Bremen ist ein kleines Land, es besteht onur aus den Städten Bremen und Bremerhaven. Für die Landtagswahl waren nur 460000 Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt. Also nur ein kleiner Fisch? Oder um es mit dem Bild der Bremer Stadtmusikanten zu sagen: Da oben spielt nicht die große Musik. Könnte man meinen, wenn man Bremen unterschätzt, was manche tun, die das schöne Fleckchen da oben nicht kennen. Noch nie nach dem Krieg hat es in Bremen einen CDU-Bürgermeister gegeben, immer hatte die SPD die Nase vorn. 2019 plötzlich gewann die CDU die Wahl und hängte die SPD ab. Was den Christdemokraten aber auch nichts nutzte, mit Grünen und der Linken bildete die SPD eine Koalitionsregierung, sie wechselte aber den Amtsinhaber Carsten Sieling gegen Andreas Bovenschulte. Und dieser Bovenschulte schaffte jetzt das Kunststück, in Zeiten, da die SPD im Bund in allen Umfragen weit hinter der CDU liegt, der Union wieder die Mehrheit abzujagen.
Rund 30 Prozent der Stimmen entfielen auf die SPD oder soll man besser sagen auf Bovenschulte? Die CDU schaffte ca. 26 Prozent, die Grünen büßten viele Stimmen ein, die Linke blieb ziemlich stabil und dann gibt es noch eine Bremer Besonderheit, die BIW, Bürger in Wut, die ein Sammelbecken vor allem der Rechtsaußen waren bei dieser Wahl, weil die AfD wegen eines Formfehlers aufgrund ihrer Zerstrittenheit nicht zugelassen war. Für die FDP war es mal meine Zitterpartie.
Olaf Scholz kann erstmal aufatmen, seine SPD hat ein Stammland zurückgewonnen. Und dies mit einem Wahlkampf, der einem Sozialdemokraten gut zu Gesicht stand. Denn dieser Bovenschulte, ein Zwei-Meter-Mann, beliebt. weil präsent, ein Mann der Basis, nicht abgehoben, stellte die alten SPD-Themen in den Mittelpunkt seines Ringens um Stimmen. Starke Wirtschaft, gute Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität, innere Sicherheit, was den kleinen Mann sehr interessiert. Da täusche sich niemand. Bovenschulte hatte es zudem geschafft, während der Corona-Pandemie gegen alle Kritik und Quertreiberei eine Impfquote von weit über 90 Prozent zu erreichen.
Linksliberal, weltoffen, kauzig
Bremen hat Probleme. Die Armutsquote in Bremen ist hoch, jeder Vierte gilt als arm. Rund 17000 Langzeitarbeitslose leben im Land, die meisten ohne Ausbildung. Bremen ist nicht unbedingt Vorbild in der Schul- und Bildungspolitik. Aber das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Bremen ist das zweithöchste in der Republik nach Hamburg. Und wer auf Leerstand und schmutzige Ecken in Bremen hinweist, der bekommt zu hören, dass nicht jede Stadt eine solch schöne gute Stube zu bieten habe wie Bremen mit Rathaus, Bürgerschaftsgebäude, Handelskammer und Dom. Nicht zu vergessen Weder Bremen, der Fußballklub in der Bundesliga. Bremen gilt als linksliberal, weltoffen, bescheiden, der Bürger aber auch gern als kauzig, eigenartig. Eben anders als die Söders und wie die Großmäuler in der Politik sonst heißen.
Dass Bovenschulte diese Wahl für sich entschieden hat, zeichnete sich ab. Er rockte den Wahlkampf, die CDU hatte im Grunde kein Mittel gegen den omnipräsenten Sozialdemokraten, den 52 Prozent der Bürgerinnen und Bürger auch direkt gewählt hätten, so rühmten Umfragen dessen Beliebtheit. Eine kleine Geschichte aus dem Wahlkampf bewies, wie erdverbunden dieser Mann war, nah am Bürger. Auf Betreiben vor allem der Senatorin für Klimaschutz, Mobilität und Stadtentwicklung, Maike Schaefer, wurde die sogenannte „Brötchentaste“ abgeschafft, eine Einrichtung für schnelle Erledigungen, ohne dass man ins Parkhaus fahren und fürs Kurzparken zahlen muss. Bovenschulte ließ es geschehen, signalisierte aber, dass ihm das nicht passte. Also erklärte er, darüber nach der Wahl reden zu wollen, wenn er die Wahl gewinnen sollte. Was ja passiert ist.
Nun kann man sagen, Brötchentaste, lächerlich. Aber dahinter steckte die Erfahrung aus der Vergangenheit, als Teile der SPD auch und vor allem in Bremen grüner werden wollten als die Grünen und dabei ihr eigenes Gesicht verloren. Denn die Wähler wählen nun mal das Original. Das hat Bovenschulte erkannt. Und wenn man so will, hat er die Wahl gewonnen, weil er sich nicht anpassen wollte an die politische Konkurrenz, sondern sich vielmehr der Wurzeln der SPD erinnerte, die gefragt sind in einem Land, das vom Strukturwandel ganz schön geschlaucht ist. Und das auch die Energiekrise zu spüren bekommt wie andere, auch die Inflationsangst blieb und bleibt den Bremern nicht erspart wie auch die Kriegsangst nicht. Und weil das so ist, setzte er auf SPD-Themen wie Wirtschaft und Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Solidarität, redete er über den Zusammenhalt in der Gesellschaft, für den man kämpfen müsse.
Reiche mehr belasten
Vor allem soziale Gerechtigkeit muss stärker in den Vordergrund rücken. Kanzler Olaf Scholz hat es damals in seinem Wahlkampf getan. Die starken Schultern mehr belasten, das forderte schon Willy Brandt, das muss auch Scholz auf den Tisch der Koalition legen, das Thema muss in den Mittelpunkt der Debatten im Bundestag rücken. Denn es kann nicht sein, dass die Reichen immer reicher werden und die Armen ärmer, dass die Schere zwischen wenigen Milliardären und mehrfachen Millionären und den Tausenden und Abertausenden Normalverdienern immer weiter auseinandergeht. Die FDP eines Christian Lindner wird das Thema nicht auf die Agenda setzen, das passt nicht zu den Interessen ihrer Klientel. Bovenschulte hat gesagt, man habe die Wahl auch deshalb gewonnen, weil man Politik fürs ganze Land gemacht und nicht nur Partikularinteressen bedient habe. Diese Kritik können sich Liberale und Grüne ans Reviers heften.
Die Klimapolitik ist wichtig, Veränderungen hier sind überlebenswichtig. Wir brauchen eine andere Mobilität, weniger Autoverkehr in den Städten, was aber nicht per se die Autos aus den Innenbereichen der Kommunen vertreiben darf. Lieferanten müssen einen Weg haben zu ihren Kunden. Tempo 30 ist nötig wie überhaupt ein Tempolimit, die Vorzüge-weniger Verschmutzung, weniger Unfälle, weniger Kosten- liegen auf der Hand. Aber was wir nicht brauchen sind Verbote, die Bürger müssen für Reformen gewonnen werden, Veränderungen, wie sie der Klimaschutz erfordert, bedürfen der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen bezahlbar sein, machbar, die Menschen müssen die Notwendigkeit einsehen. Und das wirtschaftliche Leben muss weitergehen.
Es stimmt, was ich in einem Gastbeitrag des Tagesspiegel am Sonntag gelesen habe: „Bremen ist zu klein, um richtig groß zu sein, zu groß fürs Kleine“. Und die Autorin, Chefredakteurin des Weser-Kurier, schrieb dann noch an die Adresse Hamburgs: „Ihr seid das Tor zur Welt- aber wir haben den Schlüssel.“ Wir brauchen mehr Bovenschulte in der Politik. Bremen hat es gezeigt.