Ein Duell im Fernsehen war erwartet worden, als Angela Merkel und Martin Schulz aufeinandertrafen. Aber es war keine Auseinandersetzung, es war nicht der Angriff des Herausforderers, es war eine Diskussion ohne Feuerwerk, wie Thomas Gottschalk nach der Sendung zu Recht bemerkte. Die Kanzlerin war über die ganze Sendezeit dem SPD-Chef überlegen, sie wirkte präsenter, nur in der Flüchtlingsfrage, die ja auch die Achillessehne ihrer Politik ist, war sie unsicher. Wenn Martin Schulz geglaubt haben sollte, er könnte den großen Vorsprung von Merkel durch den einzigen gemeinsamen Auftritt wettmachen, wird er sich getäuscht haben. Die Amtsinhaberin war an diesem Abend überzeugender und kompetenter.
Es war kein richtiges Duell, wie man das früher erlebt hat, es fehlte die Leidenschaft, das Pathos und anderes mehr. In fast allen Punkten waren sich die beiden Kontrahenten einig, wobei das Wort Kontrahent schon falsch am Platz ist. Der Zuschauer musste den Eindruck gewinnen, dass Schulz zwar behauptet, er bewerbe sich um das Kanzleramt, aber in Wirklichkeit bewarben sich die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel und der SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz um das, was wir seit vier Jahren haben: Um die Fortsetzung der großen Koalition.
Dilemma des Martin Schulz
Es ist ja wahr, der Angreifer Martin Schulz hatte von Anfang das Dilemma, dass er die Politik der Kanzlerin kritisieren soll, die aber seine Partei, die SPD, seit 2013 mitverantwortet, mit Sigmar Gabriel als Vizekanzler und Wirtschaftsminister an der Spitze, derselbe Gabriel, der vor Monaten Schulz die Bürde des Kanzlerkandidaten übertrug, weil die eigene Partei ihn nicht wollte. Es folgte ein kurzer Hype, ein rasanter Aufstieg des ehemaligen Präsidenten des Europa-Parlaments, der für kurze Zeit glauben konnte, er könnte Merkel besiegen. Aber dann folgte der genauso rasante Absturz, drei Niederlagen bei den Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und NRW sorgten mit dafür, dass die Luft für den Kandidaten Schulz immer dünner wurde.
Nicht nur Blitzumfragen von Infratest-dimap besagten schon zur Halbzeit des TV-Duells, dass die Amtsinhaberin einfach besser war, glaubwürdiger und sogar sympathischer. Bei den noch unentschiedenen Wählerinnen und Wählern schnitt Schulz nicht so schlecht ab wie in anderen Bereichen, aber auch dort lag Merkel vorn. Richtig war, was der einstige Politik-Star zu Guttenberg bemerkte, dass die beiden Duellanten mit Anstand sich behandelten und sich nicht angifteten. Das hatte nicht nur zu Guttenberg beim letzten amerikanischen Wahlkampf anders erlebt. Und Guttenberg beschrieb den Einsatz des Herausforderers mit dem Bild: Er sei an den Gummiwänden der Erfahrung -gemeint Merkel- abgeprallt.
Auftritt ohne Feuer
Franz Müntefering, ein alter SPD-Kämpe, der viele Wahlkämpfe erlebt und verantwortlich mitgestaltet hat, schonte seinen Parteifreund Schulz, als er dessen Auftritt bewerten sollte. Schulz habe angegriffen, gekämpft, aber da war kein Feuer drin, Herr Müntefering. Mehrfach bedankte sich der Herausforderer für eine Frage der ansonsten ziemlich schlappen Moderatoren, denen der brave Ton des SPD-Mannes auf die Nerven ging. Und so begannen sie die nächste Frage an Schulz mit der Bitte, sich aber nicht erneut für die Frage bei ihnen zu bedanken. Er lächelte viel, gab Merkel oft Recht, widersprach ihr an der einen oder anderen Stelle, aber Brüche zwischen der CDU-Chefin und dem SPD-Vorsitzenden waren nicht zu erkennen.
Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollen beide beenden, beide kritisierten Erdogan scharf, weil dessen Politik mit Demokratie nichts mehr zu tun habe, weil der inzwischen 14 Deutsche willkürlich ins Gefängnis hat einsperren lassen. Europäische Gelder will man ihm kürzen, überhaupt ihm Druck machen in der Wirtschaftspolitik. Und und und. Kein Widerspruch, nirgendwo. Ähnlich die Haltung der beiden in der Verkehrspolitik, beim Auto, beim Diesel. Ach ja, die Maut will Schulz abschaffen. Wenn das so große Politik ist. Und für Schulz gilt die Ehe zwischen Mann und Frau nicht als der Normalfall, die Ehe für alle, eben auch für Schwule und Lesben, hat ja gerade erst der Bundestag beschlossen, daran hat Merkel mitgewirkt.
Übereinstimmung überall
Übereinstimmung gab es beim Thema Islam, den mal als Religion selbstverständlich anerkennt, aber natürlich Auswüchse verurteilt. Wenn jemand, das gilt aber für alle Zeitgenossen, sich kriminell verhält, gehört er bestraft, wenn es sich dabei um Ausländer handelt, sollen sie abgeschoben werden. Hassprediger haben in unserem Land nichts zu suchen, betonte Schulz. Merkel nickte und erklärte, vier Millionen Muslime tragen in Deutschland zum Erfolg des Landes bei.
Soziale Gerechtigkeit war ein weiteres Thema, eigentlich ein Schwerpunkt im Wahlkampf des Herausforderers, aber auch hier konnte er sich nicht überzeugend darstellen. Es ist aber auch schwierig, ein solch komplexes Problem bei so einem Duell zu erklären oder zu beweisen, dass es in einem reichen Deutschland viele Ungerechtigkeiten gibt. Sie gibt es, darunter leiden Verkäuferinnen, Taxifahrer, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose. Beim Thema Rente wollte Schulz Merkel attackieren, weil es Stimmen gebe in der Union, die für eine Rente erst ab dem 70. Lebensjahr sind. Die gibt es, vereinzelt, aber der Wirtschaftsrat ist nicht die Partei, auch Präsidiumsmitglied Jens Spahn musste sich belehren lassen, dass er ein Einzelkämpfer ist, der nicht die ganze Meinung der CDU repräsentiert. Und das tat an diesem Abend und auch bei diesem Punkt Angela Merkel. Sie betonte klipp und klar, es bleibe bei der Verabredung, die sie als Kanzlerin noch in der großen Koalition mit Franz Müntefering beschlossen habe, also abgestufte Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre. Es gebe keinen Parteitagsbeschluss, der die Rente mit 70 Jahren beschlossen habe. Schulz bedankte sich für das klare Bekenntnis Merkels.
Kein Streitgespräch
Und selbst beim Thema Auto und Diesel gab es eine Einigung. Schulz trat für die Musterfeststellungsklage ein und Merkel machte dem Herausforderer klar, der Justizminister, er heißt Maas und ist von der SPD, solle den Entwurf mal überarbeiten. Dann könne man darüber reden. Oder so ähnlich hörte sich das an.
Nein, es war kein Duell, kein Streitgespräch, man lächelte sich an, nickte einander zu. Es fiel kein lautes Wort, ein böses sowieso nicht. Und wenn Martin Schulz Recht behält, dass er nach der Wahl SPD-Chef bleiben will, dann wird man am Wahlabend genau hinschauen und hinhören müssen, welche Koalition vereinbart wird. Merkel schloss lediglich Verbindungen mit der AfD und der Linken aus, Schulz will, dass die SPD stärkste Partei wird. Und im übrigen habe nicht von ihm kein Wort gehört, dass er eine große Koalition ausschließen würde, so wie das sein Amtsvorgänger Sigmar Gabriel gemacht hat. Außerdem darf man darauf hinweisen, dass alle demokratischen Parteien im Bundestag miteinander koalieren müssen, das ist guter Brauch.
Bildquelle: Wikipedia, Duell aus dem Ballet Gabriella di Vergy, gemeinfrei