Ich gebe zu, der Titel des Buchs „Nachts im Kanzleramt“ und dazu noch von der Autorin Marietta Slomka, Deutschlands bester Fernseh-Journalistin, hat mich gereizt. Deshalb habe ich es bestellt und eigentlich eine spannende Mischung aus Politik und Krimi erwartet. Dabei hätte mich die Unterzeile des Buchs warnen müssen: „Alles, was man schon immer über Politik wissen wollte.“ So ist es ein Sachbuch, das in kundiger Form über Politik aufklärt, nicht für jeden geeignet, aber für den, der vieles nicht weiß von der Politik und wie sie funktioniert, eine gute Informationsschrift. Es ist keine Bettlektüre, nichts für den Urlaub am Strand. Die Cartoons von Mario Cars, die die Geschichte begleiten und illustrieren, sind toll.
Im Beiblatt zum Buch heißt es: „Verständlich, witzig, kenntnisreich, ein Politikbuch für Einsteiger und Fortgeschrittene. Wer dieses Buch gelesen hat, ist fit für jede politische Debatte“. Da ist was dran, dieses Buch kann man für den politischen Unterricht empfehlen. Wobei witzig ist etwas übertrieben. Ich habe das Buch nur quer gelesen, einige Kapitel, es ist eher kein Buch für Journalisten, die den Alltag des Parlaments kennen. Dann habe ich es weggelegt. Pardon. Damit schließe ich mich der Kritik des besten und insofern gefürchteten Literaturkritikers Denis Scheck, niedergeschrieben im Tagesspiegel am Sonntag, nicht an. Für Scheck, dessen Besprechungen ich gern lese, ist es so etwas wie die „Sendung-mit-der-Maus“ über den deutschen Politikbetrieb. Er fühlt sich von diesem Buch nicht abgeholt von der ZDF-Heute-Journal-Moderatorin, sondern abserviert. Das Urteil ist mir zu hart, zu schroff, vielleicht hat Denis Scheck wie ich andere Erwartungen an das Buch gehabt. Für Kinder, findet er, sei es nicht schlecht, für Jugendliche wahrscheinlich zu flach, was ich nicht bestätige, für Erwachsene schlicht zu langweilig. Weiß ich nicht, es wäre zu prüfen, wenn man mit ihnen an Hand dieses Buchs Politik-Unterricht macht.
Noch einmal: Es ist ein Sachbuch, kein Krimi. Für Scheck ist es eine „Enttäuschung“, für mich nicht. Ich hätte mich besser informieren müssen über das Werk, dann hätte ich vorher gewusst, was auf mich zukommt. Es kann Spaß machen, Politik zu beobachten, hat Marietta Slomka, die preisgekrönte Journalistin, zu diesem Buch betont. Und für mich ergänze ich gern, war es all die Jahre auch spannend, über Politik zu berichten.
Und dass Marietta Slomka im Fernsehen, vor der Kamera eine Klasse für sich ist, sei hier nur nebenbei erwähnt. Wer sie einmal gesehen hat, wie sie Sigmar Gabriel gegrillt hat, wie es neudeutsch heißt, oder wie sie Größen der Wirtschaft interviewte und sich nicht mit Allgemeinplätzen abspeisen ließ, sondern nachhakte, wird das ZDF immer wieder gern einschalten, wenn man Marietta Slomka am Tisch erwarten kann. Das Buch „Nachts im Kanzleramt“ haut niemanden vom Hocker, wenn die Formulierung erlaubt ist, aber dazu ist es auch nicht geschrieben worden. Es zu verreißen, finde ich nicht angebracht.