In Deutschland naht Ostern, politische Saure-Gurken-Zeit. Da wird die öffentliche Aufmerksamkeit für ein angebliches Revival der „Taurus-Debatte“ in Anspruch genommen – ausgelöst durch einen am Sonntagabend (13. April) im öffentlich-rechtlichen TV provozierten Satz, den der von sich überzeugte, aber militärisch offenkundig noch kaum informierte Kandidat für das Bundeskanzleramt von sich gab. Frau Miosga hielt ihm eine olle Kamelle zum Stichwort „Taurus“ vor, eine Äußerung aus einer Debatte im Oktober 2024.
Statt auf die souverän zu reagieren und zu sagen, mit dem vor einem halben Jahr fertiggestellten Bau einer Eisenbahnlinie in den Donbass habe die Kertsch-Brücke ihre zentrale militärische Nachschubfunktion im Laufe des letzten Jahres verloren und deswegen sei die Lieferung des Taurus heute ganz anders einzuschätzen als damals, verstieg sich der Kanzlerkandidat ernstlich dazu, seinen damaligen Satz zu verteidigen. In seinem Bild läuft die Logistik weiterhin zentral über die Brücke von Kertsch. Damit nicht genug, er wollte offenkundig auch noch die Fähigkeiten seines überlegenen strategischen Denkens als kommender Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) demonstrieren. Im Ergebnis hat er sich zu der Aussage verstiegen, mit einer Taurus-Lieferung heute die Ukraine in die Lage versetzen zu wollen, „vor die Lage zu kommen“ (Min 57:46) – also die Kriegswende durch eine Wunderwaffe, das V2-Narrativ lässt grüßen.
Nach drei Jahren vergeblichen Versuchen, gut einen Monate nachdem in der New York Times die ausführliche Analyse ausgebreitet worden ist, weshalb der Versuch der westlichen Alliierten unter Führung von US-Militärs, der Ukrainischen Armee im Sommer 2023 zu einem Durchbruchserfolg zu verhelfen, am gegenseitigen Misstrauen gescheitert ist, hält es der kommende Kanzlerkandidat Deutschlands für nun, nachdem die USA abgesprungen sind, an der Zeit: „Die ukrainische Armee muss aus der Defensive herauskommen“. Mit einer Taurus-Lieferung als Startkapital soll Deutschland das herbeiführen?
Seine Gesprächspartnerin, die Zettel-haltende Frau Caren Miosga, wusste offenkundig mit dieser Sensation an Fehlinformiertheit und krassem Wunschdenken nichts anzufangen – ihr militärtechnischer Sachverstand ist anscheinend so gering, dass sie diese Merz’sche Aussage, die Experten den Mund schwer wieder zugehen lässt, schlicht überging. Es war auf den Pilotenschein des Kanzlerkandidaten zu sprechen zu kommen, nachdem vorher der Kanzlerkandidat auch noch zum Energieträger der Heizung in seinem Haus im Sauerland ein Bekenntnis abzugeben hatte, ob das eine Wärmepumpen-Anlage sei. Merz bekannte sich auch da zum Gestrigen, es sei eine Gasheizung. So geht Sprechzettel-Journalismus.
Es fehlt in der „Debatte“, die seitdem läuft, die Thematisierung der medienethischen Frage: Wieviel Welpenschutz haben die öffentlich-rechtlichen Medien einem kommenden Bundeskanzler zu bieten, der sich in die höchst verantwortliche Position eines Inhabers der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) erst noch hineinzufinden hat?
[1] https://www.ardmediathek.de/video/caren-miosga/geht-so-ihr-politikwechsel-herr-merz/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2NhcmVuLW1pb3NnYS8yMDI1LTA0LTEzXzIxLTQ1LU1FU1o
[2] https://www.nytimes.com/interactive/2025/03/29/world/europe/us-ukraine-military-war-wiesbaden.html?unlocked_article_code=1.704.CkdE.JXyYi33WlUhx&smid=url-share
Was immer im Inneren von Herrn Merz vor sich geht: viel Sachkenntnis ist da nicht. Wenn Taurus geliefert wird und damit Russland angegriffen wird, erklärt uns den Krieg. Was immer das nun wieder heißen wird. Im September will Hamburg üben, seine Hafen im Kriegsfall zu verteidigen. Ich sehe sie vor mir, die ganzen Fachleute, die da ihre Szenarien zum Besten geben. Verrückte! Die Tauruslieferung wäre im Prinzip ehrlich: wir erklären Russland den Krieg und lassen, nicht wie bisher nur die Ukrainer sterben, sondern unsere eigenen Soldaten.