Es ging zu, wie bei der Echternacher Springprozession: Zwei Schritte vor und einen zurück. Der Lockdown an Ostern wurde beschlossen aber wieder zurückgenommen. Die Bundeskanzlerin gesteht diesen kleinen Fehler in dem gesamten Desaster ein. Aber wer entschuldigt sich für die Großen, die Menschenleben kosteten? Wer Angela Merkel dafür lobt, dass sie das Volk um Verzeihung für einen Fehler bittet, der sollte erstens den Wortlaut lesen und in den Rückspiegel schauen. Der Wortlaut verrät, dass sie nur „qua Amt“ die formale Verantwortung übernommen hat. Nicht die persönliche Schuld. Die Überraschung, dass da eine deutsche Politikerin einen Fehler, wenn auch nur halbherzig zugibt, war so selten, wie eindrucksvoll, dass der Trick nicht erkannt wurde. Sie hat mit diesem taktischem Geniestreich zumindest versucht das gesamte Desaster der Impfstoffbeschaffung unter den Teppich zu kehren.
Ob sie mit der Übertragung an die EU die Impfstoffe zu bestellen und europaweit verteilen zu lassen gegen das Grundgesetz verstoßen hat, darüber redet und schreibt niemand mehr. Aber das ist der Kern des Problems. Europa ist nur ein Staatsbund, keine Nation. Die Bundeskanzlerin hat die Präsidentin der EU-Kommission, Frau Ursula von der Leyen, dazu massiv unter Druck gesetzt. Wohl wissend, dass sie schon mit der Führung der Bundeswehr überfordert war. Auch die zuständige Kommissarin Stella Kyriakides, eine Jugendpsychologin aus Zypern gilt als unerfahren. Keine der Schwestern ist befähigt und damit geeignet eine Katastrophe von solchem Ausmaß zu managen. Zwischenzeitlich sind Menschen von der Einwohnerzahl einer Stadt gestorben. Das wirft unausweichlich die Frage nach der Verantwortlichkeit auf. Das Unrecht hat immer Name und Adresse. Wer muss dafür um Verzeihung bitten?
Das Regierungshandeln von Angela Merkel muss sich nach dem deutschen Grundgesetz und den dazu ergangenen Urteilen des Verfassungsgerichts richten. Die nationalen Normen legen eindeutig fest, dass die erste Aufgabe unseres Staates der Schutz des menschlichen Lebens ist. Dieses Grundrecht ist sogar der Disposition des Bundestages entzogen. Die Beschaffung von Impfstoffen und deren Verteilung in einer derartigen Gefahrsituation um die Harmonie in dem Staatsbund zu bewahren war und ist ein Nebenziel. EU-Beamte haben keine wesentliche Erfahrung im Abschluss harter Wirtschaftsverträge oder der Logistik. Sie kennen sich in der Schrittfolge diplomatischer Balztänze aus. Die Frage des Außenbeauftragte der EU Josep Borell in einem „Spiegel“-Interview, ob das Leben eines deutschen wichtiger sei als das eines Esten muss man zwar mit Nein beantworten aber für den Schutz der beiden Leben sind die deutsche oder estische Regierung verantwortlich. Da gibt es keinen Ermessensspielraum, denn es geht um Leben und Tod. Das Schneckentempo, in dem die Impfstoffe bestellt und verteilt wurden kostete schon vielen Menschendas Leben. Andererseits haben der russische Impfstoff Sputnik und der chinesische Impfstoff von der Firma Sinopharm schon tausende menschliche Leben in den Herstellerländern und in Afrika, Asien und Lateinamerika gerettet. Zum Beispiel in Chile. Allerdings muss die Bundesregierung denMut aufbringen die politischen Scheuklappen abzulegen und unkonventionell zu handeln. Können das unsere politische Funktionseliten noch, die im Funktionärs- und Beamtendenken verhaftet ist?
Niemand darf die Bundeskanzlerin oder die EU-Politikerinnen verurteilen. Wer will schon in ihrer Haut stecken. Aber aus jeder Gefahr, die Millionen Bürgerinnen und Bürger treffen kann, muss die Regierung lernen. Wir brauchen Leuchttürme, die orientieren. Die Politiker sollten doch wissen, dass Deutschland über die weltbesten Logistiker verfügt. Warum überließ man nicht DHL, Lufthansa-Cargo oder dem Materialamt der Bundeswehr die Beschaffung vom Schutz- oder Impfmaterial? Warum erst jetzt die Verteilung von Masken und Test durch Aldi oder dm? Der Mangel an Impfstoffen hat dazu geführt, dass niedergelassene Ärzte, Betriebsärzte oder Kliniken immer noch nicht in die Impfungen eingezogen werden.
Politiker sind in der Regel Laien, die sich fachliches Wissen erst aneignen müssen. Sie sind bei der Bekämpfung der Corona-Krise auf die Mitarbeit von kompetenten Experten angewiesen. Gemeinsam müssen dann Ziele definiert und Prioritäten gesetzt werden. Bundeskanzler Helmut Schmidt organisierte bei der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ einen Krisenstab, in dem Experten der Sicherheitsorgane der Lufthansa oder Psychologen redeten. Der verstorbene Bundeskanzler konnte exzellent jeden an der richtigen Stelle einsetzen und mit Aufgaben betrauen.
Aufgabe der Politiker ist, auch die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit ihrer wattigen Stimme keine mitreißende Rednerin, die Zuversicht und damit Kräfte im Land mobilisieren und motivieren kann. Politik ist ein Kunsthandwerk, bei dem man beim Blick auf Details das Ganze nicht aus dem Auge verlieren darf. Genau das ist in den Ministerpräsidentenrunden der Ländern mit der Bundeskanzlerin passiert. Ein Desaster durch Führungslosigkeit. Die Bundeskanzlerin sollte ihren Hut nehmen.