Seit 1991 regiert die SPD Rheinland-Pfalz, eigentlich das Helmut-Kohl-Land schlechthin. Damals nahm Rudolf Scharping, der SPD-Herausforderer, der Union das Land der Reben, Rüben und Raketen ab. Als es Scharping in die Bundespolitik zog, wurde der Fraktionschef der SPD im Mainzer Landtag, Kurt Beck, sein, wenn man so will, legitimer Nachfolger. „König Kurt“ nannten ihn bald die vielen Sympathisanten und Freunde, er war beliebt wie kein anderer und regierte und regierte. Aber dann passierte es doch. Beck musste gehen, geplagt nicht nur von gesundheitlichen Problemen, wie es offiziell hieß, seine Zeit war um, längst vorbei, sein Ruf durch Affären am Boden.
Doch so viel Kraft hatte er noch, dass seine Amtsnachfolgerin Malu Dreyer sich nicht traute, gleich am Anfang mit dem System Beck zu brechen, wohl auch aus der Sorge, dass ein scharfer sofortiger Schnitt als Brüskierung des Vorgängers hätte ausgelegt werden können. Erst jetzt, vor einigen Tagen, hat sie, der Not gehorchend, einige Minister entlassen und versucht mit neuen Köpfen, vor allem mit neuen Frauen in die Offensive zu gelangen, den Schatten von Kurt Beck hinter sich zu lassen. Was schwer fällt, denn die Affären, die ihr Amtsvorgänger hinterlassen hat und die mit seinem Namen verbunden sind, sind nicht ausgestanden, ja sie bestimmen die Diskussion im Land.
Die Umbildung des Kabinetts und die Trennung von den Beck-Freunden ist ein Kraftakt, ist der Versuch, mit Beck zu brechen und einen Neuanfang zu starten. Spät kommt Ihr, könnte man der neuen Regierungschefin zurufen- zu spät? Gewählt wird erst in zwei Jahren. Aber die Stimmung im Lande, das früher dem „Kurt“ zu Füßen lag, ist schlecht, sehr schlecht. Und die Verdrossenheit der Wählerinnen und Wähler hat die SPD erreicht, die sich nun wehren, lösen muss aus der Umklammerung ihres einstigen „Bürgerpräsidenten“, der bürgernah war wie kaum ein anderer, der jeden Weinstock kannte und fast jeden Bürger.
Wer mit Beck unterwegs war, hörte nur, wie man sich zuwinkte oder freundlich zurief: Hallo Kurt, schön, dass Du da bist oder kommst. Und Beck strahlte und winkte, ging auf die Leute zu, drückte viele Hände, versprach zu helfen, wenn es erwünscht war oder gefordert. Beck schien nahezu überall zu sein. Selbstverständlich war er auch der Präsident der Unternehmer, gleich ob Mittelstand oder Großindustrie. Aus und vorbei.
Malu Dreyer muss nun das wegkehren, was man den Dreck nennt, den Skandale nun mal hinterlassen. Sie war ja selbst schon im Kabinett von Beck und muss Umsicht walten lassen, damit nichts an ihr hängenbleibt, was mit ihrem Vorgänger in Verbindung gebracht wird. Ihre Abkehr darf auch nicht im Ansatz als eine Art von Undank gegenüber ihrem Vorgänger gewertet werden, der ja Platz gemacht hat für sie.
Immer ging es ums Geld, bei allen Affären, um Mllionen. Ob beim Nürburgring, der jetzt von einem russischen Investor gerettet werden soll, was zum Aufschrei der Opposition geführt hat, ob beim Flughafen Zweibrücken, zunächst als Konversions-Objekt gewürdigt, oder den Flughafen in Hahn, der auch nicht gerade von Flugzeugen im Dutzend angeflogen und selbstredend nicht von Fluggästen übervölkert wird. Minusgeschäfte überall. Oder nehmen wir den Millionen-Aufwand, um das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern aufzuhübschen für die WM 2006 in Deutschland. Wen wundert es, dass hier darauf hingewiesen wurde, dass der Fan des 1.FC. Kaiserlautern, eben Kurt Beck, seinen Einfluss geltend gemacht habe für das Stadion „seiner“ Roten Teufel. Oder nehmen wir das Schlosshotel Bad Bergzabern, eine einstige Barock-Villa, ziemlich heruntergekommen, und die mit Mitteln der öffentlichen Hand zu einem Vier-Sterne-Hotel aufgemöbelt wurde. Offensichtlich ohne tragbares Konzept für das Haus, inzwischen ist Insolvenzsantrag gestellt. Der Steuerzahlerbund sprach von einem „haarsträubenden Beispiel verfehlter Subventionspolitik. Sie passierte in Becks Heimat. Eine ganz andere Affäre nicht zu vergessen, als der Justizminister in Becks Kabinett den SPD-Wunschkandidaten zum Präsidenten des Oberlandesgerichts in Koblenz machte und damit einen kompetenteren, aber parteilosen Konkurrenten ins Leere laufen ließ. Das Bundesverwaltungsgericht bescheinigte dem Justizminister einen Bruch des Grundgesetzes, was Beck nicht weiter tangierte, er hielt an seinem Mann fest.
Der Spott begleitet diese peinlichen Geschichten. Aus Rheinland-Pfalz sei Rheinland-Filz geworden, kann man die Jungen Liberalen hören. Und sie sind es nicht allein, die verärgert sind über diese Vergeudung von Steuergeldern. Beck selber hat die Verantwortung für diese Pleiten-Serie nicht übernommen, die politische hatte er zwar, aber er hat ja abgedankt, damals aus gesundheitlichen Gründen nach nicht ganz 20jähriger Regentschaft, die er eigentlich voll machen wollte, um Johannes Rau zu überholen, der es einst in NRW auf diese stolze Regierungszeit gebracht hatte. Der Spott machte schon zur Amtszeit von Beck die Runde: Mubarak habe über 42 Jahre geherrscht, Gaddafi 41, Helmut Kohl deren 16. Übrigens wirkte die Begründung für den vorzeitigen Rücktritt Becks auch nicht ganz glaubwürdig: Gesundheitliche Gründe? Wie konnte er dann kurz nach dem Ausscheiden die Führung der Friedrich-Ebert-Stiftung übernehmen?
Das alles hängt an der SPD, die Hofhaltung des Alten, sein aus heutiger Sicht eher fürstlicher Führungsstil, der Widerspruch nicht duldete, Kritiker zogen sich lieber in den Schmollwinkel zurück. Malu Dreyer ist beliebt im Lande, sie wirkt unverstellt, man nimmt ihr den Versuch ab, aufzuräumen, um etwas Neues aufzubauen. Aber ob sie das Vertrauen, das sie inzwischen bei den Bürgern genießt, wie im übrigen auch in der Politik in Mainz wie in Berlin, übertragen kann auf die SPD, ob sie die SPD auf Vordermann bringen kann, von der Last der Affären befreien kann, ist mehr als fraglich. Die Negativ-Schlagzeilen zum Nürburgring sind da und ihre Herausforderin von der CDU, Julia Klöckner, greift sie genau da an. 2016 wird gewählt. Malu Dreyer hat viel zu tun.