Kaum ist die Tinte unter dem Koalitionsvertrag zwischen der SPD und den Grünen in Hamburg trocken, murren die Anhänger der einstigen Umweltpartei über das Ergebnis. Die Grünen hätten sich an keiner Stelle durchsetzen können- mit einer Ausnahme: Sie besetzen künftig drei Senatorenposten. Ja, was haben Sie denn erwartet? Dass Olaf Scholz das macht, was in den Köpfen oder Herzen von Grünen geträumt wird? Der SPD-Politiker hat auf der Basis eines sehr guten SPD-Wahlergebnisses mit über 45 Prozent der Stimmen mit den Grünen verhandelt und er hat sich und seine Ideen durchgesetzt. Wie man das von Scholz gewohnt ist, in aller Ruhe, ohne Getöse. Es hat sich an der Alster gezeigt, was man von den Grünen seit Jahr und Tag weiß. Sie wollen mitregieren und dafür müssen sie Kompromisse eingehen.
Das kann man schon länger zum Beispiel in Hessen besichtigen, wo die Grünen mit Tarek Al-Wazir die Politik des CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier mittragen und selbstverständlich auch den stärksten Arbeitgeber des Landes, das internationale Airport-Drehkreuz am Main nicht gefährden. Punkt. Auch das geschieht ohne Theater, ohne Krach, zumindest für die Öffentlichkeit nicht erkennbar. Übrigens ist Tarek Al-Wazir pikanterweise Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, dazu stellvertretender Ministerpräsident in Hessen, dort, wo Joschka Fischers politische Karriere in Turnschuhen begann. Mit dem SPD-Regierungschef Holger Börner.
In Berlin mögen die Grünen in der Opposition die eine oder andere Position im Bundestag verfechten und fordern. Wenn es darauf ankommt, werden sie sich der Politik von Angela Merkel beugen. Die Kanzlerin, seit rund zehn Jahren im Amt, hat ohnehin das Programm der CDU, deren Vorsitzende sie seit 15 Jahren ist, derart verändert, man kann auch sagen, entkernt oder entstaubt, dass die CDU-Chefin locker mit der SPD regieren kann, wie es gerade geschieht, oder mit den Grünen regieren könnte, wenn es nicht anders geht, oder auch mit einer FDP, die allerdings dafür erst die Qualifikation für den Wiederaufstieg in die Bundesliga, pardon in den Bundestag schaffen müsste.
Auch in NRW regieren die Grünen mit der dortigen SPD unter Führung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft eher unauffällig mit. Und wenn es das Ergebnis bei der nächsten Landtagswahl ermöglicht, wird Rot-Grün fortgesetzt. Aber klar ist auch in Düsseldorf: Wenn die SPD an Rhein und Ruhr zu schwach wird, wechseln die Grünen ins Regierungsbett mit der CDU. Ja, was denn sonst?!
Jede demokratische Partei in den Parlamenten muss doch in der Lage sein, mit anderen demokratischen Parteien-Betonung liegt auf demokratisch- eine Koalition zwecks Bildung einer Regierung einzugehen. Man kann ja nicht am Tag nach einer Wahl erklären: Sorry, liebe Wählerinnen und Wähler, Ihr habt falsch gewählt, zu dumm abgestimmt, also müsst Ihr in wenigen Wochen noch einmal ran. Zur Politik gehört der Kompromiss.
Und was die Grünen angeht: Sie wollen halt einfach auch mitregieren. Da muss man dann im Notfall auch mal fünfe gerade sein lassen. Nicht jeder Halm kann gerettet werden. Und zur Politik gehört auch die Verteidigung mit all ihren Waffen. Und die Autobahnen und Schnellstraßen, sicher auch Fahrradwege. Und die Landwirtschaft mit all ihren Problemen. Aber die Grünen sind längst von ihren einstigen Wunsch-Positionen hart auf dem Boden gelandet. Sie allein werden die Welt nicht retten können und die besseren Menschen sind sie auch nicht.
Ohnehin ist das mit der Moral in der Politik so eine Sache. Nie sollte man das für sich beanspruchen und mit dem Finger auf andere zeigen. Denn in dem Fall zeigen drei Finger derselben Hand auf einen zurück.
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