Es war zu erwarten, dass die Union das neue Bündnis in Thüringen verwerfen würde, dass sie vor allem die SPD unter Feuer nehmen würde. Eine „Schande“ sei das für das vereinigte Deutschland. Und nachdrücklich warnte CDU-Generalsekretär Tauber die SPD, die Grünen und die Linke vor einer Geschichtsklitterung. Generalsekretäre haben die Aufgabe, den Gegner anzugreifen, möglichst heftig, sie sind die Terrier ihrer Parteien. Deshalb sollte man gelegentlich alle Fünfe gerade sein lassen. Aber in diesem Fall ist Widerspruch angesagt, so leicht darf man Tauber und Co nicht davonkommen lassen.
Warum die Union so sauer ist? Ganz einfach: Sie stellt einen Ministerpräsidenten weniger. 24 Jahre hat sie Thüringen regiert, jetzt sitzt sie in der Opposition, wie in vielen anderen Bundesländern. Im Westen der Republik regieren CDU und/oder CSU nur noch in Hessen, in Bayern und im Saarland. Und in den neuen Ländern beschränkt sich ihre Regentschaft auf Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Berlin regiert die CDU an der Seite der SPD mit. Diese zunehmende Schwäche macht sich im Bundesrat bemerkbar, wo nun mit Bodo Ramelow ein Linker Ministerpräsident mitreden wird, er wird auch beim nächsten Treffen mit der Kanzlerin dabei sein. Angela Merkel, ihre dominierende Rolle als Bundeskanzlerin ist es auch, die die Schwäche der Union in den Ländern überstrahlt.
Hinter den Krokodilstränen der Christdemokraten verbirgt sich eine gehörige Portion Heuchelei. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer wollen sie vergessen machen, was ihre Parteivorgänger in der einstigen DDR politisch gemacht haben. Wir haben an dieser Stelle schon mal daran erinnert und den Satz des einstigen Bundespräsidenten Gustav Heinemann zitiert: Wer mit dem Finger auf andere weist, muss wissen, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückzeigen. Oder genauer: CDU, Bauernpartei, die Liberaldemokraten LDPD und die Nationaldemokraten NDPD waren die Blockparteien, die Steigbügelhalter der SED, von Erich Honecker. Sie alle, auch Blockflöten genannt, saßen in der Volkskammer und stützten die SED. CDU und FDP hatten bei der Wende 1990 keine Probleme damit, diese einstigen Blockparteien zu integrieren, zu schlucken. So war das, Herr Tauber.
Aversionen der SPD gegenüber der SED
Geschichtsklitterung? Selten so gelacht. Es war die SPD, die sich auf Druck ihrer wenigen Parteifreunde im Osten weigerte, Mitglieder der SED aufzunehmen, sie sich einzuverleiben. Kurz vor der Wende hatten sich Reformkräfte in der DDR zusammengetan und die SDP gegründet, genauso, weil sie fürchteten, dass die SED eine SPD in der DDR verbieten würde. Die Aversionen gegen die SED waren riesengroß in den Reihen der SPD, die nicht vergessen hatte, dass nur mit Gewalt die schmerzhafte Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED im Osten zustande gekommen war.
Es war die SPD, die sich ihrer bitteren Geschichte erinnerte und 1989 Anstand zeigte. Es mag ja sein, dass darin die Gründe für die strukturelle Schwäche der SPD in den neuen Ländern zu sehen ist. So gesehen kann das ein Fehler gewesen sein. Aber Geschichtsklitterung? Man sollte sich an die eigene Nase fassen.
Es haben sich in den letzten Wochen viele Kritiker zu Wort gemeldet. Auch Bundespräsident Joachim Gauck meinte, sich äußern zu müssen, eine Gratwanderung für das Staatsoberhaupt, das sich gewöhnlich nicht in die Tagespolitik oder gar die Parteipolitik einschaltet. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass Gauck aufgrund eigener schlimmer Erfahrungen mit der SED im Unrechtsstaat DDR ihre Nachfolger in den Reihen der Linken nicht besonders schätzt. Die Linke ist nun mal die Nachfolgerin der SED, alias PDS. Umstritten bleibt seine Einmischung gleichwohl. Denn Thüringen ist nun mal nicht mehr die DDR, die Linke nicht die SED. Es wird keine Rückentwicklung zu einer sozialistischen Einheitspartei mit diktatorischen Machenschaften geben.
Merkels Einmischung war vergeblich
Auch die vergebliche Einmischung der Kanzlerin hat die Wahl Ramelows nicht verhindern können. Angela Merkel wollte ihrer Parteifreundin Lieberknecht helfen, ein Bündnis der CDU mit anderen zu schmieden, damit die Staatskanzlei in Erfurt in den Händen der CDU-Politikerin bleiben konnte. Dass das nicht klappt, Frau Merkel, hat aber Christine Lieberknecht sich selber zuzuschreiben. Wer andere pausenlos vergrätzt, darf sich nicht wundern, wenn die sich abwenden und sich neuen Zielen und Koalitionen zuwenden.
Und was die Vergangenheit angeht und die Sache mit der Geschichtsklitterung, Herr Tauber, hier noch ein paar Hinweise: Angela Merkel hatte die SPD gewarnt, als stolze linke Volkspartei Juniorpartner unter der Führung der Linken zu werden. Für den aufstrebenden Freistaat Thüringen sei das eine schlechte Nachricht. Frau Merkel sorgte sich um die Zukunft von Frau Lieberknecht, die wie Merkel eine Pastoren-Tochter ist und zur DDR-Zeit lernte, Kirche im real existierenden Sozialismus zu leben. Beide, Lieberknecht und Merkel, waren übrigens FDJ-Sekretärinnen, Merkel zuständig für Propaganda und Agitation.
Von Helmut Kohl, den man zu Recht als den Kanzler der Einheit rühmt, habe ich folgenden Satz im Gedächtnis: Ich wüsste nicht, wie ich mich verhalten hätte, wenn ich drüben hätte leben müssen. Etwas mehr Demut, mehr Zurückhaltung derer im Westen gegenüber denen im Osten, wäre passend. Wir im Westen sollten uns abgewöhnen, auf die im Osten zu zeigen und ihnen Vorwürfe zu machen. Schon vergessen, wie das war damals nach der Nazi-Zeit? Schon vergessen die Politiker, die erst bei der NSDAP waren und später in den Landtagen und im Bundestag saßen? Gerade hat der Leser des Berliner Tagesspiegel am Sonntag, Hubert Feldkamp, daran erinnert, „dass die Bundesrepublik mehr als 20 Jahre nach 1945 sogar den Altnazi Kiesinger als Bundeskanzler gut überstanden hat“.
Oder denken wir an die furchtbaren Juristen, die einst Nazi-Recht sprachen und anschließend im Rechtsstaat Bundesrepublik die schwarze Robe trugen. Nachzulesen bei Ingo Müller: Furchtbare Juristen, die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz. 90 Prozent der nach 1945 entlassenen Nazibeamten fanden wieder zurück in den Staatsdienst. Hans Filbinger war einer dieser furchtbaren Juristen, auch CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ein anderer hieß Hans Puchvogel, 1976 Justizminister in Niedersachsen, vor 1945 hatte er sich als Autor eines Plädoyers für die „Ausscheidung der Minderwertigen durch Tötung“ hervorgetan.
Der erwähnte Leser des Tagesspiegel, Hubert Feldkamp, ist der Meinung, gemessen an Kiesinger und Co. sei die Wahl von Ramelow „doch wahrlich eine Polit-Petitesse“.
Verlogene Heulsusen
Andere Beispiele gefällig? Christoph Lütgert, als Panorama-Reporter mit Preisen ausgezeichnet, erinnert in einem Kommentar für „tagesschau.de“ unter dem Titel „Verlogene Heulsusen- Die Christdemokraten und das rot-rot-grüne Bündnis in Thüringen“ an den ersten Ministerpräsidenten Thüringens nach dem Fall der Mauer, Josef Duchac, der schon zu DDR-Zeiten ganz oben gewesen sei und dessen Vergangenheit „sehr viel kritischer zu bewerten war als heute die Vergangenheit des linken Wessis Bodo Ramelow“. Um dann zu zitieren, was der einstige Vorsitzende der Ost-CDU, Gerald Götting, kurz vor dem Zusammenbruch der DDR „herausposaunt“ habe: „Unsere historische Entscheidung für den Sozialismus, für die Teilnahme an seinem Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik war richtig und hat sich bewährt.“
„Das Signal von Erfurt“ haben Zeitungen die Entscheidung des Thüringer Landtags zugunsten eines ersten Linken Ministerpräsidenten kommentiert, ein Signal auch für den Bund, für die SPD, wenn sie denn wieder mal einen Kanzler stellen wolle. Besser, man hängte das Ganze etwas tiefer. Dass Bündnis muss sich bewähren, in Thüringen, es ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Und mehr als das war es bemerkenswert, wie der neue Regierungschef Ramelow sich bei den Opfern des SED-Unrechtsstaats entschuldigt hat.
Gibt es da nicht einen gewissen Thomas de Maiziere in der CDU
Die de Maiziere sind sehr flexibel. Sie dienten Hitler, sie dienten dem DDR und nun dem BRD-Regime!