Je suis Charlie, tönt es europa-, ja weltweit, überall ist es zu lesen, diese einzigartige Solidaritäts-Aktion mit den Karikaturisten von Charlie Hebdo, die Opfer des miesen Mordanschlags mitten in Paris geworden waren. Jetzt erst recht, rufen die Zeichner in aller Welt den Terroristen zu. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Ihr könnt noch so viele Karikaturisten umbringen, es gibt mehr Zeichner und mehr Stifte auf dem Erdball, und die sind schärfer als eure dumpfen Kalaschnikows. Der Stift wird wie ein Islamistenfinger gen Himmel gehoben.
Die Täter töten, was sie zu schützen vorgeben: Ihre Kugeln treffen die Moschee, heißt es in einer Karikatur-Unterzeile der Süddeutschen Zeitung. Überall macht sich Traurigkeit breit, Trauer, Empörung, Wut und überall wird Widerstand angekündigt. Glaubt ja nicht, dass Ihr uns einschüchtern könnt. Wir machen weiter. Die Arbeit der Pariser Kollegen bei Charlie Hebdo wird gewürdigt. Der Stift wird zu einem Symbol der Pressefreiheit. Darum geht es, keine Frage. Und die Leser solidarisieren sich mit der Zeitschrift und wünschen als Konsequenz des mörderischen Angriffs auf Charlie Hebdo dem Blatt eine Millionen-Auflage.
Die Kunst ist nicht zu töten
Als wenn man Kunst totschießen, ermorden könnte. Die Feder mag abbrechen, dann wird sie wieder angespitzt oder durch eine neue ersetzt. Mundtot wird sie nie, selbst in einer Diktatur nicht. Ja, sie sind gelegentlich scharf, boshaft, man muss sie ertragen können. Das ist ein Teil der Pressefreiheit, die immer wieder neu verteidigt werden muss, wie das Pariser Beispiel zeigt. Wie es schon früher war, im 19. Jahrhundert, als der Zeichner Honoré Daumier seine berühmt gewordene Karikatur des Bürger-Königs Louis Philippe in der französischen Tageszeitung „Le Charivari“ veröffentlichen konnte. Sie zeigte den König als Birne. Und wenn man das Bild französisch interpretiert, wird darunter so etwas wie Dummheit verstanden, heißt Birne auch matschig. Für Daumier hatte die Karikatur zur Folge, dass er sechs Monate Gefängnis auf Bewährung erhielt. Es war die Zeit der Zensur, als noch um die Freiheit der Presse gekämpft werden musste, weil sie den Mächtigen ein Dorn im Auge war. Daumier legte sich immer wieder mit dem König und seinen Hofschranzen an und landete im Gefängnis, weil er Louis Philippe gezeichnet hatte, wie der Journalisten ausspuckte.
Die Birne als Motiv des Zeichners, um den Politiker nicht nur auf die Schippe zu nehmen, sondern über ihn und seine Macht zu spotten, wurde in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von Hans Traxler, geboren in Nordböhmen, dem heutigen Tschechien, aufgegriffen. In der „Titanic“, Charlie Hebdo nicht unähnlich, bildete er den Bundeskanzler Helmut Kohl als Birne ab. Von da an hatte der CDU-Kanzler den Spitznamen Birne weg. Ob es dem Gezeichneten gefallen hatte, spielte für den Künstler nicht die entscheidende Rolle. Er hätte das Bild so oder so verwendet. Angriff muss sein. Die Aufgabe der Presse ist nicht, den Herrschenden zu gefallen und ihnen nach dem Mund zu reden. Das gilt natürlich für Karikaturisten in besonderem Maße. Ihre Zeichnungen in den Tageszeitungen werden nicht selten als die eigentlichen Leitartikel eingestuft.
Dem Betrachter kann das Lachen vergehen
Der Karikaturist kann komisch sein, seine Zeichnungen müssen es nicht, sie sind eher sarkastisch gemeint, als scharfe Attacke auf den Gezeichneten, der bewusst überzeichnet wird, verzeichnet. Beim Betrachten der Karikatur kann einem das Lachen vergehen. Der Karikaturist schont keine Gattung, keinen Beruf, der Priester, der Papst, jeder Politiker, Präsidenten und Kanzler aller Parteien auf der Welt müssen damit rechnen, aufgespitzt zu werden.
Zurück zum Pariser Fall: Auch die deutschen Medien stehen Seite an Seite mit ihren Kollegen in Frankreich und zeigen ihr Gesicht für die Freiheit der Presse. Der Karikaturist des Bonner Generalanzeigers, Burkhard Mohr, ein preisgekrönter Zeichner, zeigt den vermummten Terroristen, wie er dem Karikaturisten die Kalaschnikow an die Stirn drückt und diesem per Sprechblase droht: Darfst noch zu Ende zeichnen.
Vor Jahren Morddrohungen in Dänemark
Schon vor Jahren wurde der Zeichner in Dänemark, Kurt Westergaard, wegen der Mohammed-Karikaturen mit Morddrohungen verfolgt, ähnlich erging es einem der besten des Fachs in Deutschland, dem Karikaturisten des Berliner Tagesspiegel, Klaus Stuttmann, der die Herrscher im Iran auf seine Feder gespitzt hatte.
Dass das Verbrechen ausgerechnet in Frankreich geschah, im Land der Liberté, Egalité und Fraternité! Es war der Angriff von Terroristen auf die Pressefreiheit, von Leuten, die sich Moslems schimpfen, die eine Religion vorschieben, um ihren Rassismus auszuleben. So und so ähnlich klingen die Reaktionen vieler Leser im Internet und in anderen Medien. Für diese Menschen dient der Islam, das Christentum oder irgendeine Religion als Vorwand, um mit mörderischer Energie ihrem Leben einen Sinn zu geben. Welch ein Wahnsinn! Der Karikaturist des Jahres 2014, Heiko Sakurai, hat das Bild zweier miteinander tanzender Terroristen gezeichnet, der eine steht für den Islamistischen Terror, der andere für den Islam Hass. Die Zeichnung hat die Unterzeile: Perfekt harmonisierendes Paar.
Bei Pegida-Demos Rufe: Lügenpresse
In gewissen politischen Kreisen bei uns, angeführt von der AfD, werden die tödlichen Angriffe auf Charlie Hebdo zum Anlass genommen, um auf Deutschland zu verweisen. Um daraus den Schluss zu ziehen, als wäre Pegida die nötige Antwort darauf. Aber trägt nicht der Name Pegida schon den Ansatz zum Rassismus in sich: Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes? In einer Stadt, in der der Anteil der Muslime unter einem Prozent beträgt. Und wenn wir schon beim Kampf um die Pressefreiheit sind, darf man daran erinnern, was bei den Pegida-Demos in Dresden immer wieder gerufen wurde: Lügenpresse. Damit das nicht missverstanden wird: Wir halten das aus, aber tolerant ist das nicht.
Burkhard Mohr, der Bonner Zeichner, dessen Werke auch in der SZ wie im Handelsblatt gedruckt werden, lobt den beim Attentat erschossenen Chefredakteur von Charlie Hebdo, Stéfane Charbonnier, hat Riesenrespekt vor dessen Mut. „Er war vorbildlich mutig als Verteidiger der Pressefreiheit“, wird Mohr in einem Interview mit seiner Hauszeitung, dem Bonner Generalanzeiger, zitiert. „Ich weiß nicht, ob ich diesen Mut hätte“. Charbonnier, der allein lebte, hatte vor Zeiten, als er auch schon mal bedroht worden war, betont, er wolle „lieber aufrecht sterben, als vor jemandem auf Knien zu rutschen“.
Das Ende ist bekannt, es ist tragisch. Mohr bekennt denn auch im General-Anzeiger, wie sehr ihn das Attentat auf seine französischen Kollegen getroffen habe. „Mir haben die Hände gezittert. Ich bin kein Märtyrertyp.“ Wer ist das schon? Man muss den Hut ziehen, dass er so zeichnet, wie er zeichnet, man muss ihm Mut machen, weiter zu arbeiten. Für uns, für die Pressefreiheit, die nicht ohne Grund zu den wichtigsten Errungenschaften des freien Westens gehört.