Lieber Barack Obama,
verstehen Sie wenigstens ein bißchen, warum viele Menschen in Deutschland so froh sind, dass es Edward Snowden gibt?
Und eigentlich hat er doch auch den US-Bürgerinnen und Bürgern einen sinnvollen demokratisch wertvollen Dienst erwiesen.
Wir hoffen sehr, dass es ihm gut geht, dort im Exil und er bald angstfrei in seine Heimat zurückkehren kann, die ja auch die ihre ist.
Hier für unsere dankbare Freude an diesem wachen und aufrichtigen amerikanischen Zeitgenossen ein paar Hintergründe:
Eine filigrane Ikone in der ach so coolen Postmoderne und unsere heimliche Sehnsucht nach ein bisschen Verklärung, denn leider: „Es kommen härtere Tage“ (Ingeborg Bachmann)
Klar, entschlossen und schüchtern zugleich, der Blick, unprätentiös, ja behutsam die Gestik, und zur Empathie fähig, das ist in seiner Mimik schön zart erkennbar.
Dieses für einen Mann selten dezente Selbstbewusstsein, also sich seiner Selbst, seines Wissens um Machtzusammenhänge bewusst sein – ein Anblick, der freudiges Erstaunen auslöst. Und so ist auch eine Trauer spürbar, die seine Augen leuchten lässt, weil selbst diese aus einer Besonnenheit herzurühren scheint.
Ja, und dieser unspektakuläre Ausdruck des Besonnenen trifft nun auf uns, die zunehmend Rat- und Rastlosen in der arrivierten Zuschauer-Demokratie unserer Tage, die aller Informiertheit zum Hohn untrüglich zu Jahren der Irritation zu gerinnen scheinen.
Edward Snowden – in der Tat eine Lichtgestalt, wundervoll wie aus einem Märchen.
Besonders diese im besten Sinn sanfte, fast weiblich zu nennende Aura, die sich mit seiner scharfsinnigen Beharrlichkeit zu einem Charisma vereint, das mich an die schöne Idee einer Balance von Yin & Yang erinnert.
So wirkt dieser junge und kluge Mann auch auf intellektuelle Frauen so aufmunternd wie Neugier erweckend, da irgendwie seelenverwandt. Alexander Kluge nannte es mal „die Zärtlichkeit der Vernunft“, was Männer und Frauen an seelischer Qualität verbinden könnte.
Edward Snowden – er geht konstruktiv um mit seiner informativen Überlegenheit. Dieser Mann ist keiner der Sorte rumprahlender Herren, jener „He- Men“, die das Zögern und das Zweifeln für peinliche Schwächen halten.
Nun hat Edward Snowden offenbar einen enormen inneren Prozess hinter sich, bevor er mit seinen Einsichten an die Weltöffentlichkeit ging, ein Pionier des Gestaltens zwischen allen Stühlen machtbesessener „Ernstfall-Logik“. Seine Beweggründe sind außerordentliche. Edward Snowden passt in kein Klischee. Ein singuläres Individuum geht seinen konsequenten Weg. Wir brauchen ihn und seine Begabung und seinen Mut – ja, auch als ein Vorbild für zivile Courage – und er braucht sicher auch uns in aller Zukunft, und das ist gut so, das bedeutet nämlich politisch wie ökonomisch – bei allem Schrecken, den er uns mit seinen Erkenntnissen vor Augen führt – eine potentiell sinnenfrohe Interaktion von wachen Demokraten und zwar global und schön solidarisch!
Bildquelle: Wikipedia, Laura Poitras / Praxis Films CC BY 3.0