Anfang Mai begehen die Bühnen der Stadt Bonn mit einer großen Gala den 60. Geburtstag ihres Opernhauses. Das ist für unseren Kolumnisten, der sonst eher über Politik schreibt, Anlass genug, sich Gedanken über die sogenannte „Hochkultur“ zu machen:
Heutzutage dominieren Streaming-Plattformen, Social Media ( sogenannte „soziale“ Medien, die häufig genug unsoziales Verhalten befördern ) und schnelle Unterhaltung das Leben. Darüber wird oft übersehen, was die sogenannte und oft als teures Eliten-Vergnügen diffamierte Hochkultur zu bieten hat: Oper, Schauspiel, klassische Konzerte und Ballett sind aber keine verstaubten Relikte der Vergangenheit, sondern lebendige Kunstformen, die unser Denken anregen, unsere Emotionen wecken und uns auf eine kulturelle Reise mitnehmen, die weit über das Gewöhnliche hinausgeht.
Man sollte „Hold Me Closer“ von Britney Spears nicht ausspielen gegen Beethovens „Fidelio“, House-Musik nicht gegen Johann Sebastian Bach, Friedrich Schiller nicht gegen Benjamin von Stuckrad-Barre. Alle Ausdruckformen, welche die Kunst darbietet, haben ihre Berechtigung und damit auch ihre Anerkennung verdient.
Es gibt sie, die Magie der Oper
Die Oper vereint Musik, Gesang, Schauspiel und oft auch opulente Bühnenbilder zu einem einzigartigen Erlebnis. Werke wie Mozarts „Die Zauberflöte“, Verdis „La Traviata“ oder Wagners „Der Ring des Nibelungen“ erzählen zeitlose Geschichten von Liebe, Verrat, Heldentum und menschlichen Abgründen. Wer sich einmal von einer mitreißenden Arie oder einem gewaltigen Chor in den Bann ziehen ließ, weiß, dass Oper weit mehr ist als eine vermeintlich elitäre Kunstform – sie spricht direkt zum Herzen. Wer je in der Arena di Verona die Aida gehört, gesehen und genossen hat, wird hier nicht widersprechen.
Schauspiel , eine Kunst, die bewegt
Klassische Dramen von Schiller, Goethe oder Shakespeare stehen nach wie vor auf den Spielplänen großer Bühnen, auch in Bonn, – und das aus gutem Grund. „Die Räuber“, „Faust“ oder „Hamlet“ – alle Stücke „verhandeln“ Themen wie Macht, Moral und den Sinn des Lebens, die auch heute noch von großer Aktualität sind. Die Bühnenkunst schafft es, mit beeindruckenden Inszenierungen und großartiger Schauspielkunst selbst jahrhundertealte Texte frisch und spannend wirken zu lassen. Kein Film kann die Unmittelbarkeit eines Live-Theaterstücks ersetzen.
Klassische Musik ist ein Fenster zur Seele
Konzerte mit klassischer Musik sind ein Erlebnis für die Sinne. Die Werke von Beethoven, Bach oder Tschaikowsky besitzen eine emotionale Tiefe, die über Jahrhunderte hinweg Menschen inspiriert hat. Ob in einem prachtvollen Konzertsaal, im Opernhaus am Boeselagerhof oder am Theaterplatz in Bad Godesberg oder unter freiem Himmel in Bregenz oder Verona bei einem Sommerfestival – ein Orchester entfaltet eine Klangwelt, die uns in andere Sphären versetzt. Klassische Musik ist nicht nur schön, sie kann auch trösten, anregen und beflügeln.
Ballett ist Poesie in Bewegung
Wer einmal eine Aufführung von Tschaikowskys „Schwanensee“ oder Prokofjews „Romeo und Julia“ erlebt hat, spürt, welche Ausdruckskraft der Tanz besitzt. Ballett verbindet Musik, Körpersprache und Ausdruck zu einer Kunstform, die ohne Worte ganze Geschichten erzählen kann. Die tänzerische Perfektion und die emotionale Kraft, die in jeder Bewegung steckt, sind schlicht atemberaubend.
Hochkultur für alle
Hochkultur ist längst keine Angelegenheit mehr einer privilegierten Elite – sie ist für alle da. Theater, Opernhäuser und Konzertsäle bieten mittlerweile günstige oder kostenlose Angebote für junge Menschen und Kulturinteressierte an. Mit neuen, kreativen Inszenierungen und innovativen Konzepten beweisen sie, dass klassische Kunstformen auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Strahlkraft verloren haben.
Nicht nur ( kommerzielle ) Popkultur hat zweifellos ihre Berechtigung hat. Es lohnt sich auch, hin und wieder oder auch öfter in die Welt der sogenannten Hochkultur einzutauchen. Wer sich auf diese einlässt, wird belohnt – mit großen Emotionen, intellektuellen Anregungen und unvergesslichen kulturellen Erlebnissen.
Und was kostet das alles?
Das alles ist nicht umsonst. Es kostet, und das nicht wenig. Kritiker und Skeptiker, die von der Hochkultur nichts oder nur wenig halten, möchten ihr den Garaus machen, indem sie den Opern, Theatern, Orchestern und Balletten den Geldhahn zudrehen. Und sie haben auch immer Zahlen parat, wieviel Hundert Euro pro Platz im Theater aus dem Stadt- oder Staatssäckel fließen.
Dabei vergessen sie, dass die Pflege des kulturellen Erbes eines Landes und auch der kulturellen Gegenwart eines Volkes eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge ist – oder zumindest sein sollte
Viele der Kritiker wie andere Menschen auch sind übrigens gern bereit, aus ihrer Privatschatulle teils horrende Preise zu bezahlen: Die Preise für Eintrittskarten für ein Taylor-Swift-Konzert variieren je nach Land, Stadt, Sitzplatzkategorie und Nachfrage. Für die Deutschland-Termine ihrer „The Eras“-Tour im Jahr 2024 lagen die Ticketpreise zwischen 100 und 240 €, während VIP-Pakete bis zu 640 € kosteten
Auf dem Sekundärmarkt, wie der Schwarzmarkt beschönigend genannt wird, können die Preise aufgrund hoher Nachfrage und begrenzter Verfügbarkeit deutlich höher liegen. Beispielsweise wurden in Gelsenkirchen Tickets für bis zu 800 € weiterverkauft.
Nehmen wir einfach mal einen Eintrittspreis von 200,00 € für ein Pop-Konzert an, für nur einem Abend. Dieser Betrag müsste ein Platz in der Oper oder im Schauspielhaus der öffentlichen Hand ( und den Bürgern ) doch auch wert sein, nicht nur an einem Abend , sondern für ein ganzes Jahr.
Zum Schluss: Allen Kulturschaffenden – nicht nur in Bonn, sondern überall – ein herzlicher Dank, viel Erfolg, ein begeistertes Publikum, hinreichend Geld für die Hochkultur und ein theaterübliches „toi,toi,toi“.