Die gleichen Politiker und Medienvertreter, die sich bei der Verkündung des Verfassungsgerichtsurteil zum Bundeshaushalt in Häme gewälzt haben, schreien jetzt bei einem Teil der Kürzungspläne der Bundesregierung am lautesten.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Dürr, teilt der Öffentlichkeit ohne rot zu werden mit, dass seine Fraktion die angekündigte Streichung der Steuervorteile im Agrarbereich für Kfz-Steuer und Diesel Subventionen nicht mittragen werde. Wohlgemerkt: Dürr hat ebenso wie der Parteivorsitzende der FDP und Bundesfinanzminister Lindner aktiv an den Kürzungs-Beschlüssen mitgewirkt. Eine atemberaubendere Volte zu politischen Entscheidungen ist kaum vorstellbar! Der Schwanz (FDP) wackelt wieder mit dem Hund (Koalition). Wer die vergangenen zwei Jahre der Regierungsarbeit Revue passieren lässt, wird um die Feststellung nicht herum kommen: Die FDP ist nicht kalkulierbar, sie ist nicht regierungsfähig, sie kann seriös für keine Regierungskonstellation in Betracht kommen. Rational ist die irrsinnige Sparwut des Finanzministers und seiner Partei schon lange nicht mehr nachvollziehbar. Darin sind sich nahezu alle Wirtschaftsfachleute, die Bundesbank und die einschlägigen Vertreter der EZB einig. Nicht die Schulden werden künftigen Generationen auf die Füsse fallen, wie Lindner immer wieder behauptet, sondern die Sanierungskosten für kaputte Brücken, Straßen, Schulen und Schienen. Schon die Merkel Regierung hat dem Sparwahn „schwarze Null“ folgend erforderliche Zukunftsinvestitionen verhindert, Lindner erzwingt eine Fortsetzung dieser mit den Mitteln des Verstandes nicht erklärbaren Politik.
Dass nun die Traktoren der Bauern zum Protest nach Berlin rollen, ist nichts Neues. Ähnliche Macht Gebärden im Agrarbereich hat es schon vielfach gegeben. Neu ist nur die Tonlage bei Protestkundgebungen, wie bei der Rede des Verbandspräsidenten vor dem Brandenburger Tor. Mit Schaum vor dem Mund und wüster Brüllerei hat er zum Sturm auf die Bundesregierung gedroht, wenn sie nicht einknickt. Der neben ihm stehende Landwirtschaftsminister Özdemir hat dabei nur betreten in die schreiende Bauern Menge schauen können. Dass es auch andere Stimmen zu den geplanten Subventionskürzungen gibt, hat der Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, Martin Hofstetter, deutlich gemacht. Er hält die Kürzungsvorschläge angesichts rekordverdächtiger Agrar- und Lebensmittelpreise und der riesigen Gesamtsumme der Subventionen im Agrarbereich für verkraftbar. Eine sehr aktuelle bei Spiegel Online veröffentlichte Umfrage zeigt, die Bürgerinnen und Bürger sehen dies exakt genauso: 68 % der Befragten halten die Kürzungen für richtig, 38 % nicht. Bundeskanzler Scholz sollte hart bleiben gegenüber dem erwartbaren Versuch, das Kürzungspaket wieder aufzuschnüren, auch um den Preis des Scheiterns.
Demokratie ist, wenn man trotzdem lacht.