Dem SPD-Sonderparteitag in Bonn wird eine Mitgliederbefragung folgen. Bis dahin geht der Streit innerparteilich weiter, beileibe nicht nur von den Jungsozialisten befeuert und kräftig angeheizt auch von außen. Die entscheidende Frage wird sein, ob, was Martin Schulz und seine Mitstreiter in der Sondierung erreicht haben, genügt, um das „No GroKo“ in ein Ja umzuwandeln. Spötter sagen, das Ergebnis sei aus sozialdemokratischer Sicht derart dürftig, dass eine Ablehnung durch die Basis quasi eingepreist sei.
Der Blick auf die zurückliegende Regierung zeigt, dass, selbst wenn die vagen Verabredungen bis zum Frühling in einen Koalitionsvertrag gegossen sein sollten, es keine Gewähr auf Umsetzung gibt. „Wir wollen“ kommt in dem Papier viel öfter vor als „wir werden“.
Auffällig ist auch die Vielzahl von Kommissionen, die den Koalitionspartnern in spe vorschwebt. Da geht es etwa um „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in den Städten und um „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ im Abschnitt Klimaschutz, um die Feststellung der „Integrationsfähigkeit“ des Landes, um mehr Bürgerbeteiligung und um eine Rentenkommission mit dem Titel „Verlässlicher Generationenvertrag“. Das alles müssen nicht per se schlechte Vorhaben sein, bedeutet aber in der Regel, dass eine Legislaturperiode kaum ausreicht, sprich: Entscheidungen auf die lange Bank geschoben werden.
Der große Rest ist Lyrik. Vieles, das so oder ähnlich schon in anderen Koalitionsverträgen gestanden hat, und in das jeder seine eigene Auslegung hineinlesen kann. Einiges auch, wie bei der Begrenzung der Rüstungsexporte, das wir gern hören, aber kaum noch zu glauben wagen. Oder das Bekenntnis zum Asylrecht, zur Genfer Flüchtlingskonvention und zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, bei gleichzeitiger Einführung von Obergrenzen nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch beim Familiennachzug. Da darf man auf die Kinderrechte gespannt sein, die nun doch – Jahre nach dem Tierschutz – endlich im Grundgesetz verankert werden sollen.
Ein Fazit fällt schwer. Ob die Sozialdemokraten diesen Weg beschreiten wollen, muss sich zeigen. Falls es so kommt, wird es genau das „Weiter so“, das Martin Schulz ausgeschlossen hat und das sich nach dem Wahlausgang auch eigentlich verbietet. Angela Merkel bekäme ihre vierte und wohl auch letzte Amtszeit. Allerdings wäre nicht darauf zu wetten, dass die neue Regierung die komplette Wahlperiode übersteht.