1. Phantom Technologieoffenheit
Kernpunkt der anstehenden GEG-Novelle ist der 65%-Erneuerbaren-Anteil für neu eingebaute Heizungen ab dem 1. Januar 2024. Die Regelung ist unzweideutig technologieoffen ausgestaltet: Der Eigentümer eines Gebäudes kann entweder eine individuelle Lösung umsetzen und muss dann die 65% rechnerisch nachweisen; oder er wählt eine der sechs in § 71 gesetzlich vorgesehenen Heizungsoptionen, wie den Anschluss an ein Wärmenetz, eine Wärmepumpe oder eine Heizungsanlage auf Basis von Solarthermie. Dann entfällt der individuelle Nachweis. In der Regel aber braucht eine Heizung weiterhin einen zugeführten leitungsgebundenen Energieträger – das ist das zentrale Hindernis. Der Gebäudeeigentümer darf zwar frei wählen, die ihm gewährte Wahlfreiheit aber ist eine vermeintliche. In Wahrheit ist er abhängig, denn er braucht einen Partner, ein Infrastruktur-Unternehmen – und die werden nicht Leitungen doppelt und dreifach bauen. Die Freiheit, für die die FDP angeblich so vollmundig kämpft, ist durch die Verfügbarkeit von Versorgungsleitungen drastisch beschränkt.
Im übrigen sieht die Novelle für den Heizungswechsel ausreichende Übergangsfristen vor. Sollte eine Heizung irreparabel sein, so kann für einen Zeitraum von drei Jahren eine fossile Heizung eingebaut werden, für Gasetagenheizungen sieht sie eine üppige Übergangsfrist von bis zu 13 Jahren vor.
Letztlich werden diese Fristen keine große Rolle spielen, denn der Betrieb mit Erdgas wird zunehmend teurer werden, mindestens in dem Maß, wie den Gasnetzen die Kunden abhanden kommen und die verbleibenden Bestandskunden die unveränderten umzulegenden Infrastrukturkosten zu tragen haben. Das könnte alsbald prohibitiv werden. Die Gasverteilnetz-Unternehmen stehen deshalb vor der Aufgabe der „De-Kapilarisierung“ ihrer Netze. Haydns Sinfonie Nr. 45 fis-moll, die sogenannte „Abschiedssinfonie“, wird zur Symbolmusik der „treuen“ Gaskunden werden – es wird nur dann für sie finanziell tragbar ausgehen, wenn Wasserstoffkunden nachwachsen. Werden die das aber?
2. Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot im GEG?
Eine der sechs Optionen, die die GEG-Novelle in ihrem Katalog in § 71 bietet, ist der Einbau einer H2-ready-Erdgasheizung, also einer Gasheizung, die zu 100% mit Wasserstoff betrieben werden kann. Wer die einbaut, hat das Privileg, erst einmal mit Erdgas weiter heizen zu dürfen. Jedes Privileg aber ist mit Pflichten verbunden, so auch hier. Damit es nicht beim „können“ bleibt, muss es seitens des Lieferanten einen rechtsverbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze geben – so sieht es § 71k vor. Der Betreiber des Netzes hat zu gewährleisten, dass eine eingebauten H2-ready-Erdgasheizung ab 2030 mit mindestens 50% Biomethan oder anderen grünen Gasen betrieben werden wird, ab 2035 mit mindestens 65% Wasserstoff. Das ist eine hochriskante Entscheidung, die dem Netzbetreiber da abverlangt wird.
Man fragt sich, ob diese Option es in die GEG-Novelle überhaupt geschafft hätte, wenn die FDP nicht soviel Druck für diese Himmelfahrtskommando-Option ausgeübt hätte. Der Sinn des Gebäudeenergiegesetzes ist bekanntlich,
„Anforderungen und Pflichten … <zu> erlassen…, <die> wirtschaftlich vertretbar sein <müssen>.“ (§ 5)
Hintergrund war die Erfahrung, dass kapitalintensivere Optionen, trotz Wirtschaftlichkeit, nicht vorgenommen wurden, aus Finanzierungsgründen. Die Option der H2-ready-Erdgasheizung ist von dieser Art, sie ist augenblicklich eine Billiger-Jakob-Lösung. Ob sie das Wirtschaftlichkeitskriterium des Gesetzes erfüllt, erscheint fraglich. Zu prüfen war das im obligatorischen Begleitgutachten, doch da fehlt die Betrachtung dieser Option. Es steht somit im Raume, dass das Begehren der FDP gesetzeswidrig ist
3. Die dürren Aussichten für Wasserstoff-Heizungen
Der Wasserstoff, ob grün oder blau, kann bei der Erreichung der 65%-Erneuerbaren-Quote im Gebäudesektor prinzipiell eine Rolle spielen. Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) hat zum Realismus dieser Option eine sog. Bottom-Up-Studie in Auftrag gegeben, die von den beiden Fraunhofer Instituten für Solare Energiesysteme (ISE) und für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) erarbeitet wurde. Der NWR hat auch selbst zur Feder gegriffen für ein Grundsatzpapier. Auch die Umweltverbände WWF, der NABU und die Deutsche Umwelthilfe haben dazu ein orientierendes Papier herausgegeben.
4. Studien des Nationalen Wasserstoffrates
Die Studie für den NRW hatte zum Ziel, unter Berücksichtigung lokaler Infrastrukturen, geografischer Lage und dem dort real existierenden Gebäudebestand für vier Versorgungsgebiete (Burg bei Magdeburg, Fellbach, Mainz und Westerstede) Transformationspfade hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung zu bewerten und die Abhängigkeiten der Transformationspfade von bestimmten lokalen Charakteristika zu analysieren. Die Studie bestätigt, dass es keine „One-Size-Fits-All“-Lösung gibt. Eine kommunale Wärmeplanung ist daher ein zentrales Instrument, um die Transformation zur Dekarbonisierung im Wärmemarkt zu bewerkstelligen.
Der Wasserstoff kann im Wärmemarkt eine Lösungsoption sein, sofern die Marktentwicklung zu niedrigen Endkundenpreisen führt. Der Endkundenpreis für Wasserstoff darf höchstens halb so hoch sein wie die Endkundenpreise für Strom, so das Ergebnis der Studie. Ist das realistisch zu erwarten, bis 2035?
In einem Grundlagenpapier „Treibhausgaseinsparungen und der damit verbundene Wasserstoffbedarf in Deutschland“ errechnet der NWR erstmals einen möglichen Wasserstoffbedarf im Wärmemarkt. Der liegt im Jahr 2030 bei 5-10 TWh, danach steigt die Nachfrage bis zum Jahr 2045 auf eine Höhe zwischen 125 und 500 TWh/a.
Ob diese Mengen Wasserstoff selbst so spät, 10 Jahre nach dem kritischen Termin in der GEG-Novelle, für den Wärmemarkt verfügbar sein werden, bleibt unbestimmt. Die Bottom-Up-Studie geht in ihren Szenarien für das Jahr 2045 von einer Wasserstoffverfügbarkeit zwischen 150 TWh/a und 1.000 TWh /a für sämtliche Verbrauchssektoren aus. Der obere Wert, die Verfügbarkeit von 1.000 TWh/a, setzt eine sehr hohe Importverfügbarkeit voraus.
5. So skeptisch sehen Umweltverbände Wasserstoff im Wärmemarkt
Der WWF, der NABU und die Deutsche Umwelthilfe stimmen grundsätzlich der verbreiteten Ansicht zu, dass Wasserstoff eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 spielen wird, aber nicht auch noch im Wärmemarkt. Die drei Verbände haben ein Papier „Wasserstoff und grüne Gase im Gebäudesektor? Keine gute Lösung.“ mit Argumentationen und politischen Forderungen veröffentlicht. Darin begrüßen sie den 65%-Anteil an erneuerbaren Energien bei neuen Öl- und Gasheizungen, sehen jedoch die Aussichten von grünem Wasserstoff und anderen grünen Gasen als gering an. Ihre Gründe:
- mangelnde Verfügbarkeit von grünen Gasen, die im Zweifel von Anwendungen, die nicht elektrifizierbar sind, auskonkurrenziert werden;
- niedrige energetische Effizienz von Wasserstoffheizungen im Vergleich zu Wärmepumpen;
- hohe Kosten für Wasserstoff und damit ungeeignet für eine sozial gerechte Transformation im Wärmemarkt;
- mögliche Lock-in Effekte, da grüne Gase nicht ausreichend zur Verfügung stehen und fossile Anlagen weiterhin im Netz gehalten werden.
Dagegen fordern sie, dass die Politik bereits heute verfüg- und einsetzbare erneuerbare Wärmetechnologien priorisiert, fossile Heizungsanlagen, die grüne Gase einsetzen können, hingegen nicht als erneuerbar deklariert werden. Wasserstoff und andere grüne Gase sollten nicht grundsätzlich als Erfüllungsoption für den 65%-Anteil gelten. Die Nutzung von grünen Gasen in der Wärmeversorgung solle nur in klar definierten und begründeten Ausnahmefällen möglich sein. Favorisiert für die Wärmewende werden von den genannten Umweltverbänden Wärmepumpen und grüne Wärmenetze.
Wir wollen eine neue Heizung installieren, da die alte defekt ist. Gut zu lesen, dass man als Übergang eine H2-Heizung nehmen kann. Mal sehen was wir nehmen.