Als wir Dresden das erste Mal nach der Wende Ostern 1990 besuchten, blickten wir auf eine Stadt, die von Elbflorenz gar nichts mehr hatte. Grau war die bestimmende Farbe, es wirkte trist, wohin man auch schaute. Am Platz der ehemaligen Frauenkirche lag ein Trümmerberg aus den Steinen, die einst die Gemäuer dieser früheren Barock-Kirche gebildet hatten. Bei den Luftangriffen der britischen und amerikanischen Luftwaffe am 13. Und 14. Februar 1945, also vor 71 Jahren, war auch die Frauenkirche schwer beschädigt worden, am 15. Februar brach die Ruine in sich zusammen. Die DDR ließ die Ruine stehen-als Mahnmal gegen den Krieg und die Zerstörung einer Stadt, bei der nach Schätzungen 25000 oder mehr Menschen ums Leben gekommen waren.
Jahre später ist Dresden Symbol der deutschen Einheit, der Versöhnung und des Friedens geworden. An den 180-Millionen-Euro-Kosten des Wiederaufbaus der Frauenkirche zwischen 1994 und 2005 beteiligten sich Spender aus aller Welt, auch aus Großbritannien, darunter auch die britische Königin Elizabeth II.Wir sind das Volk, riefen die Menschen auch in Dresden und beendeten friedlich mit Kerzen die SED-Diktatur der DDR. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass aus dieser Stadt einst eine fremdenfeindliche Organisation wie Pegida hervorgehen könnte. Mit all den menschenfeindlichen Symbolen, wie sie bei ihren Demonstrationen gezeigt werden und dem Hass, wie er in manchen Reden und im Internet zum Ausdruck kommt. Widerlich, wenn man Plakate mit Merkel und Gabriel am Galgen zeigt.
Menschenkette und Konzerte
Wie in den Jahren zuvor gedachten viele Dresdner auch heute wieder der Zerstörung ihrer Stadt durch die Luftangriffe. Durch eine Menschenkette, durch Konzerte, durch Schweigeminuten setzte man Zeichen für Toleranz, Weltoffenheit, für Frieden, für ein Miteinander der Gesellschaft.
Man stelle sich das vor: Februar 1945, der Krieg war fast beendet, Dresden, eine bis dahin heile Stadt, war zum Zufluchtsort von Zigtausenden von Menschen aus den deutschen Ostgebieten geworden, die vor den heranrückenden Truppen der Roten Armee in die sächsische Metropole geflohen waren. Man kann das zum Beispiel nachlesen in einem Buch von Prof. Herfried Münkler „Die Deutschen und ihre Mythen“. Dort erfährt der Leser, dass der Dresdner Komponist Viktor Klemperer bis Anfang Februar 1945 von der Deportation der Juden verschont geblieben war. Und „womöglich“, so Münkler, „hat ihm der Bombenangriff vom 13./14.Februar das Leben gerettet, denn in dem Chaos danach war eine geordnete Erfassung der überlebenden Juden nicht mehr möglich“.
Aus dem Alltag eines rassisch Verfolgten
Münkler zitiert aus dem Tagebuch Klemperers, in dem der Alltag eines rassisch Verfolgten während der Nazi-Zeit penibel beschrieben wird. Klemperer ging damals davon aus, dass ihm und den anderen Juden maximal noch eine „Galgenfrist“-wörtlich- von Tagen bleibe. „Dann holt man uns früh um sechs aus den Betten.“ Man war also bedrückt… „da kam Vollalarm“. „Man hörte“, so der Eintrag im Tagebuch, „sehr bald das immer tiefere und lautere Summen nahender Geschwader, das Licht ging aus, ein Krachen in der Nähe..man kniete geduckt zwischen den Stühlen, aus einigen Gruppen Wimmern und Weinen.. Todesgefahr, neuer Einschlag..“ Überall habe es lichterloh gebrannt, am Pirnaischen Platz, in der Marschallstraße und irgendwo an oder über der Elbe. Der Boden mit Scherben bedeckt, ein „furchtbarer Sturmwind blies. Natürlicher oder Flammensturm? Wohl beides“.
Dresden brannte mehrere Tage, brennende Kissen und andere Gegenstände flogen, durch den Flammensturm in die Luft geschleudert, teils Kilometer weit, wie Augenzeugen später schilderten. Die Bergung der vielen Leichen und deren Beerdigung war schwierig mitten in diesem Bombendesaster. „Schließlich entschloss man sich, die verkohlten und verstümmelten Leichen auf dem Altmarkt aufzuschichten und zu verbrennen.“ So Prof. Münkler .
Städtepartner Coventry und Rotterdam
Über die Motive der Alliierten, Dresden anzugreifen, ist vieles geschrieben und spekuliert worden. Sicherlich ist es nicht falsch, anzunehmen, dass Churchill Stalin zeigen wollte, mit welcher Kraft und Entschlossenheit der Westen Hitler bekämpfte und dazu suchte man ein Ziel für einen großen, demonstrativen Schlag. Also Dresden.
Die Zerstörung Dresdens war auch ein großes Massaker, es wird neben Hiroshima genannt und längst kann man es ein Verbrechen nennen, einen Akt gegen die Menschlichkeit. Wenn Zivilisten absichtlich getötet werden, und das geschah an jenen Tagen in Dresden, dann ist das ein Kriegsverbrechen. Aber wenn man mit dem Zeigefinder auf Briten und Amerikaner zeigt, sollte man an den Satz des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann denken: Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, muss wissen, dass drei Finger derselben Hand auf einen selber zeigen. Den ersten Luftangriff auf eine bewohnte Stadt flog im Zweiten Weltkrieg die deutsche Luftwaffe und zerstörte die polnische Stadt Wielu fast völlig. Geschehen am 1. September 1939, dem Tag des Kriegsausbruchs. Weitere Beispiele sind Rotterdam und Coventry. Im Mai 1940 bombardierte die Luftwaffe von Nazi-Deutschland Rotterdam noch während der Kapitulationsverhandlungen, 900 Zivilisten wurden getötet. Im November 1940 folgte der Luftschlag gegen Coventry mit 600 toten Zivilisten. Währen der gesamten Luftschlacht um England kamen bis Juni 1941 rund 43000 Zivilisten ums Leben.(Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens) Es ist gut, dass diese beiden Städte heute mit Dresden verbrüdert sind durch Städtepartnerschaften.
Der Kommentator des Berliner Tagesspiegel, Malte Lehming, hat vor einem Jahr den Angriff auf Dresden als ein „Kriegsverbrechen“ bezeichnet. Wörtlich schrieb er: „Dresden war ein Unrecht. Schmälert das den Dank der Deutschen, von den Alliierten befreit worden zu sein? Nein.“ Lehming hat Recht. Dresden ist Mahnmal und Symbol zugleich. Wir sollten es nicht den Ewiggestrigen von Pegida überlassen. Sie sind nicht das Volk.