Fast immer, wenn wichtige Wahlen vor der Tür stehen, werden die politischen Matadore nervös, es geht um ihre Macht, um die Mandate ihrer sogenannten Parteifreunde, um Auf-und Abstieg. Dieses Mal haben die Landtagswahlen vor allem in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine besondere Bedeutung, auch für die politischen Strategen in Berlin. Sie sind auch deshalb angespannt, weil mit der AfD eine neue Partei auf der politischen Agenda steht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in alle Parlamente einziehen und das Regieren erschweren wird. Eine rechtspopulistische Partei, die allein vom Schüren der Ängste um Flüchtlinge lebt. In gut zwei Wochen, am 13. März, werden auch die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel und ihr Vizekanzler, der SPD-Chef Sigmar Gabriel, nach Stuttgart und Mainz blicken. Verliert die CDU beide Rennen, wird der Druck auf Merkel zunehmen, fliegt die SPD aus beiden Regierungen, muss sich Gabriel noch mehr Kritik als sonst gefallen lassen und sich warm anziehen.
Es sind Landtagswahlen, aber die üblichen Landesthemen spielen- wenn überhaupt- nur am Rande eine Rolle, weil die ganze Republik nur ein Thema kennt, das aber alle von Flensburg bis Garmisch und von Aachen bis Frankfurt/Oder gleichermaßen umtreibt: die Flüchtlingskrise. Sie ist da, weil die Menschen aus vielen Ländern nach Deutschland gekommen sind und weiter kommen werden. Menschen in Not, die vor den Bomben auf Syrien geflüchtet sind, teils mit ihrer, teils ohne ihre Familie. Es sind Flüchtlinge aus Afghanistan, auch nicht bekannt als idealer Ort, um in Ruhe und Frieden leben und arbeiten zu können. Sie sind aus dem Irak, einem Staatengebilde, das seit Jahren vor allem durch nicht aufhören wollende Selbstmordattentate auf sich aufmerksam macht, aus afrikanischen Staaten wie Eritrea und anderen Flecken der Welt, in denen Menschen aus welchen Gründen auch immer von Potentaten bedroht werden. Andere kommen zu uns, weil sie zu Hause einfach nicht genug zu essen und zu trinken bekommen.
Niemand hat eine Lösung
Niemand hat eine Lösung parat, wie es denn gehen könnte. Alle reden von Integration, aber wie sieht der Plan aus, wie teuer ist die Umsetzung mit neuen Lehrern, Erziehern, Sprachkursen, Jobs, Wohnungen, Polizei? Alle wollen die Flüchtlingszahlen verringern, am besten dadurch, dass die Menschen zu Hause bleiben- aber wie die Menschen in ihrer Heimat halten, wenn sie sich bedroht fühlen. Der eine fordert dazu nationale Maßnahmen wie Grenzen um Deutschland, wie das andere Länder vorgemacht haben, andere fordern Obergrenzen wie die CSU oder Kontingente und Grenzzentren wie die CDU-Spitzenkandidaten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Klöckner und Wolf. Angela Merkel will auch die Zahlen reduzieren, strebt aber europäische Lösungen an, will, dass sich alle Europäer an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen, verhandelt mit der Türkei, damit Ankara Deutschland hilft. Die Fluchtursachen in den Fluchtländern bekämpfen ist ein weiterer Punkt in ihrem Programm, wie die Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien. Aber dabei spricht auch Russlands Präsident Putin ein gewichtiges Wort mit.
Merkel sucht verzweifelt Mitstreiter
Ein Riss geht durch Europa, Angela Merkel sucht verzweifelt Mitstreiter für ihren Kurs und fühlt sich bisher allein gelassen. Die EU-Nationalstaaten sind getrieben von ihrem Egoismus und fordern Sonderregelungen für sich. Siehe England. Geld aus Brüssel für ihre florierende nationale Wirtschaft, das nehmen sie alle gern, zum Beispiel die Polen, aber Flüchtlinge soll bitte schön Deutschland aufnehmen, als wäre es nur ein deutsches Problem. Die Kleinen in Europa zeigen es dem mächtigen Deutschland, das vor wirtschaftlicher Kraft nur so strotzt- und das wissen alle und beneiden Merkel und Co darum. Sie alle wissen, dass Merkel auf die Hilfe der Nachbarn, gerade auch der Kleinen angewiesen ist, aber sie zeigen sich nicht interessiert.
Stoiber griff die Kanzlerin heftig an
Ein Riss geht durch die CDU und CSU, wie sich gerade wieder bei einer Fernseh-Diskussion zeigte. In der Sendung „Maybrit Illner“ lief der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber zur Hochform auf und griff Merkel heftig an. Sie allein sei daran schuld, wenn die anderen Europäer Berlin im Regen stehen ließen, Merkel habe sich zu wenig um sie gekümmert, überhaupt sei der Merkelsche Alleingang verantwortlich dafür, ihre angebliche Einladung an alle Flüchtlinge, nach Deutschland zu kommen, das sei der Fehler, der korrigiert werden müsse. Und weil er schon mal dabei war, die Chefin der so genannten Schwesterpartei zu attackieren, warf er ihr nebenbei auch vor, den Rechtsruck in ganz Europa verantworten zu müssen, also AfD hier, Front National in Frankreich, die Rechten in Wien, in Schweden, den Niederlanden, in Ungarn, Stoiber schien sich gar nicht mehr einzukriegen. Europa werde kaputt gemacht, befürchtete er und zeigte erneut auf die Kanzlerin. Die Angriffe waren derart heftig, dass am Tag danach der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok zurückgiftete: Merkel sei dann wohl auch für den Regen verantwortlich.
Sorgen um die Zukunft Europas
Wer die Diskussion bei Illner gesehen hat, rieb sich die Augen. Der neben Stoiber sitzende SPD-Chef Gabriel sprach dagegen sehr besonnen, nahm Merkel in Schutz und redete gegen nationale Maßnahmen wie Grenzzäune und äußerte die große Sorge um die Zukunft Europas, eines Gebildes, das unsere Vor-Vorväter als Konsequenz aus den Erfahrungen zweier schlimmer Weltkriege geschaffen haben. Europa, eine Friedenszone in der Welt, mit einer florierenden Wirtschaft, mit Menschen, denen es in ihrer großen Mehrheit gut bis sehr gut geht.
Dabei weiß auch Stoiber, dass nicht Deutschland mit seiner Macht und seinem Geld die Regeln in Brüssel bestimmt, er weiß, Merkel ist darauf angewiesen, dass die Partner ihr aus gutem Willen oder gar aus Einsicht folgen, aber beides ist momentan nicht vorhanden und ein Ende dieser abweisenden Haltung ist leider nicht absehbar. Stoiber zu Hilfe kam ein Journalist, der Chefredakteur des Magazins Cicero, Christoph Schwennicke. Merkels Politik sei gescheitert, stellte er fest. Seine Lösung: Grenzen dicht machen, Tagungskontingente müssten her. Frau Klöckner wird gejubelt haben. Was Merkel mache, sei Realitätsverweigerung. Schwennicke griff auch den SPD-Chef Gabriel an: weil nicht ausreichend auf die Meinung der Bürger geachtet werde, nähmen rechtspopulistische Tendenzen zu.
Es gibt immer Alternativen
Zu Merkels Zukunft fiel an diesem Abend kein Wort, aber man spürte, die Stimmung in der Union ist ziemlich geladen. Auch wenn Stoiber nur die CSU repräsentiert, Merkels Ansehen in der CDU hat schwer gelitten. Ob es ihr gelingt, die Kurve zu kriegen, entscheidet sie nicht allein, sondern auch die übrigen Europäer. Und auch für Merkel könnte die Luft dünner werden, wenn mehr und mehr CDU-Parlamentarier im Bund und den Ländern um ihre Mandate fürchten müssen. Denn in 2017 wird auch im Bund gewählt. Gabriel, über den in Berlin gemunkelt wird, bei einem Wahldesaster in Mainz und Stuttgart müsse mit allem gerechnet werden, auch mit seinem Rücktritt, wies Spekulationen weit von sich. Er will bleiben, betonte er, von seinem Nachbarn auf dem Podium, Stoiber, unterstützt: Es gebe ja auch keine Alternative, so ähnlich war der Bayer zu vernehmen. Aber Gabriels Aktien in der SPD sind schon heute nicht hoch im Kurs. Was machte er denn bei einem Kurssturz?
Wie war das noch mit Ludwig Erhard?
Und was Alternativen angeht und zwar für Merkel wie Gabriel: Es gibt immer eine Alternative. Merkel sollte die Geschichte von Ludwig Erhard nachlesen und dessen Sturz. Der war auch mal sehr beliebt, aber als der Wahllokomotive Erhard die Kohlen ausgingen, war es schnell vorbei mit ihm. Sein Nachfolger wurde einst Kurt-Georg Kiesinger. Sie könnte Helmut Kohl fragen, der war dabei, als Erhard von den Parteifreunden allein gelassen wurde. Wie sagte schon Adenauer: Die Steigerung von Feind ist Parteifreund.
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