Olaf Scholz und die SPD sind die klaren Gewinner der Wahl, was aber nicht heißt, dass die Frage über den künftigen Kanzler und damit das Erbe von Angela Merkel schon entschieden ist. Scholz sieht aber für sich den Auftrag der Wählerinnen und Wähler, eine Regierung zu bilden. Armin Laschet und die CDU/CSU haben klar verloren. Und trotz des historisch schlechtesten Wahlergebnisses der CDU will der CDU-Kanzlerkandidat sondieren, um ebenfalls eine Koalition zu formieren. Es war ein unübersichtlicher Wahlsonntag, der Gewinner und Verlierer hatte. An dem lange vieles offen blieb, was auch mit dem hohen Anteil der Briefwähler zu tun hatte.
Sicher ist, die vor Monaten schon totgesagte SPD ist wieder da, sie hat ihre Talfahrt im Bund beendet und kräftig zugelegt. Was ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz mutig auftreten ließ. Für ihn ist klar, dass der Regierungsauftrag an die SPD und an ihn geht. An Olaf Scholz, den nächsten Kanzler der Republik. Der rote Balken der SPD auf den Fernsehschirmen zeigte nach oben, während der schwarze der CDU nach unten wies. Scholz´Kontrahent von der Union, der intern umstrittene CDU-Vorsitzende Armin Laschet gab sich denn auch zerknirscht angesichts der heftigen Verluste der Union, sprach von Enttäuschung, betonte aber dann in einem Atemzug, eine Zukunfts-Regierung für Deutschland bilden zu wollen. Gemeint Jamaika.
Habeck legt sich nicht fest
FDP-Chef Christian Lindner, der seine Vorbehalte gegenüber der SPD als Partei ausdrückte, aber Scholz als ehrenwert bezeichnete, würde für Jamaika, also CDU, Grüne und FDP, zur Verfügung stehen. Man bräuchte die Grünen, die wie die SPD zu den klaren Wahl-Gewinnern zählen. FDP und Grüne könnten quasi den künftigen Kanzler unter sich ausmachen. Robert Habeck, der Co-Vorsitzende der Grünen neben Annalena Baerbock, legte sich am Abend aber nicht fest. Er hat Erfahrung mit einer solchen Koalition, sie wurde vor ein paar Jahren mit ihm in Schleswig-Holstein gebildet. Habeck betonte, ginge es allein um Rot-Grün, wäre die Koalition klar, aber mit der FDP sei das eben anders. Man müsse ausloten, ob es gemeinsame Projekte gebe. Die Kanzlerkandidatin Baerbock sagte dazu nur, was sie wie im Wahlkampf gefordert hatte: Deutschland brauche eine Klima-Koalition. Was immer das heißt, was immer das kostet. Und ob dann ein solches Ressort gebildet würde, das ein Vetorecht in allen Fragen hätte, ist sehr fraglich.
Und was Jamaika betrifft: Die Mehrheit der Grünen möchte am liebsten eine Koalition unter Führung der SPD, also Olaf Scholz, die Mehrheit der Liberalen allerdings ist mehrheitlich auf Laschet und die Union fixiert. Sollte es Laschet gelingen, Grüne und FDP für eine solche Koalition zu gewinnen, wäre seine ansonsten drohende Absetzung erst mal verschoben. Es rumort in der CDU und der CSU. Ein Wahlergebnis, wie es sich gestern Abend abzeichnete, rund 8 Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl 2017 und damit historisch das schlechteste Wahlergebnis der Cristdemokraten nach dem Krieg, stellt viele ihrer Anhänger und Funktionäre nicht zufrieden.Noch schlimmer sieht es aus, vergleicht man das jetzige Ergebnis mit dem von 2005, als Angela Merkel nach der knappen Wahlniederlage von Gerhard Schröder ins Amt kam: die CDU kam auf 35,2 vh, die SPS auf 34,2 vh. Allerdings gab es damals noch keine AfD.
Siegerin Manuela Schwesig
Die Lage der CDU wird durch die enttäuschenden Wahlergebnisse von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern nicht schöner. Auch in Berlin, wo sie vor Jahren noch den Regierenden Bürgermeister gestellt hatte, verlor die CDU und in Schwerin war es nicht anders. Auch dort konnten SPD und die Grünen Gewinne verzeichnen, die SPD unter ihrer Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, baute ihre Position noch aus. Die Regierungschefin, die nach ihrer Genesung auch für Führungsaufgaben in Berlin immer wieder genannt wird, kann sich ihre künftigen Regierungspartner aussuchen. Möglich sind im Norden wie auch in Berlin Bündnisse zwischen der SPD, den Grünen und der FDP, Ampel-Koalitionen, wie es sie schon erfolgreich in Rheinland-Pfalz gibt. Möglich ist das auch im Bund.
Anderes ist bei den kommenden Sondierungen zu beachten. Es sind nicht nur Minister zu benennen-Lindner wie Habeck wollen Finanzminister werden, der FDP-Mann verfügt aber über keinerlei Kenntnis in der Führung eines Ministeriums. Da kämen gewaltige Aufgaben auf ihn zu, die anderen Ressorts würden ihre Wünsche der Reihe nach anmelden, sicher in Milliarden-Größen. Die Frage wird auch sein, ob andere Ämter mit einbezogen werden in eine Regierungsbildung. So hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Wochen sich bereit erklärt, für eine zweite Amtszeit antreten zu wollen. Lindner hatte dem Wunsch des Staatsoberhaupts umgehend entsprochen, er würde ihn unterstützen. Bekannt ist aber auch, dass die Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt gern Bundespräsidentin würde.
Konsequenzen zeichnen sich bei den Linken ab, deren Enttäuschung über das schlechte Abschneiden ihr Spitzenkandidat Dietmar Bartsch verdeutlichte. Sie mussten lange über den Einzug in den Bundestag zittern. Und selbst wenn Scholz es gewollt hätte, hätte es zu einer rot-grün-roten Koalition nicht gereicht, weil die Linke die nötigen Stimmen nicht bekam. Als politischer Beobachter muss man sich schon fragen, warum diese Partei sich zum Beispiel eine Forderung im Programm leistet, wie den Austritt der Bundesrepublik aus der Nato. Ein solches Thema wird in den nächsten Jahren nie eine Rolle spielen. Wer über so etwas diskutiert, vergisst die Gründe für den Beitritt der BRD zum Verteidigungsbündnis der westlichen Allianz. Dazu gehört, dass das viel zu große Deutschland am besten und ungefährlichsten für seine kleineren Nachbarn eingebunden sein muss in eine solche Allianz, damit niemand auf dumme Gedanken kommt. Übrigens hatte Michail Gorbatschow mit der Zugehörigkewit Deutschlands zur Nato kein Problem.
FDP will regieren
Sicher scheint, die FDP wird nicht noch einmal kneifen wie 2017, als Lindner die wochenlangen Verhandlungen über die Bildung einer Jamaika-Koalition mit den Worten verließ: Lieber nicht regieren als schlecht regieren. Die SPD blickt wieder erhobenen Hauptes nach vorn. Olaf Scholz erinnerte in seiner kurzen Rede nach der Wahl an die ruhmreiche Geschichte der ältesten deutschen Partei, daran, wie sie das Kaiserreich und die Sozialistengesetze überlebt habe, den Terror der Nazi-Herrschaft und auch das Verbot der Partei durch die Kommunisten überstanden habe. Der Parteienforscher Korte aus Duisburg sprach zu Recht von einer „Wunderheilung der SPD“. Und auch wenn Scholz darauf hinwies, dass die Bürgerrinnen und Bürger mit ihrer Stimmabgabe signalisiert hätten, dass sie eine andere Regierung wollten, gemeint ohne die CDU und CSU, scheint das am Wahlabend zumindest sehr ungewiss zu sein. Aber unsicher ist auch die Lage der Union. Rainer Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, machte deutlich, dass die CDU eine Bilanz ziehen müsse. Und ob es ein Mitglieder-Votum geben werde? Haseloff räumte ein, zumindest werde die Basis stärker einbezogen werden.
Denn Niederlage bleibt Niederlage, Verluste können nicht schön gerechnet, nur schön geredet werden, wie das Markus Söder und Co versuchten, indem sie betonten, Scholz habe eine Schlappe erlitten, weil das rot-rot-grüne Bündnis nicht zustande kommen werde. Das sei ein Erfolg der Rote-Socken-Kampagne- so nenne ich das- der Union gewesen. Es darf gelacht werden. Und zu den Verlusten von über acht Prozentpunkten- nicht vergessen das schwache Abschneiden auch der CSU- meinte Söder, die Union habe in den letzten Wochen eine tolle Aufholjagd hingelegt. Und er lobte Armin Laschet, dem er in den letzten Monaten das Leben schwer gemacht hatte, weil er, Söder, sich für den besseren Kanzlerkandidaten hielt.
Das Abschneiden der AfD ist für deren Funktionäre enttäuschend, für die Republik als Ort der Demokratie aber ein Gewinn, auch wenn der nicht überall zu besichtigen war.In Thüringen liegt die rechtsradikale AfD mit 27 Prozent deutlich vor der SPD mit 22 vh und der CDU mit 17 Prozent. Und auch wenn der SPD-Kandidat Ullrich gegen den umstrittenen CDU-Rechtsaußen Maaßen das Mandat für den Bundestag gewann, ist dies kein Grund, sich voller Freude zurückzulegen. Dazu ist das Ergebnis für die AfD viel zu hoch.
Letzter Punkt, der an diesem Abend im Fernsehen nicht zur Sprache kam: die höchst anrüchige Razzia durch einen CDU-Staatsanwalt im Finanzministerium des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wenige Tage vor der Wahl, um diesem etwas anzuhängen, muss ein Nachspiel haben. Ein juristisches und ein politisches. Auch der Kandidat Laschet hat dabei keine gute Figur gemacht. Das Ganze, von Hartmut Palmer im Blog-der-Republik fein aufgespießt vor zwei Wochen, riecht nach einen Skandal.
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