„Verbraucherinformation und Produzentenverantwortung“ sind für Johannes Remmel die wirksamsten Hebel zu mehr Gewässer- und Verbraucherschutz. Der nordrein-westfälische Umwelt-, Landwirtschafts- und Verbraucherminister machte in einem Interview mit dem Blog der Republik unmissverständlich klar, dass es gravierende Defizite bei der Umweltverantwortung gibt und wie er als Minister handeln will. Eine ganzheitliche Betrachtung offenbart die Missstände. Was der Mensch als Nahrungsmittel verzehrt, ist häufig problembehaftet. Angefangen bei der Pflanzenschutzmittelproduktion, den Antibiotika in der Tiermast und deren Haltungsbedingungen, über Gülle auf den Äckern und die Verunreinigungen des Grund- und Oberflächenwassers bis zum Fleisch an der Kühltheke. Die Qualität des Wassers wird maßgeblich beeinträchtigt durch Düngemittel und Pestizide, die auf den Agrarflächen ausgebracht werden, die sich oberhalb des Grundwassers befinden. Eine ganzheitliche Betrachtung am Beispiel der Nahrungsmittelproduktion offenbart unser Dilemma. Dabei ist der Preis ein Problem.
Die Eier-Ampel für Fleisch. Nachhaltige und artgerechte Tierhaltung
Fleisch ist zu billig. „Man kann im Handel Schweinefleisch für 3,30 Euro das Kilo kaufen. Das ist ein Skandal für Mensch, Tier und Umwelt. So kann das nicht weitergehen“, zeigt sich der grüne Minister angriffslustig. Verbraucher seien bereit, 6 bis 7 Euro zu bezahlen, 12 Euro im Bioladen seien für die meisten zu teuer. Aber er zeigt auch Alternativen auf: „Verbraucher können die Qualität nicht erkennen. Unsere Forderung lautet daher: Eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch wie bei Eiern!“ Der Minister will mehr Transparenz für die Konsumenten, damit sie ihrer Mit-Verantwortung auch gerecht werden können. Dass dieses System bei Eiern bereits wirkt, belegt die Tatsache, dass bereits drei große Discounter keine Eier aus Legebatterien mehr anbieten. Aber Remmel macht sich keine Illusionen: „Ein Drittel geht in die Weiterverarbeitung. Auch dort brauchen wir eine Kennzeichnung! Die Konsumenten brauchen dann keine Zettel mehr zu lesen, um verantwortungsvoll handeln zu können.“
Die Zertifizierung und Kennzeichnung der Fleischerzeugnisse nach dem Vorbild des Eier-Codes ermöglicht den Konsumenten, die Leistungen der Betriebe im Tier- und Umweltschutz an der Ladentheke direkt zu honorieren und sichert somit aufwändiger, aber insgesamt nachhaltiger wirtschaftenden Betrieben eine höhere Wertschöpfung. Über die Agrarsubventionen könnte dann ein zusätzlicher Hebel angesetzt werden, wonach Schritt für Schritt die Zahlungsansprüche der „Nachzügler“ erlöschen würden. Dieses Konzept findet sich in einem agrarpolitischen Papier des EU-Grünen Martin Häusing (siehe unten). Ähnlich ausgerichtet, nur weniger differenziert, ist auch das von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt soeben vorgestellte „Tierwohl-Label“.
Unser Wasser ist sehr gut. Aber mehr Schutz ist unerläßlich
Dem Umweltminister von NRW, einem Bundesland, das sich zu 60 Prozent aus Oberflächenwasser versorgt, ist die Bedrohung von Qualität und Preisen durchaus bewusst. „Der Weg vom Abwasser zum Trinkwasser ist in NRW kürzer als anderswo. Das ist problematisch, denn wir haben immer mehr Stoffe, die wir nicht haben wollen; das Cocktail hat zugenommen.“ Auch hierfür ist der Mensch verantwortlich. Die Alterung der Gesellschaft bringt zwangsläufig immer mehr Medikamente in die Umwelt. Auch Flammschutz- und Pflanzenschutzmittel gefährden die Wasserqualität. „Es besteht zwar keine akute Gesundheitsgefährdung“, beruhigt er, aber man könne bei machen Stoffen ihre toxikologische Wirkung noch nicht abschliessend beurteilen und „wir müssen die Barrieren höher ziehen. Es gibt eine Mitverantwortung der Produzenten, also der Chemie- und Pharmaindustrie. Sie müssen Verantwortung für ihre Produkte übernehmen, bis hin zum Wasser“, so skizziert der Umweltminister wen er in die Haftung nehmen will. Dafür gibt es auch einen gleichermaßen aktuellen wie akuten Grund: Trifluoracetat – kurz TFA. Dieser Stoff, der sehr gut wasserlöslich ist, gilt als chemisch recht stabil und sehr mobil und kann aufgrund der sehr geringen Molekülgröße nur sehr schwer aus dem Wasser entfernt werden. Erstmalig aufgetreten war im Rhein in Baden-Württemberg – in der Nähe der Chemieindustrie. Danach machte er den Wasserversorgern entlang der Rheinschiene Probleme. „TFA kommt aber auch dort vor, wo der Rhein nicht hinkommt“, versucht Remmel die Herausforderung deutlich zu machen und ergänzt, „der Stoff kommt aus der Landwirtschaft und steckt in den Pflanzenschutzmitteln. Wir verbrauchen in Deutschland 117.000 Tonnen davon, das ist zu viel, viel zu viel“. Aber auch hier bleibt er keinen Lösungsansatz schuldig: „Wir haben für Antibiotika in der Landwirtschaft eine gesetzliche Regelung geschaffen und die Antibiotika-Menge reduziert. Das kann uns auch bei Pflanzenschutzmitteln gelingen“.
„Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Gewässerschutz als politische Sackgasse
Zwar ist eine Einigung bei der Düngeverordnung seit einigen Tagen auf Bundesebene in Sicht, der grüne Landesminister will aber Klarheit und drängt den Bund weiter. „Wir brauchen das Bundesrecht um handeln zu können“, sagte der Grünen-Politiker und kritisierte, dass der Bund seit Jahren ankündige, aber nicht umsetze. „Das ist wie in dem Film ‚Und täglich grüßt das Murmeltier‘.“ Im Münsterland kommen, so der Minister, auf zwei Millionen Menschen sechs Millionen Schweine. „Das kann nicht gut gehen.“ 40 Prozent des Grundwassers seien in einem schlechten Zustand, da kann man doch nicht nichts tun, lautet die Schlussfolgerung. „Wir brauchen eine Düngeverordnung, die strenge Zeitregelungen beinhaltet, wann Gülle ausgebracht werden darf und Kontrollen wohin sie geht. An jedes Güllefass ein GPS, dann kann ich kontrollieren wohin die Gülle geht“, fordert Remmel um gleich danach einzuräumen, dass der Datenschutz noch dagegen stehe. „Wir brauchen Systeme, die aus der Gülle die Nährstoffe an der Quelle herausholen, dann müssen wir nicht das Wasser mit transportieren.“ Das kostet Geld, aber es muss jemand bezahlen, damit die Gewässer geschützt werden. Dass Remmel Sympathie für umweltökonomische Instrumente hegt, wird deutlich, als er in dem Interview beim Blog-der-Republik für die E-Mobilisierung der Automobilindustrie Flottenzertifikate nach kalifornischem Beispiel vorschlug. Für das Nichtstun hat er ein Szenario: „Sonst sehen wir bei Mobilität irgendwann nur noch die Rücklichter.“
Remmel will eine nachhaltige Landwirtschaft und bereitet sich auf den Wahlkampf vor
Mitte Mai sind Landtagswahlen in NRW. Der amtierende Umweltminister dürfte in den nächsten Wochen mit einigen Verursachern der Umwelt- und Gewässerprobleme auf Konfrontationskurs gehen, um mit sichtbaren Erfolgen in den Wahlkampf zu ziehen. Man kann nur hoffen, dass diese Politik nicht in Aktionismus mündet, aber dieser Eindruck kam in dem sehr offenen Gespräch nicht auf. Remmel zeigt aber, dass sein grünes Herz für die Natur und den Verbraucher schlägt. Für die ebenfalls bei ihm als Minister angesiedelte Landwirtschaft könnte es dagegen schwer werden, die bisherige Praxis beizubehalten. Dabei darf aber nicht alles über einen Kamm geschoren werden. Viele Betriebe sehen ihre Zukunft in einer nachhaltigen, artgerechten und fairen Landwirtschaft. Diese verdienen Anerkennung und die Nachfrage des Konsumenten. Da sind wir alle gefragt. Wir haben es in der Hand, wie unsere Kinder zukünftig leben. „Wasser hat ein langes Gedächtnis,“ erklärt Remmel, „was wir heute an der Oberfläche tun, kommt in 10 bis 15 Jahren im Grundwasser an.“ Wasser sei das Lebensmittel Nummer 1, erklären alle die man nach seiner Bedeutung fragt. Warum tun wir dann so wenig, um es zu schützen, mag dieser Antwort als Frage entgegnen….
Dieser Beitrag wurde in leicht veränderter Form zuerst im Blog LebensRaumWasser publiziert
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