Beobachtungen und Überlegungen zu „Caren Miosga“: „Ist mit Ihnen ein Staat zu machen, Frau Wagenknecht?“ (ARD, 08.09.2024, 21.45 Uhr bis 22.45 Uhr) [1]
Schon im Vorfeld der Wahlen zu den Landtagen der Bundesländer Thüringen und Sachsen und zum Zeitpunkt ihres demoskopisch relativ genau prognostizierten Ausgangs war eine merkwürdig Verschiebung des medialen Blicks auf die jeweiligen politischen Konstellationen zu beobachten. Dieser Blickwechsel hat sich mit dem Wahlabend des 01.09.2024 verfestigt. Im Mittelpunkt eines großen Teils der Medien stand nicht mehr, Höcke hin, Höcke her, die AfD. In den Fokus rückten nunmehr das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ und die namensgebende Politikerin selbst. Exemplarisch und symptomatisch für deren mediale Zurichtung zumindest in den „Mainstream-Medien“ soll an dieser Stelle die oben genannte Veranstaltung analysiert werden. So wie das Objekt ihrer Inszenierung, die Politikerin Wagenknecht, polarisiert, hat die Inszenierung selbst eine gespaltene, krass gegensätzliche Beurteilung provoziert. Schon allein aufgrund dieser heftigen publizistischen Nachwehen wird man dieser intellektuell doch wenig ambitionierten Talk-Show und ihrer Moderatorin und zugleich Produzentin attestieren können, einen kleinen Medien-Coup gelandet zu haben.
Focus, Spiegel und natürlich BILD und andere freuen sich über die angeblich geglückte „Bloßstellung“ der von ihnen gehassten Politikerin. Focus sieht in der knappen Fernsehstunde „ein Lehrstück im Politiker-Grillen“, BILD, der bekannt unbestechliche Anwalt der Mühseligen und Beladenen, freut sich, dass Miosga Sahra Wagenknecht als „Großverdienerin“ geoutet hat, und selbst hier auf dem Blog wird ihre „Entlarvung“ mit Emphase gefeiert: Die emotionale Gewalt der zum Ausdruck drängenden und endlich herausgelassenen Aversionen ist so überwältigend, dass Distanz zum TV-Produkt gar nicht erst entstehen kann. Medienkritik war gestern.
Umso erstaunlicher ist, dass die beiden größten bürgerlichen Printmedien dieses Landes, Süddeutsche und FAZ, deutlich auf Distanz zu dieser Talk-Show-Stunde gehen. Dabei hat ihre Kritik einen durchaus instrumentell verengten Charakter. Nele Pollatscheck kritisiert, dass Miosgas Versuche, Sahra Wagenknecht bloßzustellen, so „offensichtlich“, d.h. durchschaubar und handwerklich schlecht gemacht gewesen seien, „dass man sie [Wagenknecht, HOR] aus Mitleid fast zur Kanzlerin machen will“ (SZ, 09.09. 2024). Deutlicher wird Matthias Alexander in der FAZ vom selben Tag. Miosgas Entlarvungsversuche seien dramatisch schief gegangen. Ihre „Selbstüberschätzung“, ihre Fokussierung auf Nebensächliches und leicht zu Klärendes („Personenkult“, Merchandising, ob Sahra Wagenknecht auf ihren Wahlreisen auch einmal eine Tafel“ besucht habe), ihre „schlampigen Fragen“ und ihr Unvermögen, genau hinzuhören, hätten ihrem „Stargast“ immer wieder „Steilvorlagen“ geliefert, um „unwidersprochen inhaltliche Punkte [zu] machen“. Sie habe, kaum vorstellbar, Wagenknecht „eine noch größere Bühne“ geboten „als bisher“. Wie gesagt: Diese Kritik ist ausschließlich instrumentell. Matthias Alexander teilt Caren Miosgas negative Bewertung Sarah Wagenknechts. Im kontextuellen Rückbezug auf die verfehlte Sprachkritik der Talkstunde und mit zumindest halb-ironischem, parodistischem Griff nach einer „Eskalations- und Herzschlagssteigerungssemantik“ (Frank Schirrmacher) attestiert er der Geschmähten ein „zynisches Putin-Vasallentum“. Seine Kritik stellt allein darauf ab, dass Miosga nicht die Mittel hat, ihre von ihm geteilten Ziele zu erreichen. Ihre intellektuelle Unbedarftheit habe genau das Gegenteil bewirkt.
Sowohl die Kritiker als auch die Apologeten dieser Sendung sind sich in einem einzigen und durchaus relevanten Punkt einig: Es ging in dieser Sendung, gelungen oder misslungen, um die Bloßstellung, um die symbolische Hinrichtung („Grillen“) einer Person. Gerade diese brutale Offensichtlichkeit, der Verzicht auf den Schein, es gehe hier um ein faires Messen von Argumenten und Positionen, gibt den Blick frei auf die Machart, die Struktur und den Sinn dieses Medienformats, ideologische Herrschaft durch die Parodie von Öffentlichkeit auszuüben. Die Show wird als Konstrukt, als Machwerk erkennbar. Caren Miosga führt mit Sahra Wagenknecht kein Gespräch, sie nimmt sie vielmehr ins Verhör. Alexanders Kritik an der mangelnden Professionalität von Caren Miosga ist zugleich der Ärger darüber, dass sie damit gegen ihre Absichten der Angegriffenen Räume der erfolgreichen Selbstdarstellung öffnet. Sein Ärger ermöglicht in der Sache, möglicherweise von ihm nicht intendiert, den Blick auf eine weitere Dimension des Gegenstandes zu werfen, denn mit seiner Kritik stellt sich unweigerlich die Frage, ob die In-Szene-Gesetzten eine Chance haben, im Laufe einer solchen Veranstaltung gegen die Machtlogik der Inszenierung erfolgreich aufzubegehren. Kann man das Format ins Wackeln bringen, kann man es, statt darin zu funktionieren, umfunktionieren, kann David siegen?
Diese Frage versuche ich im Anschluss an meine Analyse zu beantworten. Die Analyse selbst folgt der Zweiteilung der Sendung und verknüpft die aufgeworfenen inhaltlichen Fragen, soweit wie es in der gebotenen Kürze möglich ist, mit Reflexionen über das Format selbst.
1. Im „Soloverhör“[2]: Wasting Wagenknecht
Schon die Eröffnung der Sendung ist in mehrfacher Hinsicht merk- und denkwürdig: Miosgas Eingangssatz formuliert das Problem, auf das die kritische Titelfrage reagiert, nämlich dass nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen „ohne das BSW wohl keine Regierungen gebildet werden können“. Zur Überraschung mancher Zuschauer, wohl auch zur Wagenknechts Überraschung geht es aber in der ersten Hälfte der Sendung, fast 30 Minuten lang, um etwas ganz anderes: um den angeblichen „Personenkult“ um sie, der sich im Namen der Partei (ab Minute 05:08) und in Marketing-Artikeln mit ihrem Konterfei manifestiere, um ihre polemische Sprache (ab 12:30) und darum, ob sie auf Wahlkampftouren auch einmal eine „Tafel“ oder andere Sozialprojekte besucht habe (ab 22:37).
Allerdings sind bereits die ersten 5 Minuten durchaus lehrreich: Zunächst unterbreitet Miosga die für alle Zuschauer neue Nachricht, dass es sich bei ihrem Gast um die bekannteste Oppositionspolitikerin des Landes handele, und fügt hinzu, dass daran ja auch die Medien, insbesondere die Talk-Shows, „ihren Anteil“ hätten, die sie, nein, nicht eingeladen, sondern, in der Sprache Miosgas, „gebucht“ haben (01:46). Damit ist immerhin klar, dass Sahra Wagenknecht sich nicht selbst eingeladen hat. Ihr Einwand darauf ist empirisch und funktional. Sie verweist darauf, dass im vergangenen Jahr der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert der am häufigsten eingeladene Talks-Show-Gast gewesen sei, diese Auftritte aber die Wählerakzeptanz seiner Partei nicht wesentlich verbessert haben; es komme nicht nur auf die Medienpräsenz einer Politikerin an, sondern auf ihre Inhalte. Während man sich nun als Betrachter fragt, welchen Sinn diese Frage haben soll, wiederholt Miosga, ohne die Antwort Wagenknechts zu berücksichtigen, schlicht ihre Frage, gibt aber in deren Variante, ob bewusst oder unbewusst, einen wichtigen Hinweis. Jetzt fragt sie nicht mehr nach dem „Anteil“ der Medien an der Bekanntheit der Politikerin, sondern danach, ob die Medien sie nicht doch „aufgebaut“ hätten. Wenn sie dies, wie der weitere Verlauf der Show deutlich machen wird, kritisch sieht, kann man den Subtext dieser Frage so verstehen: Wer wie Miosga an die Macht der Medien glaubt, Menschen „aufbauen“ zu können, der scheint auch darauf zu setzen, sie gegebenenfalls auch wieder „abbauen“ und zusammenfalten zu können. Sahra Wagenknecht geht darauf nicht ein, auch weil sie ein anderes Interesse an dieser Sendung hat. Sie muss es auch nicht, sie kann hier gelassen bleiben, weil die öffentlich-rechtlichen Medien zwar immer noch einen großen Anteil an der Meinungsbildung haben, aber erstens nicht mehr ein Monopol als Apparat bilden und zudem ihre Meinungsmacht durch die interne Konkurrenz der kleinen Talk-Show-Unternehmen vermittelt ist. Wenn also Miosga am abwickeln ist, greifen andere zu, solange eine Person oder ein Thema in die Aufmerksamkeits- und Sensationsökonomie des Fernsehens passt und hohe Einschaltquoten garantiert, die den medialen Kleinunternehmen Vertragsverlängerung und hohe Honorare bescheren. Schon hier kann man auch überprüfen, was Matthias Alexander Caren Miosga vorwirft, dass sie nämlich durch ihr „Unvermögen“ Sahra Wagenknecht eine große Möglichkeit weiterer Selbstdarstellung bietet. Die erste Antwort auf Miosgas Frage hat den Sachverhalt bündig geklärt. Miosga hätte jetzt zu ihrer nächsten Frage übergehen oder Wagenknechts Antwort problematisieren können, wenn sie ihr nicht hinreichend erscheint. Stattdessen wiederholt sie ihre Frage (mit der selbstoffenbarenden Variante des medialen „Aufbauens“), während Wagenknecht nicht nur erneut auf die Qualität eines Politikerauftrittes hinweist, sondern relativ ausführlich politische Fehler der Ampel aufzählen kann, die ihres Erachtens erklären, warum die zahlreichen Medienauftritte auch grüner Politiker/innen den Parteien der Ampel nicht oder nur wenig geholfen haben.
Symptomatisch ist auch der Wechsel zum letzten Turn der Einleitung dieses Talk-Show-Abschnittes. Bis zum heutigen Tag sei Wagenknecht „vor allem dadurch aufgefallen, dass sie vor allem sehr viel geschimpft“ habe „über die Regierung und öffentlichkeitswirksam aus Parteien ausgetreten“ sei, dass mit Bodo Ramelow gesprochen ihr „Markenzeichen“ „das Gehen“ sei (03:23). Kühl kontert Wagenknecht, sie sei nicht aus „Parteien“ ausgetreten, sondern einmal aus einer einzigen. Miosgas Frage ist aus zweierlei Gründen symptomatisch für die ganze TV-Stunde: Ihre „schlampigen Fragen“ (Alexander) beruhen zum Teil auf einer schlampigen Vorbereitung bzw. schlampigen Recherche. Letzteres wird auch an anderen Stellen der Talk-Show deutlich werden. Die Voraussetzungen ihrer Fragen sind falsch oder strittig. Solche Fragen kann man nicht beantworten, sondern man kann nur ihre Voraussetzungen (Präsuppositonen) zurückweisen. Zweitens werden diese Voraussetzungen bzw. Fragen in einem zunehmend ätzenden, beleidigenden Tonfall vorgetragen (z.B. 07:05 „unanständig“).
(1) Personenkult
Dasselbe Muster zeigt sich nun beim Aspekt „Personenkult“. Zuerst fragt Miosga, ob es Wagenknechts Idee gewesen sei, die Partei nach ihrem Namen zu nennen (05:04), und wiederholt diese Frage nach Wagenknechts Antwort mit skandalisierendem Impetus: Das habe es in Deutschland (mit einer zu vernachlässigenden Ausnahme) noch nie gegeben, das sei „so, als dürfte es keine anderen Götter neben Ihnen geben“ (06:08). Sahra Wagenknecht verweist in ihrer Antwort darauf, dass die Gründung der Partei kein Soloprojekt war, sondern eines von ehemaligen Mitgliedern der Partei Die Linke, aber auch von vielen Personen außerhalb dieser Partei oder von bisher Nicht-Organisierten, dass die junge Partei vor der Schwierigkeit stand, sich schnell bekannt zu machen, dass es also darum ging, die Partei schnell im Bewusstsein potentieller Wähler und Wählerinnen zu verankern, und nicht darum, sich persönlich wichtig zu tun. Sie selbst sieht die Ambivalenz dieser Namensgebung, da dadurch Nebenfrage nach vorne drängen und die wichtigere Frage in den Hintergrund gerät, welche Inhalte von der Partei vertreten werden.
Miosga sagt kein einziges Wort zu Wagenknechts Antwort, sondern erwähnt ein weiteres scheinbares Indiz, das ihren Vorwurf des „Personenkults“ erhärten soll. Sie erwähnt nun zahlreiche Merchandising-Artikel, die das Konterfeit der Politikerin tragen, und behauptet, dies bei keinen anderen Politikern gefunden zu haben (08:43). Sahra Wagenknecht ist anzusehen, dass ihr die ganze Sache unangenehm ist, jeder unbefangene Betrachter kann merken, dass das nicht von ihr vorangetrieben wurde. Insofern ist dies nicht nur ein schwacher Beleg für den Vorwurf des „Personenkults“, sondern auch ein erneuter Beleg für die schlampige Recherche Caren Miosgas und ihrer Zuarbeiter. „Der Westen“, ein digitales Nachrichtenportal der Funke Mediengruppe, konnte unter der Überschrift „Nach der Sendung wird’s peinlich“ Miosga nachweisen, dass es Kaffeetassen, Poster, T-Shirts, Hoodies und zahlreiche weitere Artikel „mit dem Gesicht von Olaf Scholz“ gibt und dass man im CSU-Shop T-Shirts mit der Aufschrift „Söder Kebab“ und entsprechendem Fotoaufdruck erwerben kann[3]. Sahra Wagenknecht lässt sich zu Recht nicht auf diese Ebene ein, sondern kritisiert erneut und mit größerem Nachdruck das Niveau der Veranstaltung: „Ist das wirklich das Thema, über das wir heute Abend reden wollen?“ Miosgas Reaktion: „Nee, nee, aber es ist ein Thema, weil …“ (08:55 – 09:00). Das peinliche Nachspiel, das „Der Westen“ Miosga bereitet, ist aber noch nicht zu Ende. Mit Bezug auf Zuschauerhinweise fragt er nach der Berechtigung der Moderatorin, anderen Menschen „Personenkult“ vorzuwerfen, wenn sie ihre Talk-Show nach ihrem eigenen Namen benennt und der Name ihrer Firma „Mio Media GmbH“ die ersten drei Buchstaben ihres Nachnamens führt. Wie war das mit dem Splitter und dem Balken?
(2) Sprache der Polemik: „Vasallen-Kanzler“ und anti-Grüne Superlative
Die nächste Stufe der Herzschlagssteigerungssemantik soll nun die Betrachtung der polemischen Sprache Wagenknechts nehmen. Dazu wird ein Video eines Kommunikationsberaters, Johannes Hillje, eingespielt, der von Miosga als Kommunikationsanalytiker vorgestellt wird (12:57-15:20). Wagenknecht rechtfertigt ihre Bezeichnung Olaf Scholzʼ damit, dass dieser ohne parlamentarische Beratung am Rande einer NATO-Sitzung verkündet habe, dass „demnächst“ (ab 2026, HOR) in Deutschland Mittelstreckenwaffen stationiert werden sollen, die faktisch Angriffswaffen seien, aber dadurch zugleich Ziele russischer Präventivschläge sein könnten. Ziel dieser möglichen Schläge wäre allein Deutschland, weil diese Waffen, im Unterschied zum sog. „Doppelbeschluss“ 1979, nur in Deutschland disloziert werden sollen. Scholz ordne sich damit den Interessen der USA unter, die die Stationierung mit ihren eigenen Verteidigungsinteressen begründen.
Als zweites Argument will Sahra Wagenknecht auf Olaf Scholzʼ Verhalten zur Zerstörung von Nord Stream 2 hinweisen, wird aber hier von Caren Miosga strikt unterbrochen (16:40). Ihre Behauptung, Wagenknecht nehme Anleihen bei den „Reichsbürgern“ und ihrer Sprache, weist Wagenknecht begründet zurück. Die „Reichsbürger“ bestreiten Deutschlands Souveränität, was sie nicht tue, ihr gehe es allein um die Kritik des Regierungshandelns in dieser Frage. Wäre Deutschland nicht souverän, könne man Scholz gar nicht diesen Vorwurf machen. Statt sich mit diesem Argument auseinanderzusetzen, spielt Caren Miosga einen Höcke-Clip ein, der die Sache ein bisschen anheizt, ohne ihren widerlegten Vorwurf zusätzlich stützen zu können.
In der Sache geht es darum: Nach Aufkündigung des Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (INF) durch die USA 2019 wiederholt sich die Abschreckungskonstellation der 1970er und 1980er Jahre. Miosga reproduziert naiv die Argumente der Befürworter des Nato-Doppelbeschlusses, „wir“ stünden „unter dem Schutz der Vereinigten Staaten und des Verteidigungsbündnisses NATO“(16:49), Wagenknecht verweist auf die Eskalationsgefahr des neuen Stationierungsbeschlusses. Ihre Argumente decken sich mit denen, die Wolfgang Lieb am 12. und 13.07. 2024 hier an dieser Stelle vorgetragen hat. Wie Wagenknecht stellt er das Neue dieses Vorhabens heraus. Die Waffen sollen nur in Deutschland stationiert werden, damit drohe Deutschland „zum Schlachtfeld der Vorwärtsverteidigung der USA“ zu werden. Über Wagenknecht hinaus sieht er eine Steigerung der Gefahr dadurch, dass die neuen Waffensysteme „erheblich schneller, treffgenauer, schwieriger abwehrbar und teilweise deutlich weitreichender in Russland einschlagen können“, als dies bei Pershing II und Cruise Missiles der 1980er Jahre der Fall war.[4]
Wenn man die Schärfe der Sprache beurteilen will, sollte man sich klarmachen, dass das BSW in einer ähnlichen Lage ist wie die SPD vor dem Godesberger Parteitag 1959. Die SPD teilte damals mit der CDU und anderen bürgerlichen Parteien die Zustimmung zur kapitalistischen Grundordnung der Wirtschaft, zum Sozialstaat und zur „Sozialpartnerschaft“ zwischen Lohnarbeit und Kapital, verweigerte aber die Zustimmung zu Adenauers Außenpolitik. Bis sie diesem Teil des politischen Basiskonsenses beitrat: Befürwortung der „Westintegration“ und NATO-Mitgliedschaft, war Adenauer für die SPD „der Kanzler der Alliierten“. Diese Adressierung hatte nun durchaus keinen geringeren Polemik-Grad als der Vorwurf , dass Scholz ein „Vasallenkanzler“ sei.
Ähnlich handhabten es die Grünen auf ihrem kurzen Weg zur Verfügung über Vorzimmer, Dienstwagen und Flugbereitschaft. In der Auseinandersetzung mit dem Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen wurde der Abgeordnete Joseph „Joschka“ Fischer von der Parlamentssitzung ausgeschlossen, weil er Stücklen so beschimpfte: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“[5] Insoweit ist es schlicht geschichtsvergessen, wenn sich Miosga darüber empört, dass Wagenknecht die Grünen, „die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei“ [nennt], „die wir aktuell im Bundestag haben“ (gleich zweimal eingespielt: 13:49-14:01 und 20:30 – 20:42). Auf Miosgas Vorhaltung, dass Wagenknecht nicht die AfD so nenne, demonstriert sie ihrer Kontrahentin erneut, dass diese eine schlechte Zuhörerin ist: Sie habe nämlich erläuternd eingeschoben, dass ihre Urteile an dem Schaden zu messen sind, den grüne Politik anrichtet und den die AfD noch nicht anrichten kann, weil sie noch nicht an der (politischen) Macht ist. Im Anschluss zählt sie die politischen Entscheidungen auf, die ihres Erachtens ihre Wortwahl rechtfertigen, und wirft den Grünen vor, damit den größten Anteil daran zu haben, dass Höcke und seine Partei bei den Landtagswahlen einen Stimmenanteil von über 30% bekommen haben. Unfähig, sie in der Sache zu entkräften, kann ihr Miosga nur noch vorwerfen, mit ihrer Wortwahl eine demokratische Partei verächtlich zu machen (21:47). Um das zu bestätigen, hätte sie ja nur Wagenknecht dazu auffordern müssen, jeden ihrer Superlative mit Beispielen zu belegen. Auf diese Aufforderung aber verzichtete sie.
(3) Die „Großverdienerin“ und die Armen
Nachdem Caren Miosga Sahra Wagenknecht gefragt hat, wie sie sich über die Lage der Armen informiere, zieht sie deren Hinweise auf Gespräche mit Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten, auch mit Niedriglöhnern, mit der Behauptung in Zweifel, dass sie (im Netz) keine Fotos von solchen Begegnungen gefunden habe. Als Sahra Wagenknecht deutlich macht, dass sie von solchen Fotos, die Politiker mit Verarmten zeigen, nichts hält, und bezweifelt, dass solche Fototermine mit Politikern Betroffenen irgend einen Nutzen bringen, schaltet Miosga um und behauptet, ihre Nachfragen bei „Sozialverbänden“ in NRW und „im Osten“ habe zu keiner Bestätigung eines Besuches bei sozialen Einrichtungen geführt. Nun fragt Sahra Wagenknecht nach, um welche Sozialverbände es sich gehandelt habe, aber Miosga kann keinen nennen, sondern redet sehr allgemein von solchen „in Nordrhein-Westfalen“(26:55). Ihr letzter Triumph besteht darin, Wagenknecht als „Großverdienerin“ zu bezeichnen und damit zu insinuieren, dass so jemand nicht nahe an den Interessen der Armen sein könne.
Zunächst fällt auf, dass Geldverdienen durch eigene Arbeit in einem bürgerlichen Medium als ein Makel beurteilt wird. Sodann gibt es erneut eine Glashaussituation: Miosga bekommt für die Talk-Shows „Caren Miosga“ vom NDR ein persönliches Jahreshonorar von 570000 Euro und in ihrer Eigenschaft als Produzentin ihrer eigenen Sendung und Haupteigentümerin von „Mio Media GmbH“ noch einmal Einnahmen, so dass sie insgesamt auf Einkünfte von ca. 700000 Euro im Jahr komme.[6] Zudem gab es in sozialen Bewegungen, insbesondere in der Arbeiterbewegung, in den Führungsgruppen viele Intellektuelle, die sich nach Herkunft, Bildung, Einkünften und Habitus deutlich von der Mehrheit der Mitglieder der Arbeiterparteien unterschieden. Genau da hakte ja der faschistische Versuch ein, die Arbeiter von ihrer internationalistischen („jüdischen“) Führung zu trennen und für das demagogische Konstrukt eines „nationalen Sozialismus“ zu gewinnen. Ohne die Kapitaleinkünfte des Unternehmers Friedrich Engels, von denen er zu einem kleinen Teil die wissenschaftliche Arbeit von Marx finanzierte, hätte es keinen „Marxismus“ gegeben.
Sahra Wagenknecht ist sicherlich ein Distanzmensch, sie verkörpert derart einen anti-populistischen Politikertypus schlechthin. Sie ist definitiv nicht der Kumpeltyp von nebenan, mit dem man nach Feierabend auf der Bank vorm Haus ein Bier trinkt. Es gibt jedoch viele Beispiele dafür, dass sich Distanz und Zuneigung nicht widersprechen müssen.
Und noch eine Pointe: In Thüringen gibt es genau zwei Parteien, die die „Tafeln“ in ihrem Wahlprogramm überhaupt erwähnen. Die Grünen fordern die finanzielle Unterstützung der „Tafeln“, das BSW will Kommunen beim „Vorhalten von Obdachlosenunterkünften“ helfen und sichert „Tafeln, Sozialkaufhäusern und den vielen Vereinen und Strukturen, die den ärmsten Thüringern täglich helfen, das Leben zu meistern,“ Unterstützung zu.[7] Nichts davon in den Wahlprogrammen der anderen Parteien!
2. Auf dem „Schulhof“ des Mediums: Drei gegen eine
In der zweiten Hälfte der Sendung erweitert Miosga die Akteure um zwei weitere Teilnehmer: den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, und den Chefredakteur des konservativen Online-Verlages „MediaTable“, Michael Bröcker. Obwohl Sahra Wagenknecht nun auch augenscheinlich eingerahmt ist, verläuft diese Hälfte weitaus zivilisierter als die erste. Unterbrechungen zwischen den drei Hauptakteuren kommen vor, behindern aber kaum das Statement des oder der Unterbrochenen. Am massivsten sind die Unterbrechungen durch Carmen Miosga, wie gehabt.
Aus Platzgründen verzichte ich darauf, auch diesen Teil formal zu analysieren, und referiere nur wesentliche Inhalte.
Im Blick auf Inhalte sehen beide Seiten das Hauptproblem in den gegensätzlichen Positionen zur Außen- und Militärpolitik und im Gewicht, das das BSW dieser Frage in der Landespolitik geben will. Die inhaltlichen Fronten sind klar: Das BSW ist für die Beendigung von Waffenlieferungen an die Ukraine und fordert Friedensverhandlungen, zudem lehnt es die Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland ab. Thorsten Frei zählt die „Westbindung“ zur „DNA“ der Union und sieht in der Waffenstationierung eine Notwenigkeit, um „unsere Sicherheit“ zu gewährleisten.
Wagenknecht nennt ihre außenpolitischen Positionen ein „Herzensanliegen“ und beruft sich dabei auf eine von ihr und Alice Schwarzer in Auftrag gegebene Umfrage vom August des Jahres. Das von ihnen beauftragte Institut INSA ermittelte, dass 68% der Befragten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine fordern und 65% einen Waffenstillstand. Auf die Frage, wo die Regierung sparen sollte, nannten 40% unter 10 vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten das Sparen bei der Unterstützung der Ukraine an erster Stelle. Wagenknecht räumt ein, dass die Landespolitik diese Fragen nicht entscheidet, hofft aber, über die Landesregierungen, an denen das BSW möglicherweise beteiligt werde, „Druck“ auf die Akteure im Bund ausüben zu können. Außerdem will sie den Ausschuss der Ländervertretung, des Bundesrates, für „Auswärtige Angelegenheiten“ in ihrem Sinn nutzen.
Gegen diese Argumentation erhob Michael Bröcker einen zynisch klingenden, gleichwohl relevanten Einwand: Die demoskopischen Mehrheiten schlagen sich nicht in institutionelle Mehrheiten und politische Entscheidungen nieder.
Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen. 20 Jahre hat der USA-geführte Krieg in Afghanistan gedauert, durchgängig gab es demoskopische Mehrheiten gegen die deutsche Kriegsbeteiligung, die aber an den politischen Weichenstellungen nichts änderten, weil die Ablehnung des Krieges für den größten Teil der Wähler nicht wahlentscheidend war. Ähnlich sieht es bei den Landtagswahlen in Thüringen aus, schenkt man den Umfrageergebnissen der ARD Glauben. Danach machen sich 77% der Wähler in Thüringen große Sorgen, dass „wir“ in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden, aber nur 5% nennen den Krieg an erster Stelle als ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung (damit steht dieser Grund an 6. Stelle der insgesamt genannten Entscheidungsgründe). Anders sieht es aber bei den Wählern des BSW aus. Da nennen 17% den Krieg als entscheidenden Grund für ihre Wahlentscheidung.[8] Mit anderen Worten: Hinter der von Wagenknecht genannten „Herzensangelegenheit“ steht ein Druck, den die Wahlkampfführung des BSW mit-erzeugt hat und den die Partei jetzt aus guten Gründen nicht ignorieren kann.
Entscheidend für die Frage der Regierungsbildung war, dass sich weder Thorsten Frei noch Sahra Wagenknecht von Caren Miosga dazu verführen ließen, „rote Linien“ für Verhandlungen zu ziehen und zu verkünden. Wagenknecht sagte, sie führe keine Koalitionsverhandlungen in einer Talk-Show, Frei sagte, man stehe erst am Anfang eines langwierigen Verfahrens der Optionsgespräche, der Sondierungsgespräche und schließlich einer Entscheidung, mit wem und in welcher Reihenfolge Koalitionsverhandlungen geführt werden. Vor allem gelte es, „aus Verantwortung für beide Länder“ alles Denkbare auszuloten, um eine Regierungsbeteiligung der AfD zu verhindern (43:00 – 44:00).
Spätestens hier war die Frage des Sendungstitels geklärt, der Rest war Nachspielzeit.
Miosga holte noch einmal die Kommunismuskeule aus der Kiste und blamierte sich mit der Frage, warum Sahra Wagenknecht immer noch nicht aus der „Kommunistischen Plattform“ in der Partei Die Linke ausgetreten sei. Sie musste sich von Sahra Wagenknecht sagen lassen, dass man dieser Fraktion weder formal beitreten noch aus ihr austreten kann. Wagenknecht distanzierte sich von den Positionen, die sie als Jugendliche bezogen hat, verwies auf ihre Bücher und bezeichnete ihre Zielvorstellung als „gerechte Leistungsgesellschaft“, die Aufstiegsmöglichkeiten eröffne. Das kann man einer Politikerin abnehmen, die seit Jahren ihre Nähe zu Ludwig Erhard deklariert und ihre Ferne zu Marx erkennen lässt. Gerechte Korrekturen bei den Verteilungs- und Beschweigen der Produktionsverhältnisse. Michael Bröcker attestiert die Glaubwürdigkeit des Abschwörens und erteilt der reuigen „Jugendsünderin“ die Absolution. Auf der Grundlage des gemeinsamen Bekenntnisses zur „sozialen Marktwirtschaft“ konnte Thorsten Frei entspannt Schnittmengen zwischen CDU und BSW aufzählen. Den Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei sah er im Blick auf die Partei Die Linke irrelevant werden. Gerade durch eine „woke links-alternative“ Politik drifte die Partei in die Bedeutungslosigkeit ab und da wollte dann doch noch die halbwegs gezähmte Widerspenstige etwas sagen, aber da fiel schon der Vorhang vor den lächelnden Gesichtern.
3. Und die Form?
Caren Miosga ist eine grandiose Dekonstrukteurin. Ihr ist dafür zu danken, dass sie gar nicht erst den Gedanken aufkommen ließ, es gehe in einer Talk-Show um demokratische Ausgewogenheit, durch die alle Beteiligten Argumente zu dem benannten Thema ungehindert und fair artikulieren können.[9] Die Rolle, die sie als Moderatorin spielt, ist keineswegs die der fairen, neutralen Hüterin fairer Regeln. Sie stellt die Fragen, sie bestimmt, was gesagt werden darf und was nicht. Sie bestimmt die Regeln, die aber nicht für alle gelten. Sie kann das Wort erteilen oder abschneiden. Ihr Umgang mit unliebsamen Gästen folgt der Maxime, sie reden, aber dabei nicht zu Wort kommen zu lassen. Das probate Mittel, um diesen Zweck zu erreichen, ist die Unterbrechung des Redeflusses, dem Gast ins Wort fallen. Ich habe versucht aufzuschreiben, wie oft Caren Miosga Sahra Wagenknecht in der ersten Hälfte ins Wort gefallen ist und habe mindestens 40 Unterbrechungen protokolliert. Mindestens 40 Unterbrechungen deshalb, weil sich Sahra Wagenknecht diesen Umgang nicht bieten ließ und bisweilen die Unterbrechungen so dicht wurden, dass man sie nur mit hohem Zeitaufwand hätte zählen können. Ein weiteres Mittel der „Gesprächs“-Lenkung besteht natürlich in der Zusammensetzung der Runde. Hier konnte man gut beobachten, dass die Regeln eben nicht für alle gleich sind. Bei ihren Eingangsstatements zur zweiten Runde fiel Miosga weder Thorsten Frei noch Michael Böcker ins Wort, wie selbstverständlich aber Sahra Wagenknecht. Die von Matthias Alexander beobachtete Überforderung Miosgas wurde zum wichtigen Erkenntnismittel der Zuschauer im Blick auf die Machart der Sendung. Die von ihm notierte Unfähigkeit zuzuhören und an wichtigen Punkten zu verstehen, was ihr Gegenüber sagte, lag auch daran, dass Miosga zwei DIN-A-4-Blätter vor sich liegen hatte (oder waren es zwei Stapel?), auf die sie immer wieder blicken musste, um entscheiden zu können, wie sie das „Gespräch“ weiter führen kann. Genau dieses Abgelenkt Sein führte dazu, dass sie Fragen wiederholen musste und so – zum Leidwesen Alexanders – Sahra Wagenknecht immer wieder die Gelegenheit gab, ihre Positionen ausführlich darzustellen und mit zahlreichen Beispielen (zu den Entscheidungen der Ampelparteien) anschaulich zu machen. Wenn Miosga Wagenknecht fragte, ob sie sich wie eine Göttin fühle, die keine anderen Götter neben sich dulde, hat sie weniger Wagenknecht getroffen, als ihre eigene Sicht auf Wagenknecht offenbart. Es waren Wagenknechts Autorität, vor allem aber ihre jahrelange Erfahrung, in Talk-Shows sich allein gegen viele andere durchsetzen zu müssen, und natürlich das schnelle Erkennen und Ausnutzen von Miosgas Schwächen, die dafür gesorgt haben, ausführlich zu Wort zu kommen, so dass sie nur selten das Mittel benutzen musste, sich zu behaupten, indem sie das Fragemonopol der Moderatorin zu durchbrechen versuchte. Als sie von Miosga als Politikerin vorgestellt wurde, an deren Ruhm die Talk-Show-Einladungen einen großen Anteil gehabt hätten, hätte mich interessiert, wie Miosga auf die Frage reagiert hätte, ob sie das heute bereut. Durchsetzungsfähigkeit und Beharrlichkeit im Sprechen, Rückfragen an die Moderatoren sind Mittel der Wahl, um sich als Gast gegen die Machtverhältnisse des Formats zumindest ansatzweise behaupten zu können.
Ein Frage indes, die man sich als Zuschauer stellen kann, wäre die: Wenn man, wie Miosga selbst einräumt, eine Regierungsbeteiligung der AfD nur mit einer wie auch immer gearteten Kooperation von CDU und BSW verhindern kann, welchen Zweck verfolgte dann Miosgas Wagenknecht-Bashing? Ist es frivole, verantwortungslose Spielerei, hat sie eine verborgene Agenda, will sie Wagenknecht demontieren in der Hoffnung, potentielle Stimmen für das BSW bei den Landtagswahlen in Brandenburg auf die SPD und die Grünen umleiten zu können, statt damit die AfD zu stärken? Gemessen an der Ernsthaftigkeit des Ausgangsproblems war diese Sendung denkbar unpolitisch und kontraproduktiv.
Und noch etwas lässt sich aus dieser Sendung lernen: Pluralismusscheu macht dumm. Im finalen Wohlbefinden über Schnittmengen und Teilkonsense fehlte jemand, etwa eine Vertreterin von ProAsyl oder eine Fachpolitikerin der Linkspartei, die mit Frei und Wagenknecht über den operativen Kern der Flüchtlingspolitik ihrer Parteien und seine Verfassungskonformität hätte diskutieren können. Wenn etwa das BSW die Voraussetzung für eine gelingende Integration darin sieht, „dass die Zahl der Zugewanderten sich in einem Rahmen bewegt, der unsere Gesellschaft nicht überfordert“ (Wahlprogramm Thüringen), würde ich dann doch ganz gerne wissen, wie das BSW eine „Überforderung“ der Bevölkerung feststellen will und wie hoch die Zahl der Zugewanderten werden darf, bevor sie an den „Rahmen“ stößt.
Zum Schluss:
„Ist mit Ihnen Fernsehen zu machen, Frau Miosga?“ Ja, durchaus, man wird diese Frage unbedingt bejahen müssen, aber diese Bejahung ist kein Kompliment für das Fernsehen!
[1] Die Sendung kann mit folgendem Link aufgerufen werden: https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2NhcmVuLW1pb3NnYS8yMDI0LTA5LTA4XzIxLTQ1LU1FU1o
[2] So Jan Sternberg bei RND: https://www.rnd.de/politik/harte-fragen-statt-wohlfuehltalk-miosga-schlaegt-sich-wacker-mit-wagenknecht-RDRRHJNAZNGYRC6CHJROTPT6YA.html
[3] https://www.derwesten.de/politik/caren-miosga-wagenknecht-ard-zuschauer-id301130635.html
[4] Es ist hier nicht der Raum, korrigierende Fragen zur Abhängigkeitsthese zu stellen. Eine wichtige Spur legt da Wolfgang Liebs Frage: „Hat die Bundesregierung ein Mitspracherecht für den Einsatz solcher Waffen?“ Schon der Gießener Rechtswissenschaftler Helmut Ridder hat der damaligen Nachrüstungskritik vorgehalten, „die Frage nach ganz spezifisch deutschen (BRD-) Interessen praktisch so gut wie völlig ausgespart“ zu haben, trotz der initiierenden Rolle Helmut Schmidts beim NATO-Beschluss 1979. Nicht nur von Strauß sei jeder Schritt der US-amerikanischen atomaren Militärpolitik mit der Diskussion um ein „deutsches Vetorecht“ verknüpft worden und mit der Hoffnung, den Schritt von der Mitentscheidung zur „alleinigen Verfügung“ machen zu können: „Aus den Schluchten des Deutschland-Archipels“. Zuerst anonym in „Demokratie und Recht“, hier zitiert aus „Blätter für deutsche und internationale Politik“ 8/1984, S. 983-1005. Der Aufsatz verdient unbedingt einen Neudruck, vielleicht in die Wege geleitet und eingeleitet vom Ridder-Schüler Frank Walter Steinmeier.
[5] Schon Fischers subalternes „Mit Verlaub“ signalisiert die Unterwerfungsbereitschaft dieser Rebellen-Darsteller.
[6] Zu den Einkünften von Caren Miosga gibt es viele Einträge im Internet. Hier beispielhaft Michael Hanfeld in der FAZ vom 23.11.2023: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/caren-miosgas-talkshow-soll-ndr-5-8-millionen-pro-jahr-kosten-19332006.html
[7] Ein leichter Zugriff auf die Wahlprogramme der sieben relevantesten Parteien Thüringens ermöglich folgende Seite: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/landtagswahl/wahlprogramme-parteien-originaltext-100.html. Ich sehe solche Forderungen eher skeptisch. Parteien, denen die Interessen der ärmeren Bevölkerungsschichten wichtig sind, sollten Einkommen für sie fordern, die ihnen den demütigenden Gang zur „Tafel“ ersparen.
[8] Siehe: https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/umfrage-aktuellethemen.shtml und https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/umfrage-wahlentscheidend.shtml
[9] Die folgenden Ausführungen sind inspiriert von Pierre Bourdieu: Über das Fernsehen. Frankfurt am Main 2015 (11. Auflage, zuerst als edition suhrkamp 2054 1998), S. 41-49.