Weniges aus der Erwachsenenwelt konnte mich in meiner Pubertät überzeugen. Schon gar nicht die Nächstenliebe zum Teufel. Da meinte ich im Konfirmations-Unterricht, es sei doch kein Wunder wie der sich benimmt. Das konnte ich nachfühlen, denn auch ich hätte damals mehr Liebe gut vertragen.
Das gilt heute für die meisten Kinder weltweit. Fast überall gibt es Stress und Gewalt. Mit dabei ist, was der Soziologe Johan Galtung „Strukturelle Gewalt“ nannte, etwa harte Arbeit bei schlechter oder gar keiner Bezahlung. Oft gibt es da Alkohol, zur „chronischen Linderung von Symptomen“, aber das kann zu noch mehr Stress führen.
Wunderschön dargestellt hat das Leo Tolstoi: Der Unterteufel war in Ungnade gefallen. Er verhalf einem Bauern-Wirt zu einer guten Ernte und so zu einer Menge Alkohol. Dann zeigte er dem Oberteufel, zu welcher Sauerei die Betrunkenen fähig waren. Voller Erfolg, er durfte sich wieder respektiert, ja geliebt fühlen!
Wir „modernen“ Menschen schaffen weit mehr Schäden. Wir machen Teufel aus Engeln, reihenweise. Keineswegs nur in Gaza züchten wir aus gequälten Kindern Unmengen zukünftiger Terroristen, weit mehr als man vor Ort jetzt, und ebenso später „vernichten“ kann. Globale Staatsraison schaut global bei Millionen von Engeln zu (alle Kinder weltweit sind zunächst Engel, perfekt unschuldig). Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten wissen wir heute psychologisch und pädagogisch sehr genau, wie fürsorglich und liebevoll wir Kinder behandeln sollten. Wo es mal gelingt, kommt ein Zauberwort wie „Wohlwollen“ voll zur Geltung. Das war das Zauberwort während meiner Pubertät.
Wieso „Zauber“? Was unser Staat kaum je mal schafft, ist Terroranschläge zu verringern. Das ist die bittere Realität trotz – genauer wegen – immer strikteren Regeln, systematisch kontrollierender Polizeigewalt, strengeren Ausweisungen. Es scheitert an umständlichen Behörden, insbesondere bürokratisch fixierten Juristen. Denn allenfalls korrupte Staaten können solche potenziellen Verbrecher brauchen, die wir ausweisen wollen, und nehmen sie ohne harte Kompromisse mit uns zurück. Wissenschaftler fragen einander und streiten, wieso viele Jugendliche Asylanten erst hier in Deutschland gewalttätig bis gewaltbereit laufend wurden und weiter werden. Eine Antwort ist: Der IS ruft dazu auf, Messer oder Autos zu nutzen
Vermutlich bald auch Drohnen. Das gefährdet dann zunehmend Politiker bei den hilflos-fürsorglichen Gedenken. Deshalb, den Politikern, welche die behördliche Erstarrung finanzieren, verrate ich ein Geheimnis: Derzeit spüren bei uns die meisten (!) Kinder von Asylanten deutlich, dass sie hier nicht willkommen sind. Nur bei gelegentlichen Ausnahmen bekommen sie, oft privat, aus der Gesellschaft einen Rückhalt. Das kennt man. Was man aber als Politiker zusätzlich wissen muss ist, „wie der Mensch als letztes seine Erbitterung behält“, wie Warlam Schalamow aus dem sowjetischen Gulag berichtete.
Die „eigentliche Frage“ ist, ob die direkte und die indirekte („nur“ strukturelle) Gewalt gegen Asylanten, trotz hohem Aufwand, insgesamt mehr Schaden als Nutzen bewirkt. Stattdessen könnte eine faire und freundliche Integration von ausländischen Jugendlichen womöglich die meisten Terror-Anschläge verhindern. „Womöglich“, der Sachverhalt wird nicht mal ordentlich wissenschaftlich untersucht.
Klar ist dabei, dass wir bei allem Wohlwollen nicht weitere Millionen aufnehmen können – sonst kämen bald hunderte Millionen. Die Herausforderung ist, die Entwicklungshilfe ganz neu und modern zu gestalten. Das wäre zunächst mal das Gegenteil von der Maßnahme USAID abrupt zu beenden. Obwohl, USAID ist auch nur (!) die übliche Linderung von Symptomen.
Entwicklungshilfe müsste die Milliarden Überbevölkerung präventiv verhindern, anstatt zuzuschauen und sie zu erhöhen. Die chinesische „Ein-Kind-Politik“ war ab 1980 ein hartes Vorbild, wurde jedoch von zu kurz- (und teils korrupt nachsichtig) denkenden Politikern nur halbherzig kontrolliert und schließlich 2016 offiziell beendet.
Was mussten derzeit machtvoll rigide Politiker als Kinder und Jugendliche überstehen? Zwei Beispiele, mit Notizen aus Wikipedia: Wladimir Putins Jugend war von Gewalt geprägt. Seine Lehrerin Wera Gurewitsch berichtete, dass er sagte, als er mit 14 Jahren einem Mitschüler das Bein brach, „manche verstehen nur Gewalt“. Putins Vater kämpfte im II. Weltkrieg und hatte 6 Geschwister, von denen 5 gefallen sind (schrieb Putin selbst). Und: „Donald Trump wuchs in dem Bewusstsein auf, etwas Besonderes und anderen überlegen zu sein. Sein Vater bestärkte ihn darin, indem er sagte, er sei ein „König“ und müsse bei allem, was er tue, ein „Killer“ werden. Schon im Vorschulalter fiel Donald durch seine Aggressivität gegenüber anderen Kindern auf.“
Nun kurz ein Sprung zu unserem bewusst demokratisch orientierten Markus Söder. Er wuchs gemäß Wikipedia in einer „konservativ-evangelisch geprägten Handwerkerfamilie“ auf. Er ist kein Teufel, aber er sollte vielleicht für seine Einschätzung von Risiken mal ein paar Jugendliche befragen: Milliarden Menschen werden unmittelbar gefährdet durch Eskalation von Atomkriegen und durch überschrittene Kippunkte bei Klimaveränderungen – Terror hingegen bedroht in Deutschland jährlich meist weit unter hundert Menschen.
Mein Eindruck ist, Jugendliche ahnen spontan, was eine Andeutung wie „der Golfstrom kippt“ bedeuten könnte. Dabei haben unsere Enkel und Urenkel weniger Angst ums eigene Leben, sondern realistisch um wiederum die eigenen Enkel und Urenkel. Ganz anders als die meisten Politiker, welche sich zwar um derzeit durchaus beklemmende Notlagen kümmern, aber die entscheidenden Bedrohungen, ihre eigentlichen Aufgaben, „einfach“ verdrängen.
Ich will Markus Söder doch seinen Schweinsbraten gar nicht wegnehmen. Ich will nicht mal fest behaupten, dass wir wegen akuten Versäumnissen tatsächlich auf Kipppunkte zusteuern. Aber als Physiker mahne ich: Auch wenn irgendeine existenzielle Vernichtungs-Gefahr nur 5% sein sollte, dann sollten Politiker dafür einen Instinkt entwickeln. Dann würden sie zum Beispiel im Erdbebengebiet von Kalifornien keinen Wohnungsbau zulassen – und beim Streit um Priorität das jetzt fast noch beeinflussbare Klima entdecken. Wähler könnten sie belohnen.