Robert Habeck strotzt vor Selbstbewusstsein. Dem Alt-Grünen Jürgen Trittin wird das augenscheinlich schon zu viel, hat er doch den Verdacht, Parteifreund Robert habe sich bereits den Vizekanzler-Posten zugeschanzt, wo doch noch nichts klar ist. Und generös tut Parteichef Habeck kund, mit wem er und seine Annalena ab Mittwochabend reden wollen: Zuerst mit der FDP – Königsmacher unter sich -, aber dann auch mit Genossen und Christdemokraten. Denen möchte man raten: Bitte ordentlich anstellen und auf Einlass warten.
In der Wahlnacht konnten Beobachter den Eindruck gewinnen, der Grüne aus dem Norden liebäugele mit einer schwarz-grün-gelben Jamaika-Koalition, also Union, Grüne, FDP. Seine Erfahrungen als Kieler Landwirtschafts- und Umweltminister unter dem geschmeidigen CDU-Regierungschef Daniel Günther waren offenkundig nicht schlecht. Einen Tag später klangen Habecks Interview-Aussagen schon wieder anders. Da schien es mehr Richtung rot-gelb-grüner Ampel zu gehen. Vielleicht hatte der schriftstellernde Politiker intensiver nachgedacht. Denn wenn man es realistisch bewertet, sind die Grünen nicht völlig oder sogar nur sehr wenig frei in ihrer Entscheidung, ob sie zusammen mit der FDP den Sozialdemokraten Scholz oder den christdemokratischen Wahlverlierer Laschet zum nächsten Kanzler machen wollen.
Gewiss, in den Ländern sind alle Farbspiele denkbar und offensichtlich ohne große Konflikte möglich: Von grün-schwarz in Baden-Württemberg mit der dominanten grün-konservativen Vater-Figur Kretschmann über die Ampel aus SPD, Liberalen und Grünen in Rheinland-Pfalz bis zu Jamaika in Habecks Heimatland Schleswig-Holstein. Aber im Bund werden andere Preise aufgerufen. Da geht es um mehr. Da ist dann auch mehr Gesinnung im Spiel.
Nie war der Ruf nach Erneuerung so laut wie jetzt nach der Erstarrung der Merkel-Jahre. Wobei allerdings noch zu klären wäre, wieviel echte Erneuerung der konsumverwöhnte Bundesbürger am Ende zulassen will. Aber sei’s drum. Nach Auskunft von Meinungsforschern wollen über 80 Prozent der Grünen-Wähler die Ampel-Koalition mit der SPD. Und auf die Frage, ob sie Scholz oder Laschet als nächsten Kanzler wünschen, votierten von allen Wählern so viele für den SPD-Mann und so wenige für den Loser aus Achen, dass es schon frech ist, wie der noch immer nicht aufgeben will.
Die Grünen würden also eindeutig gegen den dokumentierten Wählerwillen und die Mehrheitsstimmung auch nach der Wahl handeln, würden sie am Ende doch noch Ja zu Jamaika und damit zu Kanzler Laschet sagen. Und das könnte oder müsste sie sogar zerreißen. Das größte Hindernis: Am Ende muss das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen dann doch wohl der Basis zur Abstimmung vorgelegt werden. Soll die mehrheitlich für Jamaika votieren, müssten Habeck und Annalena Baerbock vielleicht frei nach der Devise von Bert Brecht handeln: Ihre Partei auflösen und sich ganz schnell eine neue wählen.
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