Nur noch wenige erinnern sich an die Berichte des Club of Rome in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Da wurden “Die Grenzen des Wachstums“ beschworen und der Zusammenbruch der Welt, wenn nicht rasch das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Expansion gestoppt würden. Die Wissenschaftler Mihailo Mesarovic und Eduard Pestel schrieben 1974 den 2. Bericht mit dem Titel “Menschheit am Wendepunkt“. Und sie boten darin düstere Aussichten für die Welt. Nun sind bekanntlich Prognosen stets unsicher, weil sie sich auf die Zukunft beziehen. Futurologen sind Leute, die sich kratzen, bevor es juckt. Doch nach Jahrzehnten sollten auch sie feststellen, dass sie sich an der falschen Stelle gekratzt haben oder dass es gar nicht gejuckt hat.
Ein Feld, das der Club of Rome so wissenschaftlich intensiv bearbeitet hat, mag das deutlich machen: Anfang 1973, so war in dem 2. Bericht zu erfahren, betrugen die bekannten Erdölreserven der Welt etwa 90 Mrd. Tonnen bzw. 667 Mrd. Fass. “Bei einem weiteren jährlichen Verbrauch von rund 2,5 Mrd. Tonnen, entsprechend dem Jahresverbrauch von 1972,“ so wurde es vorgerechnet, “würden diese Vorräte noch für 37 Jahre ausreichen. Bei einer globalen Verbrauchszunahme von jährlich 5 % wären die Reserven jedoch bereits nach 21 Jahren erschöpft.“ Längst sind die Jahre, in denen kein Öl mehr fließen sollte, vorbei: Und Öl gibt es heute geradezu im Überfluss.
Gewiss, der Preis, der Anfang der 70er Jahre bei 5 Dollar pro Fass (159 Liter) Rohöl lag, ist zwischenzeitlich auf bis zu 130 Dollar gestiegen; doch heute beträgt er weniger als 60 Dollar. Neue Erdölfelder sind in vielen Regionen der Welt erschlossen worden. Russland fördert jede Menge und ist zu einem Groß-Exporteur und damit zum Hauptkonkurrenten für die Opec-Staaten geworden. Vom Club of Rome und seinen pessimistischen Prognosen spricht am Ölmarkt niemand mehr. Dennoch blieben die Mahnungen nicht ohne Wirkung, auch wenn sie sich als große Irrtümer entpuppten. Das wirtschaftliche Wachstum ist global in den letzten Jahrzehnten gewaltig gestiegen – mit hohen Raten in China und Indien sowie in anderen Schwellenländern. Und der “Energiehunger“ hat sich entsprechend erhöht. Allerdings haben die meisten Industriestaaten seit langem andere Energieträger entwickelt und eine Strategie “weg vom Öl“ umgesetzt. Die USA, die einst die größten Energieimporteure waren, sind inzwischen solide Selbstversorger – nicht zuletzt dank Fracking.
Regenerative Energiespender – vom Wind über die Sonne bis zur Erdwärme – setzen sich mehr und mehr durch und liefern reichlich Ersatz für das “schwarze flüssige Gold“. Öl-Kraftwerke sind hierzulande nicht mehr zu finden; in anderen Staaten gibt es auch nur noch wenige als Reservekapazitäten. Lediglich im Verkehrsbereich geht es noch nicht ohne Öl: Die Umstellung von Benzin-Schluckern im Autoverkehr auf Elektrofahrzeuge oder Kohlenwasserstoff läuft enttäuschend langsam. Dagegen sind viele private Haushalte und Unternehmen im Wärmebereich von Öl auf Gas umgestiegen. Noch längst nicht ausgereizt sind die Möglichkeiten einer wesentlich höheren Energieeffizienz. Während in der Wirtschaft große Anstrengungen zur Senkung der Energiekosten gemacht wurden, sieht die Bilanz im Privatsektor noch mager aus. Gerade der Wärmesektor, auf den rund 40 % des Energieverbrauchs entfällt, könnte noch optimiert werden. Vor rund 40 Jahren wurden insbesondere auch in Deutschland Politik und Wirtschaft von der OPEC und dem Club of Rome aufgeschreckt.
Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, Unternehmen und Gewerkschaften antworteten auf die Herausforderungen im Energiebereich mit der Strategie “Kohle und Kernenergie“. 2022 wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk vom Netz genommen, 2018 wird der letzte Pütt im heimischen Steinkohlenbergbau geschlossen. Zwar ist das Ende der deutschen Braunkohle nicht terminiert, doch die Widerstände gegen diesen Energieträger nehmen eher zu denn ab. Ebenso machen selbsternannte Weltverbesserer immer lautstärker Front gegen das Fracking, gegen Erdwärme-Projekte, gegen Speicherkraftwerke sowie mehr und mehr auch gegen die Aufstellung neuer Windrotoren und gegen Biomasse-Anlagen. Neue, dringend notwendige Stromtrassen längs durch Deutschland stoßen auf massiven Widerstand bei Bürgerinitiativen und manchen Politikern. Deutschlands Energiewende ist bislang ein Puzzle, bei dem vieles bislang einfach nicht zusammen passt.
Sonne und Wind liefern Strom in größter Menge, wenn die Sonne herrlich scheint und der Wind kräftig bläst. Die Lieferungen im Übermaß drücken jedenfalls temporär den Preis auf dem Strommarkt. Die Lieferanten erfreuen sich indessen einer staatlich garantierten Abnahmegarantie zu Festpreisen. Über 20 Mrd. € pro Jahr zahlen die Stromverbraucher dafür. Die Eigentümer von Windparks und Solarfeldern kassieren daraus zweistellige Renditen. Die Energiepolitiker machen’s mit dem EEG möglich, obwohl sie wissen, dass ihre Energiewende in wenigen Jahren bereits in einem Desaster, nämlich in einer gefährlichen Grundlast-Lücke, münden könnte. Wenn nämlich die Atomreaktoren endgültig abgeschaltet sind, wenn Stein- und Braunkohlekraftwerke mehr und mehr vom Netz gehen, wenn alte ebenso wie neue Gaskraftwerke sich wegen zu geringer Auslastung der Produktionskapazitäten nicht rechnen, droht es mit der dringend erforderlichen Grundlast im Stromnetz sehr eng zu werden.
Schon wird darüber spekuliert, dass die Kraftwerksbetreiber von der Politik gezwungen werden könnten, ihre unrentablen Grundlastwerke vorzuhalten, um so Kapazitäten zu sichern. Dies würde indessen nur mit finanziellen Garantien möglich sein, für die die Stromverbraucher mit noch höheren Strompreisen zu zahlen hätten. Ironisch sprechen einige Experten bereits von “Hartz IV für Kraftwerke“. Ob mit weiterem staatlichem Zwang auch noch Investoren in neue Gaskraftwerke getrieben werden, mag man abwarten. Und mehr Gaseinsatz würde auf jeden Fall zwar keine CO2 – aber starke Methan-Emissionen bringen. Die deutsche Energiepolitik ist aus den Fugen. Die drei großen Ziele, nämlich die sichere, ökologische und wirtschaftliche Produktion und Versorgung, geraten immer mehr außer Reichweite. Mit der Energiewende ist Deutschland auf einen falschen Kurs geraten. Mit immer neuen Korrekturen, Eingriffen und teuren Manövern werden Energie-Erzeuger und Verbraucher hierzulande ebenso wie unsere europäischen Nachbarn irritiert. Bei den Importen von Öl, Gas und Kohle ist Deutschland inzwischen vom Ausland abhängiger denn je. In Kürze könnte es auch bei Strom-Einfuhren so werden.
Bildquelle: Wikipedia, CC BY-SA 3.0, Kuebi= Armin Kübelbeck