„Der Westen feiert das Abkommen mit Iran“. „Der Iran ist wieder da“. „Hundert Seiten Hoffnung“. „Höchst besorgt“. „Wind des Wandels“. „Es ist ein großer Erfolg“. „Die Bombe tickt weiter“. „Iran ist zurück auf der Weltbühne“. „Nicht länger Paria“. Dies sind die Schlagzeilen von zwei deutschen Tageszeitungen, dem Bonner „Generalanzeiger“ auf der einen und der „Süddeutschen Zeitung“ auf der anderen Seite. Selten hat ein Abkommen für so viel Aufregung gesorgt, selten ist ein Abkommen so umstritten und gefeiert zugleich, eine Vereinbarung zwischen der islamischen Republik Iran und den fünf UNO-Vetomächten, darunter USA sowie Deutschland. Nach 13-jährigen Verhandlungen endlich ein Ende, das Hoffnung verspricht und Sorge vor allem in Israel auslöst. Die Hoffnung, dass Teheran keine Atombomben baut, was zugleich die Sorge der Israelis ist, dass der Iran es eben doch plant. Im Gegenzug werden die Sanktionen gelockert, unter denen das eigentlich reiche Land seit Jahr und Tag leidet.
Die Menschen in Persien, um den alten Begriff zu erwähnen, hatten darauf gehofft. Das konnte jeder spüren, der dieses Land in den letzten Monaten bereiste. Hoffentlich kommt das Abkommen, nicht wegen der Atombombe, das hat die Iraner, ob jung ob alt, nicht so sehr beschäftigt. Sie wollen raus aus der Isolation, in die sie vor 36 Jahren geraten sind, als sie im Zuge der Revolution die USA-Botschaft in Teheran stürmten, sie besetzten und die Amerikaner als Geiseln nahmen. Eine Straftat, keine Frage, was sie längst selber zugeben, in der Antike haben Festnahmen von Gesandten zu Kriegen geführt. Seit der Zeit sind die diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Teheran eingefroren, ist das riesige Gelände der USA-Botschaft in der iranischen Hauptstadt verwaist. Die Interessen Amerikas werden von der Botschaft der Schweiz in Teheran mit vertreten.
Sie sehnen die Aufhebung der Sanktionen herbei, die das Land zurückgeworfen haben. Die Arbeitslosigkeit ist hoch in diesem eigentlich reichen Land, dem aber die Hände gebunden sind durch die Sanktionen. Und sie hoffen auf die deutsche Wirtschaft, auf deutsche Firmen, von denen man weiß, dass sie auf dem Sprung sind, um nicht nur dem Land zu helfen, sondern auch, um selber gute Geschäfte zu machen. Der BDI rechnet mit einem Exportvolumen von dann zehn Milliarden Euro, was einer Vervierfachung gleichkäme. Die Deutschen haben einen Riesen-Vorteil gegenüber manchen anderen Ländern: Sie waren noch nie als Besatzer in diesem Reich, das in der Vergangenheit schon oft unter fremder Herrschaft stand.
Einst ein verlässlicher Partner
Der Iran ist reich an Bodenschätzen. Aber seit dem Boykott bleibt es vielfach auf dem Öl und Gas sitzen, hat das Land nicht die Mittel, um genügend Raffinerien zu bauen. Wenn die Sanktionen wegfallen, wenn die Vermögenswerte im Ausland von rund 100 Milliarden Dollar freigegeben würden, dann käme die iranische Wirtschaft auf Touren. Sie war einst ein verlässlicher Partner. Noch heute schwärmen die Iranier von Siemens, weil die ihnen die Eisenbahn gebaut haben. Aber sie erinnern auch gern an die Zusammenarbeit mit den großen Firmen aus dem Ruhrgebiet. Bei Krupp sind sie vor Jahrzehnten eingestiegen, haben Anteile des Konzerns gekauft und damit zugleich der Essener Traditionsfirma unter die Arme gegriffen.
Der Iran braucht Investoren, die das Land seit Jahren gemieden haben. So sind die großen deutschen Autofirmen in dem Land nicht vertreten, allein Frankreich baut dort ein Auto zusammen. Die größten Hotelketten haben sich mit Beginn des Boykotts aus dem Land zurückgezogen mit der Folge, dass die einst schmucken Herbergen mit damals internationalem Standard stehen geblieben sind. Stillstand ist Rückschritt, das sieht man, wenn man in einem der Hotels übernachtet.
Die Touristenzahlen haben in der letzten Zeit angezogen, auch Amerikaner kommen wieder ins Land, Deutsche, Franzosen und andere Europäer. Der Zuwachs ist zwar beachtlich, aber gemessen an anderen Touristikländern wie der Türkei, besteht im Iran ein erheblicher Nachholbedarf. Dabei ist das Land sehenswert, die Wiege der Menschheit, hier könnte sie gestanden haben. Persepolis ist eine Stätte, die der Tourist nicht vergisst. Dazu die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit der Gastgeber.
Das Land öffnet sich
Seit der Präsidentschaft von Rohani hat sich vieles getan im Staate Iran. Der Tourist bewegt sich frei, gleich, wo er sich aufhält. Er wird weder belästigt noch dauernd kontrolliert. Wir waren zehn Tage in diesem herrlichen und interessanten Land, keinen Tag dort haben wir bedauert. Es gibt ein paar Kleidervorschriften, aber das Kopftuch wird von den jungen Iranerinnen längst als eine Art Kopfschmuck getragen, bunt muss es sein, gelb, grün, rot, blau, alles, was man sich vorstellen kann. Die Gesichter sind frei, nicht verhüllt. Ich sehe im Bonner Stadtteil Bad Godesberg binnen einer Stunden mehr total schwarz Verhüllte, als sie mir während meines ganzen Urlaubs zwischen Kerman im Süden des Landes und der Hauptstadt Teheran begegnet sind. Der Fortschritt kommt leise daher, in kleinen Schritten verändert sich das Land, es öffnet sich.
Und die Sorge Israels vor einem Atomschlag Irans? Israel, das weiß Netanjahu nur zu gut, hat die Sicherheitsgarantie durch die USA, aber auch Deutschland steht hier eindeutig an der Seite von Jerusalem. Netanjahu hat mit den Ängsten vor dem Iran den letzten Wahlkampf bestritten und ja auch die Wahl gewonnen. Er sollte es gut sein lassen. Was nicht heißt, auf die in dem Abkommen festgelegten Kontrollen zu verzichten. Was man im Iran im Gespräch mit den Menschen auch immer hörte: Welchen Vorteil hätten wir denn bei einem Atomschlag? Fünf Minuten Vorsprung, bis Israel oder Amerika zurückschlagen und auch unser Land vernichten könnten?
Wandel durch Handel
Wandel durch Annäherung, Wandel durch Handel, das war immer auch die Philosophie des Westens gegenüber der Sowjetunion. Damit sind alle Seiten gut gefahren. Das Risiko war auch damals groß. Man denke an den Streit über die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Deutschland? Vorbei, nicht eine Rakete kam zum Abschuss. Die Sowjetunion gibt es nicht mehr.
Redet man mit den Iranern, bekommt man zu hören, wir haben noch nie einen Krieg angefangen, haben kein Land überfallen oder besetzt. Nun ja, aber so ganz rosig ist die Vergangenheit des Landes auch nicht. Die Finanzierung der Hisbollah in ihrem Kampf gegen Israel ist kein Ruhmesblatt und muss ein Ende haben, wenn der Iran Vertrauen als Staat gewinnen will. Überhaupt wurde der islamische Staat Iran zu oft genannt im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus, die Vorwürfe sind nicht gänzlich erfunden.
Den Iran als wichtigen Partner wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen, mit dem man Politik und Geschäfte macht, das ist gerade in der explosiven Lage im Nahen und Mittleren Osten ein wichtiger Punkt. Mit dem Iran in ständigem Kontakt zu sein, sich mit seinen wichtigen politischen wie wirtschaftlichen Führungskräften auszutauschen, sie zurückzuholen in die internationale Staatengemeinschaft, das muss das Ziel sein, das auch Teheran Verantwortung zukommen lässt für den Frieden in dieser Region. Oder wie das der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer im Interview mit der SZ betont hat: Es sei besser, mit dem Iran zu sprechen und ihn in internationale Strukturen einzubinden, als ihn zu isolieren. Übrigens waren die Atomgespräche 2013 angestoßen worden- von Joschka Fischer. Man könnte es auch mit Willy Brandt sagen: „So lange geredet wird, wird nicht geschossen.“
Bei den Verhandlungen in Wien ist ein Abkommen erreicht worden, das ein erster Schritt ist, den kalten Krieg zwischen dem Iran und dem Westen zu beenden. Wenn sich alle Partner, allen voran der Iran, an die Abmachungen halten. Mit dem Abkommen wurde dem Iran wieder die Tür zur Welt aufgestoßen. Da ist sie wieder die Hoffnung, dass dieser Vertrag „die Welt sicherer macht“, wie das US-Präsident Obama ausgedrückt hat. Und der Beginn einer „neuen Ära der Kooperation“, so Irans Präsident Rohani.
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