Verein will Menschen ermutigen, aktiv zu werden gegen Rassismus und Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt.
Aber belassen wir es bei den wenigen Hinweisen und kommen zum Grund meines Artikels: Einem überzeugten deutschen Europäer, einem zuverlässigen Freund und einem großen Autor zum Geburtstag zu gratulieren.