Selbst erfahrene Parteigänger von CDU und CSU haben eine solche, beinahe giftige Atmosphäre auf einem CSU-Parteitag noch nicht erlebt. Doch Angela Merkel ließ sich nicht einschüchtern von Drohgebärden aus München, von kleinen Plakaten-Merkel muss weg- oder anderen Unmutsäußerungen. Und der große Horst Seehofer, der Chef der Partei, die sich in guten Zeiten gern Schwesterpartei der Christdemokratischen Union nennt, kriegte am Ende des Kongresse in der bayerischen Metropole noch einen Denkzettel von den eigenen Leuten mit auf den Weg. Sie nahmen ihm offensichtlich übel, wie er und einige der so genannten Parteifreunde mit der Kanzlerin umgesprungen waren. Höflich war das nicht gegenüber dem Gast aus Berlin.
Worum geht es eigentlich? Ach ja, um den Begriff der Obergrenze. Man fragt sich als Beobachter, was Seehofer mit der Obergrenze erreichen will? Wer setzt die fest und wie hoch muss sie sein? Und was ist dann, wenn diese Obergrenze von sagen wir mal 800000 erreicht ist? Wird dann zurückgeschickt, die Grenze dichtgemacht und von Grenzern mit Waffen bewacht? Will man vielleicht den guten alten deutschen Schäferhund einsetzen, damit die Flüchtlinge abgeschreckt werden können? Und was machen wir im Winter, der jetzt eingesetzt hat? Wollen wir Flüchtlinge draußen erfrieren lassen? Ich möchte die Bilder von Kindern in Eis und Schnee nicht sehen.
Europäische Lösung nötig
Angela Merkel blieb in München bei ihrer einmal gewählten Argumentationslinie. Wir brauchen eine europäische Lösung, alle Staaten der EU müssen sich gemäß ihrer Größe und Leistungsstärke daran beteiligen, müssen ein gewisses, noch festzulegendes Kontingent an Flüchtlingen aufnehmen. Was hier bisher vor allem die Länder des früheren Ostblocks geleistet haben, ist peinlich. Ferner wird die Türkei, wird der Libanon, wird Jordanien Geld und nötige Sachmittel aus Europa erhalten, damit diese Länder, die bisher schon Millionen Flüchtlinge aufgenommen werden, entlastet werden. Schließlich wird eine Lösung des Syrien-Konflikts, also des Bürgerkriegs, angestrebt. Hier scheint sich ja mit Hilfe von Russland und den USA ein Ausweg aus der Misere zu finden. Jedenfalls hat eine Konferenz in Wien erste Anzeichen auf eine Hoffnung geweckt. Das ist nicht der schnellste Weg, aber es ist ein Konzept, das sie vorgetragen hat und an dem gearbeitet wird.
Die Fluchtursachen zu bekämpfen, wird sie nicht müde zu betonen. Darum geht es letztendlich. Aber solange der Bürgerkrieg im Syrien nicht beendet ist, solange der Schlächter Assad an der Macht ist, wird kein Syrer freiwillig zurück in seine Heimat gehen. Schließlich ist er wegen Assad geflohen oder vor den Terroristen des IS oder vor Al-Kaida.
Es ist wahr, die große Zahl der Flüchtlinge in dieser kurzen Zeit ist eine Herausforderung für viele Städte und Gemeinden, vielleicht von der Dimension einer Jahrhundert-Aufgabe. Die Helfer, gleich ob ehrenamtlich oder professionell, stöhnen ob der gewaltigen Arbeit, die sie Tag für Tag und Nacht für Nacht zu bewältigen haben. Die Frage der Unterbringung von mehreren Hunderttausenden von Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Eritrea, Somalia, Mali stellt alle Beteiligten vor riesige Probleme und verlangt ihnen alles ab. Es wird schon wahr sein, wenn man die Klagen hört: Wir können nicht mehr, wir sind am Ende. Und doch wird weiter gearbeitet, angepackt und geholfen.
Kraftprobe mit Merkel schadet der Union
Die Debatte über die Obergrenze wirkt in diesem Zusammenhang beinahe kleinkariert. Merkel hat vor Wochen den Satz geprägt: Wir schaffen das. Damit hat sie doch die anstehenden Probleme nicht vom Tisch gefegt. Sie weiß doch selber, was da noch auf uns zu kommt : Schaffen von bezahlbarem Wohnraum, aber nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für Alleinerziehende, Hartz-IV-Empfänger, Langzeitarbeitslose, also für Deutsche mit dem eher schmalen Geldbeutel. Integrationsleistungen kommen hinzu, mehr Lehrer, Kindergartenplätze, Sprachkurse. Das Ganze wird nicht billig. Es kann sein, dass diese Belastungen auch den deutschen Steuerzahler etwas kosten. Andererseits wird es den Arbeitsmarkt beleben.
Seehofer hat gegenüber Merkel eine fast drohende Haltung eingenommen, als er feststellen musste, dass sie nicht bereit ist, den Forderungen der CSU nachzugeben. Nur, wem will er drohen? Der Kanzlerin? Die große Koalition gibt Merkel eine solche Mehrheit, dass sie auf die Stimmen der CSU nicht angewiesen ist. Das gilt auch für den Fall, Seehofer würde mit dem Gedanken spielen, die CSU-Minister aus der Bundesregierung abzuziehen. Eine solche Kraftprobe würde der Union schaden. Im nächsten Jahr finden Landtagswahlen statt, vor allem die Urnengänge in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg versprechend spannend zu werden. Die CDU kann diese Wahlen nur mit einer starken Kanzlerin gewinnen. Wer Merkel schwächt, schwächt die CDU.
Die CSU pocht stets auf ihre bundespolitische Rolle. Das hat schon Franz Josef Strauß getan und sich mit Helmut Kohl angelegt. Aber als der mit der Ausdehnung der CDU auf Bayern drohte, war der Spuk der CSU beendet, weil Strauß wusste, dass es dann endgültig vorbei wäre mit den Zeiten einer absoluten Mehrheit und einer Alleinregierung der CSU.
Die CSU ist eine auf Bayern begrenzte Regionalpartei, die einflussreich ist und die mitmischt in Berlin. Aber sie darf nicht überziehen. Punkt.
Bildquelle: Wikipedia, J. Patrick Fischer – Eigenes Werk, Horst Seehofer in Markt Schwaben 2009, CC BY 3.0
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