Es war ein gefälliges Interview, das das ZDF mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder gestern Abend führte. Moderator Christian Sievers kam mir vor, als wäre er in Urlaubsstimmung. Jedenfalls war er nicht im Angriffsmodus(pardon), sondern lieferte dem CSU-Mächtigen Söder brav die Stichworte und Söder schlug zu. Gegen die Grünen und die Ampel. Und als Sievers einwarf, diese Grünen regierten immerhin mit der CDU in Schleswig-Holstein, in Hessen, in NRW und in Baden-Württemberg, wie ich ergänze, auch wenn die Grünen dort den Chef stellen, konterte Söder, in Bayern seien die Grünen eben anders, schlechter.
Es war ein ziemlich langweiliges Gespräch, weil Sievers Söder so gut wie nie unterbrach, sondern ihn -etwas zu höflich-seine Wahlkampfparolen vorbeten ließ. Und deshalb stellte ich mir vor, wie es gewesen wäre, wenn der ZDF-Journalist- ein Großer der Branche- gleich zu Beginn den CSU-Chef auf die Maut-Pleite seines Parteifreundes Andreas Scheuer angesprochen hätte, die den Staat und die Steuerzahler, also uns alle- immerhin 243 Millionen Euro kosten wird. So als Einstieg, weil Söder ja gern damit protzt, wie gut Bayern regiert wird. Und wie gut man, er meint sich selbst damit, mit Finanzen umgeht. Und dann die Maut, für die auch der heutige CSU-Politiker Alexander Dobrindt, heute Landesgruppenchef und damals Bundesverkehrsminister, verantwortlich ist. Sowie Söders Amtsvorgänger Horst Seehofer. Hörten wir nicht über Jahre aus deren Mündern: Die Maut kommt. Sie schlugen jeden Rat aus, als wenn man einem CSU-Minister etwas raten müsste. Unerhört! Und dann das Debakel. Warum hat Söder den Scheuer weitermachen lassen, warum sitzt der eigentlich immer noch im Bundestag?
Wenn Christian Sievers- er möge mir meine flapsige Bemerkung mit der Urlaubsstimmung verzeihen- sich anders auf das Interview mit Söder vorbereitet hätte, hätte er den Leitartikel in der „Süddeutschen Zeitung“, Montagausgabe, 17. Juli 2023, gelesen. Ein sehr gutes Stück von einem Autor, der sich auskennt in Bayern und mit der CSU. Dann wäre er eben auf den Scheuer-Skandal gestoßen, einen Absatz später hätte er vom Landesbank-Desaster der größten Partei aller Zeiten gelesen. Vor 15 Jahren- und damit ist der Fehler ja nicht verjährt- musste der Freistaat seine Landesbank vor der Pleite retten. Mit zehn Milliarden Euro! „Die Staatsbank- und die ist natürlich seit ewigen Zeiten in CSU-Hand- hatte sich, getrieben vom Größenwahn führender CSU-Politiker mächtig verzockt.“ Schreibt die SZ. Und wegen des Desasters wurde die CSU bei den nächsten Wahlen abgestraft, sie verlor doch tatsächlich ihre absolute Mehrheit.
CSU-Debakel um Debakel
Damit nicht genug der Kritik der SZ an der CSU und Söder, der ja unentwegt davon schwärmt, wie gut Bayern geführt und regiert wird, dass der Freistaat etwas Besonderes ist. Und dann musste doch dieser Freistaat, obwohl göttlich regiert von der CSU, Jahre später seine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft privatisieren. Was mit großem Ärger für die Mieterinnen und Mieter der 30000 Wohnungen verbunden war. Denn der neue Eigentümer war ein etwas undurchsichtiges Konsortium vieler Gesellschaften, die ihr Geld gewinnbringend anlegen wollten. Zitiert nach SZ. Es lebe die soziale Marktwirtschaft! Oder passt das jetzt nicht?
Das Sündenregister, Herr Söder, ist damit nicht zu Ende erzählt. Denn zu den Problemen zählt gewiss auch die sogenannte 2. Stammstrecke, der Ausbau der Münchner S-Bahnen. Auftraggeber dieser zweiten Tunnelstrecke ist der Freistaat, die CSU-geführte Landesregierung mit dem Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder, der früher Finanzminister der Landesregierung unter Seehofer war. Dieses Bauwerk kostet inzwischen mindestens 8 Milliarden Euro und könnte noch teurer werden. Jetzt schon ist es das Doppelte dessen, was geplant war. Und das in Bayern, wo die CSU und ihre tüchtigen Minister doch so gut mit dem Geld umgehen können. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags befasst sich mit den Ursachen für das Desaster. Söder nennt die 2. Stammstrecke ein „Jahrhundertbauwerk“. Mindestens, wenn nicht mehr. Und der SZ-Autor des Kommentars urteilt: „Ministerpräsident Söder und seine Staatsregierung haben…versagt.“ Das Debakel habe sich lange abgezeichnet, doch vor allem Söder sei lang untätig geblieben, so das weitere Urteil des Kollegen. Trotz einiger Warnungen seiner eigenen Regierungszentrale.
Dass man im Kloster Andechs, wo die CSU tagte mit ihrem hohen CDU-Gast aus Berlin, Friedrich Merz, in gewissen Höhen schwelgen kann und Bayern rühmen ob der Lage, der Schönheiten, der Berge und der Seen, verstehe ich. Ich habe Jahre in München gelebt, studiert, meine Frau kommt aus Oberbayern, einige unserer besten Freunde wohnen in München und am Chiemsee. Ich kann verstehen, wenn es Stimmen aus der CSU gibt, die ins Schwärmen geraten und sagen: „In Bayern lebt es sich einfach besser.“ (Auch ohne das Andechser Starkbier). Das aber reichte natürlich dem Mann aus Franken mit dem Gardemaß nicht. Bayern, rühmt der Chef, sei „kein normales Bundesland“, sondern ein ganz besonderer Staat. Zitiert die SZ Aussagen Söders aus dem Untersuchungsausschuss. Deshalb also die Kosten? Weil Bayern und München, so hat es Seehofer mal gesagt, die Vorstufe zum Paradies seien. Und da muss man natürlich mit anderem Maß rechnen. Und Münchens Zukunft soll ja umwelt- und klimafreundlich werden. Das sei das viele Geld wert. So die SZ. „Mutlosigkeit in der Gegenwart ist eine schwere Sünde an der Zukunft“. Wo nimmt der Mann all die schweren Worte her? Um dann kurzerhand zu betonen, dass im Falle einer unions-geführten Bundesregierung das Heizungsgesetz kassiert werde. Ein Widerspruch? Damit befasst sich doch ein Söder nicht. Er schiebt die eigenen Debakel locker beiseite und attackiert die „Ampel“, mal den Habeck, mal den Scholz. Das haben sie in der CSU immer gut gekonnt: Auf andere einzuprügeln, obwohl sie jede Menge Dreck am Stecken hatten.
Polit-Diskurs ohne Niveau
Zurück zu Christian Sievers und seinem Interview, das ich mir anders vorgestellt hatte. So hätte ich mir gewünscht, dass er Söder gefragt hätte, warum er seinen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Vize-Ministerpräsident des Freistaats, während der Corona-Pandemie nicht aus dem Amt geworfen hatte, als dieser öffentlich machte, er werde sich nicht impfen lassen, was er später nachholte. Ich habe auf die Fragen von Sievers an Söder gewartet, warum er in Erding aufgetreten sei neben seinem Vize Aiwanger von den Freien Wählern und was er denn davon halte, dass dieser betont hatte, ihr in Berlin habt ja wohl den Arsch offen. Und jetzt sei der Punkt erreicht, wo die schweigende Mehrheit sich die Demokratie zurückholen muss. Das ist Populismus nach Art der AfD. Und die neue hohe Kunst des Polit-Diskurses? Welches Niveau!?
Und dann hätte ich Söder noch nach der Maskenaffäre der CSU gefragt, nach den Namen Sauter und Tandler und von Tandler wäre der Weg nicht weit zu Strauß gewesen und Zwick, dem Bäderkönig.
Und am Ende hätte ich ihn gefragt, ob er all die Namen der ehemaligen CSU-Bundesverkehrsminister auswendig kenne, also von Werner Dollinger, über Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt bis zu Andreas Scheuer. Sie alle waren zuständig für die Deutsche Bahn, die früher Bundesbahn hieß. Und damit verantwortlich für das Desaster um die Bahn, deren Züge, wenn sie fahren, fast immer zu spät dran sind. Und dann ist da ja noch die Sanierung der Deutschen Bahn, die Milliarden Euro verschlingen und viele Jahre dauern wird. Die Bahn, zitiert die SZ Söder, sei “ nicht kontrollierbar“. Das Staatsunternehmen unkontrollierbar? Was hätte Söder wohl gesagt, wenn Sozialdemokraten oder Grüne über ein Jahrzehnt Bundesverkehrsminister gewesen wären? Ist doch kein Wunder, dass das dort drüber und drunter geht, die mit ihren sozialistischen Programmen und verbohrten Ideologien konnten noch nie mit dem Geld umgehen. So ähnlich, oder?
Und dann hätte ich von ihm wissen wollen, warum er mit diesen Freien Wählern, einem gewissen Herrn Aiwanger, der sich einen Namen gemacht hat in den wenigen Jahren seiner Ministerzeit mit Opfelsaft und Kuhfladen, und jetzt mit dem Sprech der AfD, weiterregieren wolle und warum er die Grünen bekämpfe. Was macht er, wenn es am Wahlabend nicht reicht?