„Ich habe dazu gelernt“, bekannte der frisch gewählte SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner. Heißt auch, Klingbeil gab offen zu, sich geirrt zu haben, als er sich vor nicht langer Zeit noch gegen die allgemeine Impfpflicht in Deutschland aussprach. Nun ist er dafür und muss sich von Maybrit Illner „Wortbruch“ gefallen lassen, nicht nur er, sondern auch Olaf Scholz und auch die Ex-Kanzlerin Angela Merkel sind gemeint, die ja alle zu Anfang der Corona-Pandemie eine Impfpflicht ausgeschlossen hatten. Seit einiger Zeit sind die meisten Politiker dafür, weil sie heute mehr wissen als damals, weil sie, wie Klingbeil zugegeben hat, sich geirrt haben. Gelernt haben. Was eigentlich normal ist in einer Pandemie, die niemand auf dem Zettel hatte, die über uns wie die übrige Welt hereinbrach, von der niemand wusste, wie gefährlich sie sein wird. Damals noch glaubte man, auf den gesunden Menschenverstand zu setzen, darauf, dass die Deutschen sich natürlich gegen Corona impfen lassen würden. Mit einem Impfstoff, der hier im Lande erfunden worden war.
Man glaubte, ja man war sich nahezu sicher, dass die Menschen sich freiwillig den Piks in den Oberarm setzen lassen würden, weil nur das Impfen gegen Covid 19 hilft. Man rechnete nicht mit all den Ignoranten, Querdenkern, Besserwissern und wie sie alle heißen. Und man hatte die Rechtsradikalen nicht auf dem Schirm, wusste nicht, dass die sich wieder mal als Trittbrettfahrer versuchen würden, um die Unwissenden auf ihre Seite zu ziehen. Ihre Seite, das ist die Hetze gegen diesen Staat, gegen den nach ihrer Meinung jedes Mittel recht ist, den sie zersetzen, zerstören wollen. Deshalb gehen sie auf die Straße und pöbeln gegen unser gesellschaftliches System, die Demokratie, nutzen die Freiheiten, die ihnen die Demokratie gibt, um sie zu missbrauchen. Corona ist für sie nur Mittel zum Zweck. Und um das hier klarzustellen: Unser System, über das sie so verächtlich reden, ist das Beste, was dieses Land je hatte.
Warum dürfen Poliitiker nicht dazu lernen? Wieso ist das „Wortbruch“, wenn sie freiwillig und öffentlich den Irrtum eingestehen, weil sie sich haben belehren, informieren lassen, eben heute mehr wissen als damals. Auch wir Journalisten sollten die Wortwahl sehr wohl wägen.Mit „Wortbruch“ spielen wir exakt den Gegnern, den Feinden unseres Staates in die Hände. Und erwecken dabei fast den Eindruck, als hätten die anderen Recht. Also wird die Freiheit in die Debatte geworfen, weil durch eine Impfpflicht dem Einzelnen die Freiheit genommen werde, selber zu entscheiden, ob er sich impfen lassen wolle oder nicht.
Nicht handeln wäre fahrlässig
Würde der Staat, würde die Politik, das Parlament sich so verhalten, man könnte es als fahrlässig bezeichnen, als Verletzung ihrer aller Pflicht, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Denn Corona ist eine Krankheit, die im schlimmsten Fall zum Tode führt, die Tausende auf die Intensivstationen zwingt, wo sie künstlich beatmet werden müssen, um zu überleben. Über 100000 Tote gibt es in Deutschland im Zusammenhang mit Corona bisher. Wieso wird diese gefährliche Infektions-Krankheit mit tödlichen Folgen, die es seit knapp zwei Jahren gibt, geleugnet? Das ist doch- pardon- verrückt, selbstmörderisch. Warum glauben Menschen den Corona-Leugnern mehr als international bewährten Experten, Virologen, Epidemiologen, die uns täglich solide und seriös über den Verlauf dieser Krankheit informieren? Ich kann auch einige Ärtze nicht verstehen, die wider besseres Wissen vor der Impfung warnen. Was wollen sie damit erreichen? Noch einmal: Es geht um Leben und Tod. Sich, uns davor zu schützen, uns zu informieren, aufzuklären, zu behandeln, das ist die Aufgabe der Mediziner. Ich rede hier von Ärzten. nicht von irgendwelchen Quaksalbern, die durch Hand auflegen Menschen gesund machen wollen.
Dass 20 FDP-Abgeordnete, wie zu lesen ist, sich gegen die Impfpflicht wenden und bei einer Abstimmung mit Nein votieren wollen, wird das geplante Gesetz im Frühjahr nicht verhindern. Aber diese Freidemokraten müssen wissen, was sie tun und wessen Geschäfte sie damit besorgen, nämlich die der Rechten, der Hetzer, der Staatsfeinde. über das Verhalten eines Wolfgang Kubicki kann ich nur den Kopf schütteln. Es fällt schwer, einen so erfahrenen Politiker, der zudem Vizepräsident des Bundestages ist, Ernst zu nehmen. Das Gesetzesvorhaben zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht soll ja als seine Gewissensentscheidung behandelt werden, was bedeuten würde, dass man die Abstimmung frei gibt, ohne Fraktionszwang. Schließlich will man eine breite Mehrheit im Parlament erzielen, dazu braucht es die Zustimmung der Unions-Abgeordneten. Eine Impfpflicht würde gegen die nächste Corona-Welle helfen, im nächsten Herbst. Damit wir nicht wie in diesem Jahr von einer neuen Welle überrascht werden, um nicht zu sagen überrollt.
Mehrheit der Deutschen für Impfen
Widersprechen muss ich denen, die von Spaltung der Gesellschaft reden. Das hätten die Verschwörer und Rechtsextremisten gern. Bundeskanzler Olaf Scholz(SPD) hat da richtigerweise Klartext geredet: die weitaus größte Mehrheit der Deuschen, rund 80 Prozent, ist für die Impfung. Zieht man Menschen ab, die aus Krankheitsgründen nicht geimpft werden dürfen, bleibt eine Minderheit von rund zehn Prozent Corona-Gegnern, Ignoranten, ja auch vereinzelt von Zeitgenossen, die verunsichert sind, denen die Pandemie zusetzt, weil sie sie einschränkt, ihnen die Luft zum Atmen und die Lust zum Leben nimmt, sie finanziell in Schwierigkeiten bringt Mit ihnen muss man reden, ihnen helfen. Vielleicht schaffen sie den Sprung und lassen sich impfen.
Die Hetzer, die Randalierer, Antisemiten, Neonazis allerdings müssen die Härte des Rechtsstaates spüren. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie Politiker attackieren, dass sie ungestraft vor dem Privat-Haus einer Ministerin wie geschehen mit Fackeln auftreten, um Angst zu verbreiten. Die normalen Bürger, die von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, müssen wissen, wem sie hinterherlaufen. Wenn bei den Protesten Journalisten angespuckt werden, wenn Demonstranten mit gelbem Stern an der Jacke Beschränkungen für Ungeimpfte mit der Judenverfolgung im Dritten Reich gleichsetzen, wenn sie auf Uniformierte losgehen, sich über alle Regeln und Auflagen hinwegsetzen, müssen die Sicherheitskräfte einschreiten. Eskalationen wie in Sachsen oder jetzt in München dürfen nicht geduldet werden.
Es ist keine Bürgerrechts-Bewegung
Die Demonstranten sind keine Bürgerrechts-Bewegung, die sich für Menschenrechte einsetzt.Gerade darüber setzen sie sich hinweg, indem sie ohne Masken und Abstand herumpöbeln gegen den Staat, den sie verachten. Durch ihr Verhalten spielen sie Gesundheitsgefahren ihrer Nachbarn herunter oder ignorieren sie einfach. Die wirklich Schwachen und die Alten interessieren sie nicht, weil die sowieso sterben. Sie verhalten sich unsolidarisch und egoistisch, schwadronieren von einem bestimmten Tag, wo der Systemsturz passieren werde.
Der Rechtsstaat darf das nicht zulassen. Er steht für die Stärke des Rechts. Und dafür, dass dieses Recht gilt. Und unser Gemeinwesen schützt. Auch mit Polizei. Wer dagegen verstösst, muss wissen, dass er bestraft, dass er bezahlen wird. Eine Minderheit von Rechtsbrechern darf nicht das Gefühl verbreiten, wir machen, was wir wollen. Demokratie, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mehrfach betont, braucht Demokraten, die sie verteidigen. Da sind wir alle gefragt, uns einzumischen in Diskussionen und nicht den Staats-Verächtern das Wort zu überlassen.
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Ja, lieber Alfons Pieper,
Sie beschreiben den destruktiven Hang von Quertreibern, die sich darin gefallen, ihre online-Hetz-Stammtische, ihre bodenlosen Hass-Tiraden auf der Straße brüllend zu wiederholen, sehr zutreffend!
Was antidemokratische Fanatiker:innen nicht begreifen wollen – es geht in einer demokratischen Gesellschaft immer um solidarische Gegenseitigkeit mündiger Bürgerinnen und Bürger.
Ein verantwortungsvolles Miteinander – das geht nicht ohne Regeln!
Deshalb hier noch mal gerne mein Slogan vom Herbst 2016:
„DEMOKRATIE – die bunte Freiheit, mit gleichen, klar geordneten Spiel-Regeln für Alle!“
So long, Marianne Bäumler
Das Narrativ von der „sehr kleinen Minderheit“ (Scholz, Pistorius, Sie und viele Andere) ist höchst problematisch, da es nicht zutrifft. Wir sprechen über mindestens 16 Millionen Menschen in Deutschland, die freiwillig und trotz aller Werbung und allem Druck ungeimpft sind. Und über noch mehr – auch Geimpfte – die sich gegen eine Impfpflicht aussprechen. Bereits die kleinere, erstere Zahl entspricht locker dem doppelten der Bevölkerung Österreichs und liegt in etwa auf dem quantitativen Niveau der Niederlande. Diese Menschen verschwinden nicht, weil man sie als „winzige Minderheit“ tituliert. Diese Menschen haben Macht und können sie ausüben – es sind wesentlich (!) mehr, als die SPD und Olaf Scholz gewählt haben. Wenn man sie alle als „Extremisten“, „Spinner“ und mehr bezeichnet, muss man sich gewahr machen, dass man auch morgen noch mit ihnen leben muss. Wenn man versucht, sie alle mit Ausgrenzung, Zwang – und nächstes Jahr hohen Geldstrafen und womöglich gar Beugehaft – zu „disziplinieren“, ist das langfristig nicht haltbar: manche werden klein beigeben (wobei es einer Demokratie unwürdig ist, wenn man dafür gegenüber Minderheiten zu solchen Maßnahmen greift), doch viele werden sich erst durch solche Schritte wirklich radikalisieren. Der gesamte Stand der Forschung zeigt, dass man eine Minderheit ab 10% der Bevölkerung nicht erfolgreich ausgrenzen oder „umbiegen“ kann, ohne zu Gewalt zu greifen – und selbst mit massiver Gewalt ist es langfristig nicht haltbar (es entspräche vom Kraftaufwand her in etwa dem Versuch, ganz NRW zu besetzen, abzuriegeln und auf Jahre zu halten). Wir sprechen hier über mehr als 20%. Jeder Versuch, über Marginalisierung, Ausgrenzung und Zwang weiterzukommen, schafft untragbare Situationen, die das Land buchstäblich sprengen können. Es geht mir nicht um eine moralische Bewertung – sondern um eine nüchterne Einschätzung der Lage. 20% lassen sich weder wegdefinieren noch wegdiskutieren. Man muss sie ernst nehmen, mit ihnen auf Augenhöhe argumentieren – und auch da, wo es wehtut, mit ihnen leben.
Guten Tag, Jan Schoenmakers, hier meine Ansicht:
„Jeder Versuch, über Marginalisierung, Ausgrenzung und Zwang weiterzukommen, schafft untragbare Situationen, die das Land buchstäblich sprengen können. Es geht mir nicht um eine moralische Bewertung – “
Nun, ich finde, „jeder Versuch“, das klingt so apodiktisch, schließlich befinden wir uns in einer globalen Krise,durch ein Virus, das ohne uns so nicht existent wäre, und das so viel Leiden auslöst, so viel Schmerz, so viel Angst, so viel Einsamkeit!
„Untragbare Situationen“ – das sind die vielen Toten, die gerne noch gelebt hätten. Wohin mit all der Trauer???
„Buchstäblich sprengen…“ – ich bitte Sie, solche Superlative eines Auguren – gefallen Sie sich in solchen Drohgebärden? Pegida und andere antidemokratische Fanatiker – wollen Sie die als Scharfmacher noch aufwerten?
“ Es geht mir nicht um eine moralische Bewertung “ – ach so! Also mir geht es unbedingt darum!
Jeds Kind versteht doch die Goldene Regel:
„Was du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.“
Jurek Büchner