Debatten sind gut, von Kontroversen und Diskussionen lebt eine Demokratie. Deutschland selber versteht sich als eine repräsentative, liberale Demokratie. Kommunikation findet in Deutschland diskursiv statt, das heißt, es wird rational verhandelt, am Schluss gewinnt das beste Argument, Emotionen bleiben außen vor.
Appell an Ängste und Unsicherheiten
Es ist also kein Wunder, dass wer die Debatte um die Ehe für alle verfolgt, den Eindruck hat, um Jahrhunderte zurückgeworfen zu werden. Wo eine Ministerpräsidentin befürchtet, eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare könne auch eine „Heirat unter engen Verwandten“ zur Folge haben, hat die Diskussion die Ebene rationalen Argumentierens verlassen. Wenn Kramp-Karrenbauer Homosexualität als Vorstufe zur Inzucht sieht, plädiert sie klar an unterschwellige Ängste und versucht konservative Unsicherheiten auszunutzen.
Toleranz hat im fortschrittlichen Europa offenbar Grenzen. Während auf der einen Seite öffentlich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen gekämpft und für Offenheit plädiert wird, werden an anderer Stelle Bürgerrechte einer Minderheit verwehrt. Geht es nach der CDU soll die Ehe exklusiv bleiben, so sieht das schließlich auch die unangefochtene Moralinstanz der katholischen Kirche. Die Argumentation folgt dem Muster eines VIP Clubs: Wenn alle teilnehmen dürfen, braucht man das Label VIP auch nicht mehr und das ist nicht gut. Das könnte vor allem einige Jahres-Abonnenten der Ehe verärgern, zahlen sie doch Unsummen für regelmäßige Scheidungen und Hochzeitszeremonien in der Dauerschleife.
VIP-Club Ehe
Aber ganz selbstlos kann man die Debatte natürlich auch von Seiten des Kindeswohles aufziehen. Auch außerhalb der Ehe werden Kinder geboren und aufgezogen, ohne einen „psychischen Schaden“ davon zu tragen. Und wer eine Stigmatisierung fürchtet, unterschätzt die Offenheit von Kindern. Wenn Homosexualität endlich aufrichtig toleriert wird, anstatt von Teilen lediglich als eine Randerscheinung akzeptiert zu werden, fiele jeder Grund für eine Diskriminierung von Kindern aus homosexuellen Ehen weg.
Die CDU hat bei ihrem Höhenflug scheinbar den festen Boden unter den Füßen verloren. Hält sie an der Position gegen die Ehe für alle fest, droht sie schlussendlich nicht die Werte Familie und Ehe zwischen Mann und Frau zu schützen, sondern gesellschaftlichen Fortschritt mindestens zu blockieren. Mit einer Begründung die jeglichem Fundament entbehrt und irrationale Vorurteile puscht, könnte sie sich außerdem an den Rand einer demokratischen Debatte schieben. Hoffnung kommt derweil aus den eigenen Reihen: Das CDU Präsidiumsmitglied Jens Spahn bekennt sich nicht nur zur eigenen Homosexualität, sondern auch zur Ehe für alle. Das bessere Argument wird im Zweifelsfall nächste Woche im Bundesrat siegen.
Wer sich als Sklave zusätzlich mit einer „Ehe“ in eine exorbitante Abhängigkeit begibt, dem ist nicht mehr zu helfen
Ich sehe es wie Lagerfeld. „Ich hasse Hochzeiten. Ich warte bis zur Scheidung.“ Karl Lagerfeld